Neue Thera­pien – Berei­chernd, aber auch immer zu hinterfragen!

 

Dr. Detlef Holland, Heraus­ge­ber „Surgi­cal“ © privat

Liebe Lese­rin­nen und Leser von Kompakt Ophthalmologie,

time flies! Ein Sommer mit sehr wech­seln­den Wetter­be­din­gun­gen neigt sich dem Ende entge­gen. Lang­sam wird es Herbst, und die Blät­ter begin­nen in den verschie­dens­ten Farben zu leuch­ten. Ein wunder­ba­res Schau­spiel der Natur, welches vor dem dunk­len Winter noch einmal rich­tig das Herz erfreut. Beson­ders uns Augen­ärz­ten als visu­el­len Menschen fällt die Schön­heit der Natur natür­lich ganz beson­ders auf. Ein beson­de­res High­light vor dem Winter war auch der Kongress der Euro­pean Socie­ty Of Cata­ract & Refrac­ti­ve Surge­ons (ESCRS) in Wien, den sicher auch zahl­rei­che Leser von Kompakt Ophthal­mo­lo­gie besucht haben. Dieser wunder­bar orga­ni­sier­te Kongress, ohne jegli­che Einschrän­kun­gen und mit einem bril­li­an­ten Fest­abend, hat mal wieder gezeigt, wie wich­tig die direk­ten kolle­gia­len und mensch­li­chen Kontak­te sind. „Der Kongress tanzt“ war das Motto an diesem unver­gess­li­chen Abend mit mehr als 2000 Teil­neh­mern im tradi­ti­ons­rei­chen Burghof.

Der fach­li­che und kolle­gia­le Input durch einen solchen Kongress moti­viert unglaub­lich für unsere tägli­chen Aufga­ben in unse­rem tägli­chen Arbeits­all­tag. Er macht hung­rig auf neues Wissen und z.B. auf die Lektü­re von span­nen­den, neuen Publi­ka­tio­nen auf Kompakt Ophthal­mo­lo­gie. In diesem Sinne möchte ich Sie auf verschie­de­ne inter­es­san­te neue Veröf­fent­li­chun­gen hinweisen. 

Die Lenti­kel­ex­trak­ti­on zur Behand­lung der Myopie mittels SMILE ist schon seit vielen Jahren in aller Munde und hat sich als effek­ti­ves und siche­res Verfah­ren in der refrak­ti­ven Chir­ur­gie etabliert. Zurzeit ist auch durch ein opti­ma­les Marke­ting von Zeiss das SMILE-Verfah­ren quasi domi­nie­rend auf dem refrak­ti­ven Welt­markt. Lang­sam aber sicher etablie­ren aber die Mitbe­wer­ber wie Schwind, Ziemer oder J&J ihre eige­nen Laser­ver­fah­ren und bele­ben dadurch den refrak­ti­ven Markt. Leider setzt sich der Name FLEX für die Femto­la­ser-assis­tier­te Lenti­kel­ex­trak­ti­on noch nicht einheit­lich durch, und so verwir­ren die unter­schied­li­chen Namen für die glei­che Proze­dur Pati­en­ten wie auch die Ärzte. Bei Zeiss reden wir von SMILE, bei Schwind von Smart Sight und bei Ziemer z.B. von Clear. Hier wäre eine einheit­li­che Nomen­kla­tur wünschens­wert. Wenden wir uns nun aber aktu­el­len Daten zur Ziemer-Platt­form zu.

