Liebe Leserinnen und Leser von Kompakt Ophthalmologie,
zunächst wünsche ich Ihnen eine wunderbare Sommerzeit und hoffe, Sie können sich ganz entspannt im Urlaub oder erholt nach einer Auszeit der Lektüre des Editorials und den aktuellen Highlights hier widmen.
Der Blick des Editorials soll sich heute einmal auf eine anatomische Struktur richten, welche unser Auge mehr prägt als alle anderen organischen Bestandteile – der Regenbogenhaut. Sie ist eine komplexe anatomische Struktur, welche aus dem Pigmentblatt, einer Muskelschicht mit Sphinkter und Dilatator, dem gefäß- und melanocytenreichen Stroma, Melaningranula und der Grenzzellschicht besteht. Neben ihrer wichtigen Funktion in der Hell-Dunkel-Adaptation und ihrem vor UV-Licht schützenden Pigmentblatt kommt ihr durch die unterschiedliche Färbung auch eine erhebliche kosmetische Funktion zu. Hierdurch wird die Regenbogenhaut bedauerlicherweise auch immer häufiger zum Betätigungsfeld für kosmetische Interventionen (Queiruga-Piñeiro J et al. Long-term complications of cosmetic iris implants. BMC Ophthalmol 2022;22(1):459.) Hierauf werden wir aber in einem späteren Editorial einmal zurückkommen.
Schauen wir doch zunächst einmal auf medizinisch relevante neuere Publikationen. Melendez-Moreno et al. berichteten kürzlich im „Survey of Ophthalmology“ über eine Untersuchung mit 35 bioptisch gesicherten Irismelanomen. Das Irismelanom tritt in Europa zwischen 2 und 6 Fällen pro 1 Millionen auf und hat mit 3–5% der uvealen Melanome die geringste Häufigkeit. Für die Diagnostik wurden in der Untersuchung von Melendez-Moreno et al. u.a. auch unterschiedliche Techniken zur Untersuchung der Genexpression durchgeführt. Dabei waren 90% der untersuchten Proben Klasse 1A und 10% Klasse 1B, also mit geringem Metastasierungsrisiko. Kein Patient hatte den sogenannten Klasse-2-Status. Im Follow-up von im Median 49 Monaten zeigte keiner der Patienten innerhalb der Kohorte eine Metastase oder verstarb an dem Tumor. Im Vergleich zur Literatur zeigte sich, dass die molekularbiologischen Untersuchungen auch in Hinblick auf die prognostische Klassifizierung keine deutliche klinische Bedeutung zeigen. Entscheidend ist hingegen die Ausdehnung mit Einbeziehung des Ziliarkörpers, welche mit einem deutlich erhöhten Risiko für Metastasen und einem letalen Ausgang verbunden scheint.
Neben der lokalen Exzision steht mit der Protonentherapie eine wenig invasive Therapie zur Verfügung. Diese Therapieoption wurde an einer großen Kohorte retrospektiv bzgl. der Überlebensrate und eines sekundären Glaukoms nachuntersucht. Gollrad et al. schlossen dazu 166 Patienten, die von 1998 bis 2020 an der Charité in Berlin mit einem günstigen Tumorstadium (T1a‑c) mittels Bestrahlung behandelt wurden. Zur Auswertung wurde eine Kaplan-Meier- sowie eine Cox-Regressionsanalyse durchgeführt. Untersucht wurde die lokale Tumorkontrolle, die Erhaltung des Augapfels sowie Glaukomentwicklung und die Sehleistung. Das durchschnittliche Alter der Patienten lag bei 58 Jahren und der Median des Follow-up bei 54 Monaten. Wie in der zuvor erwähnten Publikation wurde auch in diesem Kollektiv kein Nachweis von Fernmetastasen gefunden. Ein lokales Rezidiv trat in nur 1,2% auf und eine Enukleation war nur in 3% der Fälle notwendig. Insgesamt zeigten sich wenig Nebenwirkungen, ein großes Bestrahlungsfeld über 10 Uhrzeiten konnte aber eindeutig als ungünstiger Faktor bzgl. des Auftretens eines Sekundärglaukoms und einer konsekutiven Sehschärfenminderung angesehen werden.
