Liebe Leserinnen und Leser von Kompakt Ophthalmologie,
time flies! Ein Sommer mit sehr wechselnden Wetterbedingungen neigt sich dem Ende entgegen. Langsam wird es Herbst, und die Blätter beginnen in den verschiedensten Farben zu leuchten. Ein wunderbares Schauspiel der Natur, welches vor dem dunklen Winter noch einmal richtig das Herz erfreut. Besonders uns Augenärzten als visuellen Menschen fällt die Schönheit der Natur natürlich ganz besonders auf. Ein besonderes Highlight vor dem Winter war auch der Kongress der European Society Of Cataract & Refractive Surgeons (ESCRS) in Wien, den sicher auch zahlreiche Leser von Kompakt Ophthalmologie besucht haben. Dieser wunderbar organisierte Kongress, ohne jegliche Einschränkungen und mit einem brillianten Festabend, hat mal wieder gezeigt, wie wichtig die direkten kollegialen und menschlichen Kontakte sind. „Der Kongress tanzt“ war das Motto an diesem unvergesslichen Abend mit mehr als 2000 Teilnehmern im traditionsreichen Burghof.
Der fachliche und kollegiale Input durch einen solchen Kongress motiviert unglaublich für unsere täglichen Aufgaben in unserem täglichen Arbeitsalltag. Er macht hungrig auf neues Wissen und z.B. auf die Lektüre von spannenden, neuen Publikationen auf Kompakt Ophthalmologie. In diesem Sinne möchte ich Sie auf verschiedene interessante neue Veröffentlichungen hinweisen.
Die Lentikelextraktion zur Behandlung der Myopie mittels SMILE ist schon seit vielen Jahren in aller Munde und hat sich als effektives und sicheres Verfahren in der refraktiven Chirurgie etabliert. Zurzeit ist auch durch ein optimales Marketing von Zeiss das SMILE-Verfahren quasi dominierend auf dem refraktiven Weltmarkt. Langsam aber sicher etablieren aber die Mitbewerber wie Schwind, Ziemer oder J&J ihre eigenen Laserverfahren und beleben dadurch den refraktiven Markt. Leider setzt sich der Name FLEX für die Femtolaser-assistierte Lentikelextraktion noch nicht einheitlich durch, und so verwirren die unterschiedlichen Namen für die gleiche Prozedur Patienten wie auch die Ärzte. Bei Zeiss reden wir von SMILE, bei Schwind von Smart Sight und bei Ziemer z.B. von Clear. Hier wäre eine einheitliche Nomenklatur wünschenswert. Wenden wir uns nun aber aktuellen Daten zur Ziemer-Plattform zu.
Leccisotti et al. veröffentlichten kürzlich Ergebnisse zur FLEX mit dem Ziemer-Laser zur Myopiebehandlung. In eine retrospektiven Studie wurden 53 Augen von 42 konsekutiven Patienten eigeschlossen. Das mittlere Alter lag bei 42 Jahren, und die Myopie präoperativ bei ‑5.99±1.49 D. Für die Sicherheit des Verfahrens spricht die Tatsache, dass es in keinem Fall zur einem Suction Loss gekommen ist und der Lentikel in allen Fällen vollständig extrahiert werden konnte. In einem Auge musste der Zugang scharf eröffnet werden, in 6 Augen peripher Adhäsionen mittels Lentikelrhexis gelöst werden. Dies ist sicher durch noch nicht vollständig optimierte Energieparameter zu erklären. In 53 Augen lag nach 10 Monaten die unkorrigierte Sehschärfe bei 0,05±0,09 logMAR und die korrigierte Sehschärfe bei 0,04±0,06 logMAR. 15% der Augen verloren eine Zeile an bestkorrigiertem Visus. Das mittlere postoperative SE lag bei ‑0,13±0,15 D. Auch die mittlere Dezentrierung vom Vertex zeigte sich mit 0,28±0,07 mm als gering. Wie zu erwarten, zeigte sich bei den Augen, welche eine intensivere Manipulation zur Extraktion des Lentikels benötigten, eine etwas verlängerte Zeit zur Visusrehabilitation. Insgesamt schlossen die Autoren, dass FLEX mit der Ziemer-Plattform als neue Technologie eine sichere und präzise Methode zur Korrektur darstellt. Auch für den Atos-Laser von Schwind werden auf den Kongressen sehr positive Ergebnisse zur Myopiekorrektur berichtet. Die unterschiedlichen Anwender werden den Wettbewerb sicher befruchten und insgesamt zur weiteren Verbreitung und Optimierung von FLEX beitragen.