Lecc­i­sot­ti et al. veröf­fent­lich­ten kürz­lich Ergeb­nis­se zur FLEX mit dem Ziemer-Laser zur Myopie­be­hand­lung. In eine retro­spek­ti­ven Studie wurden 53 Augen von 42 konse­ku­ti­ven Pati­en­ten eige­schlos­sen. Das mitt­le­re Alter lag bei 42 Jahren, und die Myopie präope­ra­tiv bei ‑5.99±1.49 D. Für die Sicher­heit des Verfah­rens spricht die Tatsa­che, dass es in keinem Fall zur einem Suction Loss gekom­men ist und der Lenti­kel in allen Fällen voll­stän­dig extra­hiert werden konnte. In einem Auge musste der Zugang scharf eröff­net werden, in 6 Augen peri­pher Adhä­sio­nen mittels Lenti­kel­rhe­xis gelöst werden. Dies ist sicher durch noch nicht voll­stän­dig opti­mier­te Ener­gie­pa­ra­me­ter zu erklä­ren. In 53 Augen lag nach 10 Mona­ten die unkor­ri­gier­te Sehschär­fe bei 0,05±0,09 logMAR und die korri­gier­te Sehschär­fe bei 0,04±0,06 logMAR. 15% der Augen verlo­ren eine Zeile an best­kor­ri­gier­tem Visus. Das mitt­le­re post­ope­ra­ti­ve SE lag bei ‑0,13±0,15 D. Auch die mitt­le­re Dezen­trie­rung vom Vertex zeigte sich mit 0,28±0,07 mm als gering. Wie zu erwar­ten, zeigte sich bei den Augen, welche eine inten­si­ve­re Mani­pu­la­ti­on zur Extrak­ti­on des Lenti­kels benö­tig­ten, eine etwas verlän­ger­te Zeit zur Visus­re­ha­bi­li­ta­ti­on. Insge­samt schlos­sen die Autoren, dass FLEX mit der Ziemer-Platt­form als neue Tech­no­lo­gie eine siche­re und präzi­se Metho­de zur Korrek­tur darstellt. Auch für den Atos-Laser von Schwind werden auf den Kongres­sen sehr posi­ti­ve Ergeb­nis­se zur Myopie­kor­rek­tur berich­tet. Die unter­schied­li­chen Anwen­der werden den Wett­be­werb sicher befruch­ten und insge­samt zur weite­ren Verbrei­tung und Opti­mie­rung von FLEX beitragen.

Blei­ben wir noch etwas im Bereich der refrak­ti­ven Chir­ur­gie. Wir alle wissen, wie wich­tig die Korrek­tur des Astig­ma­tis­mus für die unkor­ri­gier­te Sehschär­fe und auch für die Sehqua­li­tät und das Auftre­ten von Phot­op­sien ist. Daher ist es von großem Inter­es­se, wie sich neue Linsen­de­signs bzgl. eines resi­dua­len Astig­ma­tis­mus verhalten.

Im „Jour­nal of Refrac­ti­ve Surge­ry“ erschien kürz­lich hierzu eine inter­es­san­te Arbeit von Rocha et al. Es wurde dazu prospek­tiv vergli­chen, wie sich eine Linse mit erwei­ter­tem Sehschär­fen­be­reich im Vergleich zu einer mono­fo­ka­len Kunst­lin­se der glei­chen Platt­form verhält. Hierzu wurden die Tecnis Eyhan­ce und die Tecnis ZCB00 von Johnson&Johnson einan­der gegen­über­ge­stellt. Einge­schlos­sen wurden jeweils 20 konse­ku­ti­ve Pati­en­ten nach Kata­rakt­chir­ur­gie für beide Linsen­ty­pen. Post­ope­ra­tiv wurden Defo­kus­kur­ven für einen indu­zier­ten Astig­ma­tisms von +0,5 bis +2,0 in 0,5‑Dioptrieschritten durch­ge­führt. Es wurde dafür ein Astig­ma­tis­mus mit und gegen die Regel sowie ein obli­quer Astig­ma­tis­mus simu­liert. Die Sehschär­fe wurde jeweils für die Ferne, Nähe und inter­me­di­är analy­siert. Es zeigte sich, dass die Eyhan­ce als EDOF IOL sich deut­lich tole­ran­ter bzgl. eines resi­dua­len Astig­ma­tis­mus verhielt als die stan­dard­mä­ßi­ge mono­fo­ka­le IOL. Bei einem Astig­ma­tis­mus mit der Regel und einem obli­quen bis zu 2,0 dpt war es für die Eyhan­ce signi­fi­kant wahr­schein­li­cher, einen Visus von 20/40 zu errei­chen. Bei 2,0 dpt eines Astig­ma­tis­mus mit der Regel war die unkor­ri­gier­te Sehschär­fe um 1,3 Linien besser bei der EDOF IOL und um eine Linie bei 1,5 dpt eines schrä­gen Astig­ma­tis­mus. Die Ergeb­nis­se sind gerade für Ärzte, welche mit Premi­um­lin­sen begin­nen möch­ten, sehr ermu­ti­gend. Die Linsen verzei­hen mögli­che post­ope­ra­ti­ven Astig­ma­tis­men rela­tiv gut und ermög­li­chen immer noch zufrie­den­stel­len­de Ergeb­nis­se. Sie sind also bzgl. Fehlern, welche sich aufgrund einer nicht opti­ma­len Planung, mögli­cher Fehl­po­si­tio­nie­rung von tori­schen Linsen aber auch aufgrund von indu­zier­ten Astig­ma­tis­men erge­ben, tole­rant. Dies schafft Sicher­heit und ermög­licht inner­halb eines größe­ren post­ope­ra­ti­ven Defo­kus­be­rei­ches, Pati­en­ten­zu­frie­den­heit zu erzielen.

