Expo­nen­zi­el­les Wachs­tum der Kennt­nis­se über die kleins­ten Details

 

Dr. Detlef Holland, Heraus­ge­ber „Surgi­cal“ © privat

Liebe Lese­rin­nen und Leser von Kompakt Ophthalmologie,

 

das neue Jahr ist bereits in vollem Gange, und wir star­ten alle mit viel Moti­va­ti­on in den neuen Abschnitt unse­res Lebens und unse­rer beruf­li­chen Tätig­keit. Genau­so halten wir es mit Kompakt Ophthal­mo­lo­gie. Die Zahl der Lese­rin­nen und Leser wächst stän­dig und ist uns Moti­va­ti­on, span­nen­de Zusam­men­fas­sun­gen aus der aktu­el­len Lite­ra­tur für Sie bereit­zu­stel­len. Schaut man in Pubmed auf die Time­li­ne bzgl. der Anzahl der Veröf­fent­li­chun­gen, so sieht man, dass auch auf unse­rem Fach­ge­biet die Anzahl der Publi­ka­tio­nen in den vergan­ge­nen Jahr­zehn­ten prak­tisch expo­nen­zi­ell wächst. Dabei zeigt sich, dass der Inhalt häufig immer mehr in die Details z.B. von patho­phy­sio­lo­gi­schen Verän­de­run­gen einsteigt. Die Zeiten der Natur­wis­sen­schaft, in denen man wie Newton unter einem Baum liegend durch einen fallen­den Apfel auf die bahn­bre­chen­de Erfin­dung des Gravi­ta­ti­ons­ge­setz stoßen kann, sind lange vorbei. Das Bild vom großen Ganzen setzt sich aus immer klei­ner werden­den Baustei­nen zusam­men. Mit einer dazu passen­den neuen Arbeit über die Biome­cha­nik möchte ich den Fokus zu Beginn dieses Edito­ri­als auf die Horn­haut legen.

Die Horn­haut ist als erste physi­ka­lisch-opti­sche Grenz­flä­che von großer Bedeu­tung für das Sehen und die opti­sche Quali­tät des Sehein­drucks. Dazu ist neben der Aufrecht­erhal­tung der Klar­heit auch die Fähig­keit des Gewe­bes entschei­dend, durch die ausrei­chen­de Steif­heit äuße­ren Einflüs­sen wie dem gele­gent­li­chen Reiben, aber insbe­son­de­re dem intrao­ku­lä­ren Druck stand­hal­ten. Die Histo­lo­gi­sche Struk­tur und insbe­son­de­re die Kolla­gen­fi­bril­len spie­len hier­für eine beson­de­re Rolle. Patho­lo­gi­sche Verän­de­run­gen entste­hen aber schon auf der Zell-Ebene und setzen sich über das Gewebe auf das Gesamt­or­gan fort. Für uns ist im klini­schen Alltag der Kera­to­ko­nus eines der am häufigs­ten vorkom­men­den Krank­heits­bil­der, und gerade hier ist die Früh­erken­nung von eminen­ter Bedeu­tung. Die Präva­lenz ist mit ca. 20 auf 1000 Menschen rela­tiv hoch. Auf eine kürz­lich erschie­ne­ne gute Zusam­men­fas­sung über dieses Krank­heits­bild sei daher hier kurz verwiesen.

Li et al. berich­ten in einer gerade erschie­nen Publi­ka­ti­on über den Einsatz des Corvis für die Früh­erken­nung des Kera­to­ko­nus. Wie das ORA (Ocular Respon­se Analy­zer) basiert das Corvis auf einem Luft-Tono­me­ter womit in vivo die Biome­cha­nik der Horn­haut genau­er unter­sucht wird.