Bleiben wir noch etwas im Bereich der refraktiven Chirurgie. Wir alle wissen, wie wichtig die Korrektur des Astigmatismus für die unkorrigierte Sehschärfe und auch für die Sehqualität und das Auftreten von Photopsien ist. Daher ist es von großem Interesse, wie sich neue Linsendesigns bzgl. eines residualen Astigmatismus verhalten.
Im „Journal of Refractive Surgery“ erschien kürzlich hierzu eine interessante Arbeit von Rocha et al. Es wurde dazu prospektiv verglichen, wie sich eine Linse mit erweitertem Sehschärfenbereich im Vergleich zu einer monofokalen Kunstlinse der gleichen Plattform verhält. Hierzu wurden die Tecnis Eyhance und die Tecnis ZCB00 von Johnson&Johnson einander gegenübergestellt. Eingeschlossen wurden jeweils 20 konsekutive Patienten nach Kataraktchirurgie für beide Linsentypen. Postoperativ wurden Defokuskurven für einen induzierten Astigmatisms von +0,5 bis +2,0 in 0,5‑Dioptrieschritten durchgeführt. Es wurde dafür ein Astigmatismus mit und gegen die Regel sowie ein obliquer Astigmatismus simuliert. Die Sehschärfe wurde jeweils für die Ferne, Nähe und intermediär analysiert. Es zeigte sich, dass die Eyhance als EDOF IOL sich deutlich toleranter bzgl. eines residualen Astigmatismus verhielt als die standardmäßige monofokale IOL. Bei einem Astigmatismus mit der Regel und einem obliquen bis zu 2,0 dpt war es für die Eyhance signifikant wahrscheinlicher, einen Visus von 20/40 zu erreichen. Bei 2,0 dpt eines Astigmatismus mit der Regel war die unkorrigierte Sehschärfe um 1,3 Linien besser bei der EDOF IOL und um eine Linie bei 1,5 dpt eines schrägen Astigmatismus. Die Ergebnisse sind gerade für Ärzte, welche mit Premiumlinsen beginnen möchten, sehr ermutigend. Die Linsen verzeihen mögliche postoperativen Astigmatismen relativ gut und ermöglichen immer noch zufriedenstellende Ergebnisse. Sie sind also bzgl. Fehlern, welche sich aufgrund einer nicht optimalen Planung, möglicher Fehlpositionierung von torischen Linsen aber auch aufgrund von induzierten Astigmatismen ergeben, tolerant. Dies schafft Sicherheit und ermöglicht innerhalb eines größeren postoperativen Defokusbereiches, Patientenzufriedenheit zu erzielen.
Die postoperative Zufriedenheit unserer Patienten kann auch durch andere Faktoren nachhaltig beeinflusst werden. Hierbei ist auch immer an das Trockene Auge zu denken, da der Tränenfilm als erste Grenzfläche unseres optischen Systems die Sehqualität nachhaltig beeinflusst. Gerade im Bereich des Sicca-Syndroms können einfache „Hausmittel” einen positiven Effekt erzielen. Dabei ist unter anderem z.B. an die Wärmeanwendung und Massagen der Lidkanten bei Meibomdrüsendysfunktion zu denken. Aber auch der Lidschlag und die Änderung des Fokusbereiches können besonders beim Office-Auge, also dem bei Computerarbeit vermehrt auftretenden Sicca-Syndrom, positive Effekte bewirken. Hierzu veröffentlichten Telens-Estrarelles et al. eine interessante Arbeit in „Contact Lens and Anterior Eye“. In der prospektiven Studie wurde der Effekt der sogenannten 20–20-20 Regel auf Symptome des Trockenen Auges bei der Computerarbeit analysiert. Was steckt genau hinter dieser Regel? Der PC-Benutzer soll alle 20 Minuten für 20 Sekunden auf ein mindestens 20 Fuß (ca. 6 m) entferntes Objekt betrachten. In die Studie wurden 29 Probanden mit symptomatischem Sicca-Syndrom eingeschlossen, die permanent am PC arbeiten. Auf die Laptops wurde dazu eine Software installiert, welche alle 20 Minuten an die Unterbrechung der Arbeit erinnert. Digital Eye Strain (DES), also Symptome des Office-Auges, Binokularstatus und verschiedene Parameter des Trockenen Auges wurde zu Studienbeginn, 2 Wochen nach Beginn der 20–20-20 Regel und eine Woche nach Beendigung untersucht. Dazu wurden u.a. der OSDI-Index und der SANDE-Fragebogen herangezogen. Zusätzlich wurde der Tränenmeniskus, die Blinkrate, die Lipidschicht, die nichtinvasive Break-up-Time mittels Keratograph sowie das korneale und konjuktivale Staining analysiert.
