Veränderung – das einzig Beständige in der Medizin
Liebe Leserinnen und Leser,
hinter uns liegen die ersten Monate nach dem erfolgreichen Start der neuen Plattform „Kompakt Ophthalmologie“. Sicherlich gibt es immer Dinge, die bei einem Launch zu verbessern sind. Schauen wir jedoch auf die Umsetzung der Grundidee hinter der neuen Plattform, so finde ich, dass hier schon sehr viel erreicht wurde. In den vergangenen Monaten konnte ich bei meinen Besuchen der Seite selber immer wieder feststellen, wie einfach es ist, sehr schnell neue und hochinteressante Studienergebnisse komprimiert zu lesen und mein Wissen zu erweitern. In unserer Epoche ist es durch den ungeheuren Informationsfluss in allen Bereichen des Lebens – sei es nun über herkömmliche Medien wie Fernsehen, Radio oder Zeitung, aber auch über Social Media wie Facebook und Instagram – immer schwerer den Überblick über die wirklich relevanten Informationen zu behalten. Dies ist gerade in unserem beruflichen Umfeld aber von entscheidender Bedeutung für eine erfolgreiche und moderne Behandlung unserer Patienten. Hier ist „Kompakt Ophthalmologie“ eine große Hilfe. Die Auswahl der vorgestellten Veröffentlichungen, geben einen guten Überblick über relevante innovative Studien aus allen Gebieten der Augenheilkunde.
Ein wichtiges weiteres Fazit nach den ersten Monaten ist auch, dass das einzig Beständige in der Medizin die Veränderung ist. Alte Standpunkte werden durch neue ersetzt, andere durch zusätzliches Wissen ergänzt und immer neue Türen öffnen sich in Therapie und Diagnostik. Das Wissen vermehrt sich exponentiell!
Schauen wir einmal in die aktuellsten Studien, so finden wir eine ganz neue Erkenntnis durch eine Arbeitsgruppe aus Vancouver, die einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Gabapentin oder Pregabalin im Jahr vor dem Auftreten eines akuten Glaukomanfalls nachweisen konnte. Hierauf sollten wir also unsere Patienten mit Epilepsie oder Neuralgien unter einer solchen Medikation hinweisen.
Eine andere interessante Studie bzgl. des Engwinkelglaukoms aus Singapur um Narayanaswamy et al. konnte Unterschiede im Elastizitätsmodul von gesunden Patienten und Patienten mit PWBG feststellen. Diese Grundlagenforschung wird vollkommen neue Ansätze für das Verständnis der Erkrankung ermöglichen. Andere neuere Studien bringen frühere Ansätze ins Wanken. So konnte durch Iglesias et al. aus Rotterdam kein Nachweis eines genetischen Zusammenhangs von Myopie und Glaukom nachgewiesen werden. Ein Umdenken ist auch in Bezug auf die Durchblutung des Sehnervenkopfes notwendig: Allgemein ist bekannt, dass bei fortgeschrittenem Glaukom der Sehnervenkopf schlechter durchblutet ist. Im einer Studie aus Portland konnte jedoch gezeigt werden, dass im Frühstadium der Erkrankung die Durchblutung auch erhöht sein kann. Auch der allgemeine Blutdruck ist wieder im Fokus von Untersuchungen. Als prognostisch schlechter Faktor gilt u.a. eine nächtliche Hypotonie. Eine Studie aus Japan konnte nun aber zeigen, dass Glaukom- Patienten deutlich mehr nächtliche Hypertonien und Non-Dipping aufweisen als gesunde Kontrollpersonen.
Interessant sind aber auch häufig die Studien aus unserem klinischen Alltag fernab der Grundlagenforschung. Wir alle wissen wie empfindlich gerade chronisch erkrankte Patienten im Verlauf einer Therapie werden können, insbesondere die AMD-Patienten, die jahrelang monatlich zur IVOM-Gabe kommen. Nun konnte eine Arbeitsgruppe um Georgakopoulos aus Patras nachweisen, dass eine einmalige Gabe von Nepafenac präoperativ die Schmerzen signifikant verringern kann. Dies ist sicherlich eine Erkenntnis von der so viele unserer Patienten profitieren können. Ein Tropfen zusätzlich mit großer Wirkung!
Augenärztliche Studien haben manchmal auch Relevanz für das Überleben unserer Patienten und auch wir Augenärzte sollten immer ganzheitlicher denken. Mir et al. aus New Haven konnten in einer retrospektiven Querschnittsstudie nachweisen, dass Patienten mit einem Netzhautgefäßverschluss ein deutlich erhöhtes Risiko von Apoplex und Myokardinfarkt im direkten Anschluss an das retinale Geschehen aufweisen. Dieses Wissen muss genutzt werden, um diese Patienten durch eine umfassende internistische Therapie vor solchen Ereignissen zu schützen.
Prophylaktisches Vorgehen kann auch im Bereich der Riesenrissamotio für den Erhalt der Sehschärfe des Partnerauges sein. Eine nicht randomisierte Fall-Kontroll-Studie aus Rotterdam konnte nachweisen, dass eine prophylaktische 360° Laserbehandlung am Nachbarauge das Risiko für eine Amotio mit Makulabeteiligung signifikant verringern kann. In der behandelten Gruppe zeigten nur 12,8 % eine Netzhautablösung im Vergleich zu 43,1 % in der nicht gelaserten Gruppe.
In der Uveitis-Therapie gibt es natürlich auch Verbesserungen und gerade bei selteneren Krankheitsbildern ist es wichtig am Puls der Zeit zu bleiben. Im Rahmen der POINT-Studie aus Baltimore konnte gezeigt werden, dass die intravitreale Triamcinolonacetonid-Injektion bzw. ein Dexamethason-Implantat der periokulären Streoid Injektion in Bezug auf Verringerung des Makulaödems und Verbesserung des bestkorrigierten Visus überlegen ist. Auch über systemische Therapien müssen wir als Augenärzte in Zukunft besser informiert sein. Beispielhaft für diese Entwicklung ist eine Studie aus Santander zum therapierefraktären CMÖ bei nichtinfektiöser Uveitis. Relativ junge Patienten mit idiopathischer Arthritis, M. Behcet, Birdshot-Retinochoroidopathie oder Sarkoidose wurden mit einem Anti-Il6-Rezeptor behandelt. Darunter kam es zu einer Verbesserung des Visus und der zentralen Netzhautdicke. Gleichzeitig konnte als positiver Nebeneffekt die systemische Steroiddosis verringert werden.
Da sich die Hornhaut auch über lange Zeiträume nach Behandlungen noch verändern kann, sind hier Langzeitergebnisse von großer Bedeutung. Daher möchte ich hier die 4‑Jahres-Ergebnisse von Kanellpoulus hervorheben. Nach dem Athens-Protokoll (Kombination von PRK und Crosslinking) konnte der unkorrigierte sowie der bestkorrigierte Visus signifikant verbessert und im Vergleich zu präoperativ auch die K‑Werte signifikant verringert werden. Ich denke, dass wir diese Ergebnisse bei der Planung von Keratokonus Patienten mehr ins Kalkül ziehen und eine Kombination von PRK und Crosslinking dem alleinigen Crosslinking vorziehen sollten.
Dieses sind nur einige Beispiele aus den letzten Monaten „Kompakt Ophthalmologie“, die unser Wissen und unsere Therapiestrategien in der Zukunft verändern werden. Und das Rad wird sich immer weiter und schneller drehen. Bleiben auch Sie weiter in Bewegung durch die kompakte Informationsaufnahme, die Ihnen diese Plattform bietet!
Ihr Dr. Detlef Holland