Da die biome­cha­ni­schen Verän­de­run­gen bereits vor der topo­gra­phi­schen und klini­schen Mani­fes­ta­ti­on in Erschei­nung tritt, gewinnt deren Unter­su­chung immer mehr an Bedeu­tung. Daher haben sich hier­für verschie­de­ne Tech­no­lo­gien entwi­ckelt. Dazu gehö­ren die Ober­flä­chen-Elas­to­me­trie, die Ultra­schall-Spek­tro­sko­pie, die Bril­l­ou­in-Mikro­sko­pie, die Opti­sche Kohä­renz-Elas­to­gra­phie sowie die bereits erwähn­te Luft­stoß-basier­te Opti­sche Kohä­renz-Tomo­gra­phie. Das Corvis-Instru­ment zeich­net eine Sequenz von dyna­mi­schen Bildern in der hori­zon­ta­len Cross-Sekti­on mittels einer Scheim­pflug-Kamera auf, welche durch einen Luft­stoß indu­ziert wird. Die entspre­chen­de dyna­mi­sche Antwort wird durch verschie­de­ne Para­me­ter (Dyna­mic Corne­al Respon­se [DCR]) fest­ge­hal­ten. Natür­lich sind viele der Ergeb­nis­se noch nicht voll­stän­dig verstan­den, und auch die Quali­tä­ten der Unter­su­chung bzgl. Bild­auf­lö­sung etc. sind noch opti­mier­bar. Dennoch zeigen die Ergeb­nis­se im Vergleich zu gesun­den Horn­häu­ten signi­fi­kan­te Unter­schie­de. Wang und Kolle­gen analy­sier­ten die Verla­ge­rung der Horn­haut, die Span­nung und die Geschwin­dig­keit der Verla­ge­rung mithil­fe der digi­ta­len Bild­kor­re­la­ti­on. Dabei wurden Proban­den einer Norm­po­pu­la­ti­on mit einer Kera­to­ko­nus­grup­pe vergli­chen. Kera­to­ko­nus­horn­häu­te absor­bier­ten mehr Ener­gie bei einer gerin­ge­ren Stei­fig­keit und einer größe­ren Verla­ge­rung nach poste­rior, wobei auch die dabei auftre­ten­de Geschwin­dig­keit höher war als in der Vergleichs­grup­pe. Auch die Shear Strain Rate (Scher­deh­nungs­ra­te) zeigte sich erhöht. Durch diese Analy­se konn­ten erst­ma­lig Karten der Horn­haut bzgl. eben dieser wich­ti­gen Para­me­ter erstellt werden und zum weite­ren Verständ­nis der Erkran­kung beitra­gen. Inter­es­sant ist diese Tech­no­lo­gie aber nicht nur für die Früh­erken­nung, sondern auch für die post­ope­ra­ti­ve Kontrol­le nach Cross­lin­king. Vieles, was uns schon eigent­lich als voll­kom­men selbst­ver­ständ­lich erscheint, wird durch die neuen Tech­no­lo­gien immer weiter vertieft und zeigt uns auch, dass wir noch lange nicht alles verstan­den haben und immer weiter in Diagnos­tik und Thera­pie opti­mie­ren können.