Aufgrund der computergestützten Erinnerungen zur Durchführung der Unterbrechungen zeigte sich, dass sich die Zeit am Computer erhöhte bei gleichzeitiger Verlängerung und Anzahl der Pausen. Bezüglich des Binokularstatus konnte eine Verbesserung der Akkomodation gemessen werden. Die Symptome des Trockenen Auges sowie des Digital Eye Strains verminderten sich innerhalb der 2 Wochen, verschlechterten sich jedoch wieder nach dem Aufhören der Unterbrechungen. Interessanterweise konnten keine Änderungen in den objektiv gemessenen Parametern zum Trockenen Auge ermittelt werden. Die einfache Anwendung von regelmäßigen Unterbrechungen der Computerarbeit kann also das Wohlbefinden signifikant verbessern, muss aber kontinuierlich praktiziert werden. Es wäre doch bei unserer hochtechnologischen Arbeitswelt wirklich wünschenswert, wenn die Softwareentwickler uns die Möglichkeit automatisch bereitstellen würden, diese einfache Regel in unseren Alltag am PC zu implementieren. Ein Bildschirmschoner wird ja auch automatisch eingeschaltet, wieso nicht auch ein einfacher Hinweis für unsere Augengesundheit?
Abschließend noch einmal ein Bogen zurück zur Jahreszeit. Herbst und Winter sind auch Erkältungszeit und für viele auch Zeit für die jährliche Impfung. Auch gegen COVID-19 wird wieder vermehrt geimpft. Daher möchte ich noch kurz 2 aktuelle Arbeiten über mögliche Impfnebenwirkungen auf augenärztlichem Fachgebiet eingehen. Habot-Willner et al. berichten im „Journal of Ocular Immunology and Inflammatory“ über einen Literaturreview zur Uveits nach mRNA-Impfung und konnten zeigen, dass die Uveitis eine seltene Nebenwirkung darstellt, welche zumeist in der 1. Woche als Uveitis anterior aufritt. Auch eine Uveitis posterior oder das Vogt-Koyanagi-Harada-Syndrom können auftreten. Erfreulicherweise spricht diese nach der Impfung auftretende Entzündung gut auf Steroide an und heilt gut ab.
Im „Journal of Clinical Endocrinology“ zeigten Müller et al. anhand einer Kohorte von 98 Patienten eines Schilddrüsenzentrums mit neu aufgetretener Endokriner Orbitopathie einen Zusammenhang mit der Impfung. Sie sahen insbesondere bei jungen Patienten unter 50 Jahren ein signifikant erhöhtes Risiko dafür, innerhalb von 28 Tagen eine EOP zu entwickeln. Als mögliche Ursachen sahen die Autoren eine Interaktion des Spike-Proteins mit dem ACE-II-Rezeptor oder Schilddrüsen-Proteinen oder eine mögliche Interaktion mit Zusatzstoffen an.
Die Studien zeigen, wie wichtig es ist, die Forschung auf allen Gebieten immer weiter voranzutreiben, alte Aussage auch zu hinterfragen und so das Wissen zum Wohl unserer Patienten immer weiter zu erweitern.
In diesem Sinne: Kommen Sie gesund durch den Herbst und Winter.
Beste Grüße
Ihr Detlef Holland