Mit dem Auftreten eines Sekundärglaukoms beim Irismelanom beschäftigten sich auch Shukla at al. in „Eye“. Retrospektiv wurde bei 271 Patienten mit Irismelanom in 40 Fällen (15%) bei Erstvorstellung ein Sekundärglaukom und bei 75 Patienten (28%) im Mittel 103 Monate nach Intervention entdeckt. Auch hier zeigte sich, dass ein Sekundärglaukom mit einem schlechteren Visus im Vergleich zur Gruppe ohne Augendruckerhöhung verbunden ist. Als ungünstige prognostische Faktoren konnten u.a. eine Augendruckerhöhung bei Erstvorstellung, ein großer basaler Tumordurchmesser, ein höheres (T4) Stadium nach der AJCC Klassifikation (American Joint Committee on Cancer) sowie die Durchführung einer Brachytherapie analysiert werden. Die Studien bestätigen eine günstige Prognose des Irismelanoms, bestätigen aber auch wie wichtig auf der einen Seite eine frühe Diagnosestellung ist und auf der anderen Seite die Bedeutung ein langfristigen Follow-up, um u.a. ein Sekundärglaukom nicht zu übersehen.
Auch im Bereich der diagnostischen Möglichkeiten in Bezug auf die Regenbogenhaut gibt es spannende neue Publikationen, von denen hier zwei vorgestellt werden sollen. Liao et al. publizierten kürzlich ihre Untersuchungsergebnisse in Hinblick auf Volumenveränderungen der Regenbogenhaut in Hinblick auf das Risiko eines Engwinkelglaukoms (Iris volume change with physiologic mydriasis to identify development of angle closure: the Zhongshan Angle Closure Prevention Trial. Br J Ophthalmol 16.05.2023; doi: 10.1136/bjo-2022–322981).
Neben der Gonioskopie wurde mittels Vorderabschnitts-OCT das Volumen der Iris bei Helligkeit und Dunkelheit analysiert. Als Progression legte man das Auftreten eines Kammerwinkelverschlusses oder Glaukomanfalls fest. Unter anderem ein höheres Alter, ein engerer Kammerwinkel 250 mm vom Skleralsporn sowie eine flachere Iriskurvatur und eben eine geringere Abnahme des Irisvolumens während der physiologischen Lichtreaktion zeigten sich als ungünstige Faktoren für eine Progression zu einem Anfall. Insgesamt war auch die dynamische Veränderung der Irisfläche bei dieser Gruppe geringer als bei der Gruppe ohne erhöhtes Risiko. Das Vorderabschnitts-OCT kann somit als weiteres Tool für die Risikobewertung eines möglichen Glaukomanfall herangezogen werden und ggf. die Indikation zur prophylaktischen Iridektomie oder Linsenoperation erleichtern.
Dass auch ein Typ-2-Diabetes einen Einfluss auf das Irisvolumen und somit auf ein Glaukom haben kann, konnten Su et al. nachweisen. In einer kürzlich im „International Journal of Ophthalmology“ erschienenen Publikation wurden 115 Augen von 72 Patienten mit Engwinkel- und Offenwinkelglaukom mittels CASIA2-Vorderabschnitts-OCT untersucht. Die Gruppen wurden in gesunde und Typ-2-Diabetiker unterteilt und der HBA1c-Wert und das Irisvolumen analysiert. In der Engwinkelgruppe zeigte sich ein geringeres Irisvolumen im Vergleich zur gesunden Probandengruppe sowie eine signifikante Korrelation zwischen HBA1c und dem Volumen. Diese Korrelation zeigte sich auch in der Offenwinkelglaukom Gruppe, wobei das Volumen höher war als bei den Patienten ohne Diabetes. Die Autoren schlussfolgerten daraus, dass der HBA1c-Wert einen direkten Einfluss auf das Irisvolumen von Glaukompatienten hat. Der genaue Pathomechanismus für diese Beobachtungen und auch die klinische Bedeutung müssen jedoch noch weiter untersucht werden.