Dieses Phäno­men zeigt sich auch im Rahmen der Biome­trie. Hier haben wir mit den unter­schied­li­chen Gerä­ten wie z.B. dem IOL Master oder dem Lenstar schon wirk­lich einen sehr hohen Stan­dard erreicht, stre­ben aber immer weiter nach noch höhe­rer Perfek­ti­on. Mech­leb et al.haben dies­be­züg­lich gerade eine span­nen­de Arbeit publi­ziert. Zum ersten Mal wurde die effek­ti­ve Linsen­po­si­ti­on des zuerst operier­ten Auges verwen­det, um das refrak­ti­ve Ergeb­nis des 2. Auges zu opti­mie­ren. In der retro­spek­ti­ven Studie wurde die „back calcu­la­ted lens posi­ti­on“ für die Linsen­kal­ku­la­ti­on des 2. Auges mit einem vorge­ge­be­nen Korrek­tur­fak­tor für Linsen­ka­ku­la­ti­ons­for­meln für dicke und dünne Linsen vergli­chen. 878 Augen von 439 Pati­en­ten nach Implan­ta­ti­on der glei­chen Kunst­lin­se wurden einge­schlos­sen. Die Daten wurden genutzt um Haigis-Lens-Posi­ti­on and PEARL-Lens-Posi­ti­on-Formeln zu kreieren, wobei die die Linsen­po­si­ti­on des kontralate­ra­len Auges als ein effek­ti­ver Vorsa­ge­wert für die Linsen­po­si­ti­on heran­ge­zo­gen wurde. Außer­dem wurden Haigis-CF‑, Barrett-CF- und PEARL-CF-Formeln designt durch Heran­zie­hen des Vorher­sa­ge­feh­lers des 1. Auges. Stan­dard­for­meln wurden zusätz­lich an 1500 Augen, welche am selben Center operiert wurden, mit den opti­mier­ten Formeln vergli­chen. Die Ergeb­nis­se zeig­ten, dass die opti­mier­ten Formeln, welche die effek­ti­ve Linsen­po­si­ti­on des 1. Auges bzw. den Vorher­sa­ge­feh­ler nutz­ten, signi­fi­kant besse­re refrak­ti­ve Ergeb­nis­se zeig­ten. Auch wenn diese Verbes­se­run­gen sich z.B. abso­lut nur im Bereich von 0,04 Diop­trien für die PEARL- und die PEARL-CF Formel liegen, so war der prozen­tua­le Korrek­tur­fak­tor für alle Formeln immer­hin 60% des Vorher­sa­ge­feh­lers des zuerst operier­ten Auges, was eine deut­li­che Opti­mie­rung darstellt. Eine Einschrän­kung dieser Ergeb­nis­se habe sich natür­lich bei Augen gezeigt, welche schon im Vorfeld erheb­li­che Unter­schie­de in den biome­tri­schen Para­me­tern aufwie­sen, so die Autoren.

Im Bereich der Thera­pie der exsu­da­ti­ven AMD liegt heute der Schwer­punkt auf der Gabe von intra­vi­tra­len VEGF- Inhi­bi­to­ren. Dies­be­züg­lich finden Sie aktu­ell in Kompakt Ophthal­mo­lo­gie eine sehr span­nen­de Arbeit, die Hinwei­se auf die Ursa­che eines fehlen­den Anspre­chens und Tachy­phy­la­xie gibt. Gyenes et al. konn­ten in einer aktu­el­len Studie zeigen, dass Pati­en­ten mit einer neovasku­lä­ren AMD signi­fi­kant erhöh­te Werte von unspe­zi­fi­schen Anti­kör­pern im Kammer­was­ser aufwei­sen. Ein Grund dafür ist u.a. die gestör­te Kammer­was­ser­schran­ke, ein ande­rer verän­der­te immu­no­lo­gi­sche intrao­ku­la­re Signal­we­ge. Diese Anti­kör­per können als Ursa­che für ein schlech­tes Anspre­chen bzw. für eine Tachy­phy­la­xie sein. Die erhöh­ten Anti­kör­per­wer­te wurden in der Studie im Kammer­was­ser von Pati­en­ten unter VEGF-Thera­pie im Rahmen einer anste­hen­den Kata­rak­t­ope­ra­ti­on im Vergleich zu einer nicht­er­krank­ten Kontroll­grup­pe nachgewiesen.

Ich hoffe, diese Hinwei­se auf drei Arbei­ten über die Cornea, Biome­trie und die Retina haben sie neugie­rig auf eine weite­re Lektü­re in Kompakt Ophthal­mo­lo­gie gemacht. Blei­ben wir auch in Zukunft weiter gemein­sam am Ball. In Bildung und Wissen­schaft liegt die Zukunft!

 

Beste Grüße

Ihr Detlef Holland

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