Die post­ope­ra­ti­ve Zufrie­den­heit unse­rer Pati­en­ten kann auch durch andere Fakto­ren nach­hal­tig beein­flusst werden. Hier­bei ist auch immer an das Trocke­ne Auge zu denken, da der Tränen­film als erste Grenz­flä­che unse­res opti­schen Systems die Sehqua­li­tät nach­hal­tig beein­flusst. Gerade im Bereich des Sicca-Syndroms können einfa­che „Haus­mit­tel” einen posi­ti­ven Effekt erzie­len. Dabei ist unter ande­rem z.B. an die Wärme­an­wen­dung und Massa­gen der Lidkan­ten bei Meibom­drü­sen­dy­s­funk­ti­on zu denken. Aber auch der Lidschlag und die Ände­rung des Fokus­be­rei­ches können beson­ders beim Office-Auge, also dem bei Compu­ter­ar­beit vermehrt auftre­ten­den Sicca-Syndrom, posi­ti­ve Effek­te bewir­ken. Hierzu veröf­fent­lich­ten Telens-Estra­rel­les et al. eine inter­es­san­te Arbeit in „Conta­ct Lens and Ante­rior Eye“. In der prospek­ti­ven Studie wurde der Effekt der soge­nann­ten 20–20-20 Regel auf Sympto­me des Trocke­nen Auges bei der Compu­ter­ar­beit analy­siert. Was steckt genau hinter dieser Regel? Der PC-Benut­zer soll alle 20 Minu­ten für 20 Sekun­den auf ein mindes­tens 20 Fuß (ca. 6 m) entfern­tes Objekt betrach­ten. In die Studie wurden 29 Proban­den mit sympto­ma­ti­schem Sicca-Syndrom einge­schlos­sen, die perma­nent am PC arbei­ten.  Auf die Laptops wurde dazu eine Soft­ware instal­liert, welche alle 20 Minu­ten an die Unter­bre­chung der Arbeit erin­nert. Digi­tal Eye Strain (DES), also Sympto­me des Office-Auges, Binoku­lar­sta­tus und verschie­de­ne Para­me­ter des Trocke­nen Auges wurde zu Studi­en­be­ginn, 2 Wochen nach Beginn der 20–20-20 Regel und eine Woche nach Been­di­gung unter­sucht. Dazu wurden u.a. der OSDI-Index und der SANDE-Frage­bo­gen heran­ge­zo­gen. Zusätz­lich wurde der Tränen­me­nis­kus, die Blin­kra­te, die Lipidschicht, die nicht­in­va­si­ve Break-up-Time mittels Kera­to­graph sowie das kornea­le und konjuk­ti­va­le Stai­ning analysiert.