Ganz aktuell berichten Yüksel et al. über einen seltenen Fall von bilateraler akuter Iris-Transillumination (BAIT) nach COVID-19 Infektion (Bilateral acute Iris transillumination after COVID-19 pneumonia. Eur J Ophthalmol 2023;33(4):NP115-NP118; doi: 10.1177/11206721221113428). Beim BAIT handelt es sich um ein relativ neu beschriebenes Krankheitsbild, das von Iris-Transillumination, Sphinkterlähmung und Pigmentdispersion gekennzeichnet ist. Es wurde 2004 von Bringas Calvo beschrieben. Die Pathogenese bleibt unklar, es kommt jedoch zumeist nach Infektionen der oberen Luftwege oder nach Antibiotikatherapie vor. Hierbei ist insbesondere die systemische oder intrakamerale Gabe von Moxifloxacin zu nennen. Therapeutisch werden lokale Steroide eingesetzt, welche eine Progression stoppen und die Pigmentdispersion bessern können.
Die Fallbeschreibung zeigt, dass auch im Kontext einer COVID-19-assoziierten Pneumonie bei einer Augenreizung an dieses seltene Krankheitsbild gedacht werden sollte. In einzelnen Fällen kann das bilaterale Geschehen aber auch ohne eine Vorgeschichte von Antibiotikagabe einhergehen. Dieses konnten Oraby et al. in einem Case Report im „Journal of Current Ophthalmology“ zeigen (Bilateral Acute Iris Transillumination without Prior Systemic Antibiotics. J Curr Ophthalmol 2023;34(4):469–473; doi: 10.4103/joco.joco_93_22). Der Fall wurde zunächst als bilaterale Iridiozyclitis überwiesen; eine umfangreiche Ursachenabklärung konnte alle gängigen Ursachen ausschließen. Die Iridocyclitis, welche zumeist einseitig auftritt, ist eine häufige Fehldiagnose bei BAIT. Die vergesellschaftete Augendruckerhöhung und die Pigmentdispersion konnten auch hier mit lokaler Steroid- und drucksenkender Therapie kontrolliert werden. Der Fall zeigt, dass noch viel zur Klärung bzgl. der Ursachen dieses Krankheitsbildes geforscht werden muss und dass bei einer bilateralen akuten Pigmentdispersion immer an BAIT gedacht werden sollte.
Mit einer interessanten Medikamentennebenwirkung mit umschriebener Irisatrophie möchte ich dieses Editorial schließen. Dexycu ist ein neuartiges Steroidpräparat, welches zur einmaligen intrakameralen Gabe nach Kataraktoperation in den USA zugelassen wurde. Es handelt sich um eine Dexamethson-Suspension zur einmaligen intraoperativen Gabe. Eine intensive postoperative Tropfengabe soll mit dem Medikament überflüssig werden. Ayesha et al. demonstrieren 2 Fälle von umschriebener Irisatrophie, welche 2 bzw. 6 Monate nach der Gabe auftraten (Iris atrophy after administration of Dexycu: Additional evidence and possible mechanism for a rare complication. Am J Ophthalmol Case Rep 2023;30:101806; doi: 10.1016/j.ajoc.2023.101806). Neben dem Steroidglaukom, dem Hornhautödem und der Iritis stellt die Irisatrophie eine seltene Nebenwirkung von Dexycu dar. Diese Nebenwirkung scheint insbesondere bei dunkler Iris aufzutreten. Als mögliche Ursachen beschreiben die Autoren adhäsive Eigenschaften von Dexycu und der verwendeten Verisom®-Hydrogel-Technologie. Dieses Gel kann mehrere Monate auch nach Abklingen des Steroideffektes im Auge verbleiben und so möglicherweise die Atrophie begünstigen. Interessanterweise trat bei den Patienten, welche das Präparat bilateral erhalten haben, die Atrophie nur einseitig auf.
Wir sehen einmal erneut, dass es in unserem Fachgebiet nie langweilig wird. Große Kohortenanalysen geben uns neue und wichtige Einblicke in seltene Krankheitsbilder wie das Irismelanom. Neuartige Untersuchungsmöglichkeiten wie die Volumenmessungen mittels Vorderabschnitts-OCT liefern neue hilfreiche Erkenntnisse wie z.B. beim Glaukom und werfen gleichzeitig neue Fragen auf bzgl. z.B. des Einflusses vom Diabetes auf den Augendruck. Auch neue Krankheitsbilder wie das BAIT und neuere Medikamente wie das Dexycu erweitern unseren diagnostischen und therapeutischen Horizont.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen aus dem verregneten Norden noch eine wunderbare Sommerzeit.
Ihr Detlef Holland