Aufgrund der compu­ter­ge­stütz­ten Erin­ne­run­gen zur Durch­füh­rung der Unter­bre­chun­gen zeigte sich, dass sich die Zeit am Compu­ter erhöh­te bei gleich­zei­ti­ger Verlän­ge­rung und Anzahl der Pausen. Bezüg­lich des Binoku­lar­sta­tus konnte eine Verbes­se­rung der Akko­mo­da­ti­on gemes­sen werden. Die Sympto­me des Trocke­nen Auges sowie des Digi­tal Eye Strains vermin­der­ten sich inner­halb der 2 Wochen, verschlech­ter­ten sich jedoch wieder nach dem Aufhö­ren der Unter­bre­chun­gen. Inter­es­san­ter­wei­se konn­ten keine Ände­run­gen in den objek­tiv gemes­se­nen Para­me­tern zum Trocke­nen Auge ermit­telt werden. Die einfa­che Anwen­dung von regel­mä­ßi­gen Unter­bre­chun­gen der Compu­ter­ar­beit kann also das Wohl­be­fin­den signi­fi­kant verbes­sern, muss aber konti­nu­ier­lich prak­ti­ziert werden. Es wäre doch bei unse­rer hoch­tech­no­lo­gi­schen Arbeits­welt wirk­lich wünschens­wert, wenn die Soft­ware­ent­wick­ler uns die Möglich­keit auto­ma­tisch bereit­stel­len würden, diese einfa­che Regel in unse­ren Alltag am PC zu imple­men­tie­ren. Ein Bild­schirm­scho­ner wird ja auch auto­ma­tisch einge­schal­tet, wieso nicht auch ein einfa­cher Hinweis für unsere Augengesundheit?

Abschlie­ßend noch einmal ein Bogen zurück zur Jahres­zeit. Herbst und Winter sind auch Erkäl­tungs­zeit und für viele auch Zeit für die jähr­li­che Impfung. Auch gegen COVID-19 wird wieder vermehrt geimpft. Daher möchte ich noch kurz 2 aktu­el­le Arbei­ten über mögli­che Impf­ne­ben­wir­kun­gen auf augen­ärzt­li­chem Fach­ge­biet einge­hen. Habot-Will­ner et al. berich­ten im „Jour­nal of Ocular Immu­no­lo­gy and Inflamma­to­ry“ über einen Lite­ra­tur­re­view zur Uveits nach mRNA-Impfung und konn­ten zeigen, dass die Uvei­tis eine selte­ne Neben­wir­kung darstellt, welche zumeist in der 1. Woche als Uvei­tis ante­rior aufritt. Auch eine Uvei­tis poste­rior oder das Vogt-Koya­nagi-Harada-Syndrom können auftre­ten. Erfreu­li­cher­wei­se spricht diese nach der Impfung auftre­ten­de Entzün­dung gut auf Stero­ide an und heilt gut ab.

Im „Jour­nal of Clini­cal Endocri­no­lo­gy“ zeig­ten Müller et al. anhand einer Kohor­te von 98 Pati­en­ten eines Schild­drü­sen­zen­trums mit neu aufge­tre­te­ner Endo­kri­ner Orbi­topa­thie einen Zusam­men­hang mit der Impfung. Sie sahen insbe­son­de­re bei jungen Pati­en­ten unter 50 Jahren ein signi­fi­kant erhöh­tes Risiko dafür, inner­halb von 28 Tagen eine EOP zu entwi­ckeln. Als mögli­che Ursa­chen sahen die Autoren eine Inter­ak­ti­on des Spike-Prote­ins mit dem ACE-II-Rezep­tor oder Schild­drü­sen-Prote­inen oder eine mögli­che Inter­ak­ti­on mit Zusatz­stof­fen an.

Die Studi­en zeigen, wie wich­tig es ist, die Forschung auf allen Gebie­ten immer weiter voran­zu­trei­ben, alte Aussa­ge auch zu hinter­fra­gen und so das Wissen zum Wohl unse­rer Pati­en­ten immer weiter zu erweitern.

In diesem Sinne: Kommen Sie gesund durch den Herbst und Winter.

Beste Grüße

Ihr Detlef Holland

Aus rechtlichen Gründen (Heilmittelwerbegesetz) dürfen wir die Informationen nur an Fachkreise weitergeben.