(K)ein Enigma – Intraoku­la­re Entzün­dun­gen – im Fokus aktu­el­ler Literatur

 

Prof. Dr. med. Uwe Pleyer

 

Verehr­te Kolle­gin­nen und Kollegen,

will­kom­men zu einer neuen Ausga­be von Kompakt Ophthalmologie.

Sie betref­fen ca. 5–10% der Welt­be­völ­ke­rung – Tendenz deut­lich stei­gend – und bilden nach den Herz-Kreis­lauf-Erkran­kun­gen und Neopla­si­en die dritt­häu­figs­te Erkran­kungs­grup­pe: Die Rede ist von Auto­im­mun­erkran­kun­gen. Nahezu alle Struk­tu­ren des Auges können davon betrof­fen sein. Für uns Augen­ärz­te stehen intraoku­la­re Entzün­dun­gen ganz im Vorder­grund. Da sie häufig chro­nisch und rezi­di­vie­rend verlau­fen, sind die über­wie­gend jungen Pati­en­ten oft schwer betrof­fen und lang­fris­tig in ihrer Lebens­qua­li­tät eingeschränkt.

Für uns Augen­ärz­te stel­len intraoku­la­re Entzün­dun­gen eine beson­de­re diagnos­ti­sche und thera­peu­ti­sche Heraus­for­de­rung dar. Bereits beim ersten Pati­en­ten­kon­takt stel­len sich grund­le­gen­de Fragen: Liegt eine infek­tiö­se Genese vor?  Gibt es einen Bezug zu syste­mi­schen Erkran­kun­gen? Ist mit einem chro­ni­schen Verlauf zu rech­nen, der einer lang­fris­ti­gen Thera­pie bedarf? Zu all diesen Fragen, die für Behand­lung und Progno­se der Pati­en­ten von weit­rei­chen­der Bedeu­tung ist, haben wir aktu­el­le Arbei­ten herausgesucht.

Insbe­son­de­re bei Pati­en­ten mit poste­rio­rer Uvei­tis müssen wir rasch eine infek­tiö­se Genese ausschlie­ßen. Die Entschei­dung für eine zeit­na­he, geziel­te anti­in­fek­tiö­se Behand­lung (Verdacht auf virale Retin­i­tis?) oder syste­mi­sche Stero­id­ga­be ist von größ­ter Bedeu­tung. Bisher steht dafür die inva­si­ve Erre­ger­dia­gnos­tik im Vorder­grund – und wird es auch sicher­lich blei­ben. Dennoch wären zusätz­li­che Hinweis hilf­reich, wenn es z.B, um die Frage der diagnos­ti­schen Vitrek­to­mie geht. In diesem Zusam­men­hang sind die OCT-basier­ten Unter­su­chun­gen von Matsu­mi­ya W et al.  inter­es­sant. Sie konn­ten bei Pati­en­ten mit akuter Reti­n­a­n­ekro­se Unter­schie­de der OCT-Signa­le gegen­über nicht­in­fek­tiö­sen Formen der poste­rio­ren Uvei­tis (Sarko­ido­se u.a.) heraus­stel­len.  Zudem waren die Autoren in der Lage, signi­fi­kant mehr „vitrea­le Parti­kel“ bei diesen Pati­en­ten gegen­über solchen mit nicht­in­fek­tiö­ser Genese detek­tie­ren. Es muss betont werden, dass sich gleich­zei­tig die Bewer­tung des „Haze“ (als Krite­ri­um der Glas­kör­per­trü­bung) bei den Pati­en­ten nicht unter­schie­den hat. Die Autoren gehen noch einen Schritt weiter und unter­schei­den anhand der OCT-Befun­de granu­lo­ma­tö­se bzw. nicht­gra­nu­lo­ma­tö­se Formen  der Entzün­dung. Zuge­ge­ben, die hier unter­such­te Kohor­te ist begrenzt und die Inter­pre­ta­ti­on, welches zellu­lä­re „Substrat“ die „hyper-reflek­ti­ven Dots“  (Lymphozyten/Makrophagen etc.) darstel­len, bleibt offen. Weite­ren Unter­su­chun­gen ist es vorbe­hal­ten diese Beob­ach­tun­gen an größe­ren Pati­en­ten­zah­len zu bestä­ti­gen. Dennoch wird hier eine Entwick­lung aufge­zeigt, die mit der Entwick­lung zu noch höher auflö­sen­den OCT-Tech­ni­ken und subti­le­ren Analy­se­me­tho­den neue diagnos­ti­sche und thera­peu­ti­sche Entschei­dun­gen unter­stüt­zen könnte.

Eben­falls weit­rei­chen­de Konse­quen­zen für Pati­en­ten und Behand­ler sind zu erwar­ten, wenn die Uvei­tis mit einer  System­er­kran­kung auftritt.  Für die häufigs­te Form der intraoku­la­ren Entzün­dung, die akute ante­rio­re Uvei­tis (AAU) ist die Asso­zia­ti­on zur axia­len Spon­dy­l­ar­thri­tis (SpA) („M. Bech­te­rew“) uns allen geläu­fig. Dage­gen steht die Psoria­sis-Arthri­tis-asso­zi­ier­te AAU bislang kaum im Fokus. Auch sie präsen­tiert sich über­wie­gend als ante­rio­re Uvei­tis und verläuft chro­nisch rezi­di­vie­rend. Auf wich­ti­ge Charak­te­ris­ti­ka und Unter­schie­de zur AAU bei SpA weisen De Vicen­te Delmás A et al. im BMJ-Jour­nal „Rheu­ma­tic & Muscu­los­ke­le­tal Dise­a­ses“ hin.

Pati­en­ten mit Psoria­sis-Arthri­tis (PsA) sind gegen­über SpA-Pati­en­ten älter, es betrifft häufi­ger Frauen und die Uvei­tis kann auch simul­tan beid­seits auftre­ten. Im Vergleich zu PsA-Pati­en­ten ohne Uvei­tis liegt signi­fi­kant häufi­ger ein HLA-B27-Geno­typ vor, womit dessen Bedeu­tung für das Uvei­tis-Risiko und einen schwie­ri­gen Verlauf noch­mals unter­stri­chen wird. Gleich­zei­tig erweist sich das Auftre­ten einer AAU als ungüns­ti­ger Indi­ka­tor für den Verlauf der System­er­kran­kung. So tritt häufi­ger eine Sakro­i­lii­tis mit entspre­chen­den MRT-Verän­de­run­gen auf, auch der Akti­vi­täts­in­dex der Erkran­kung und die Bewer­tung der Lebens­qua­li­tät unter­schei­den sich signifikant.

Bemer­kens­wert ist auch das Auftre­ten einer AAU unter den unter­schied­lich gebräuch­li­chen Thera­pien der PsA. Während sich die expo­si­ti­ons­be­rei­nig­te Inzi­denz­ra­te einer Uvei­tis hoch­si­gni­fi­kant unter der Behand­lung mit Anti-TNFα-mono­klon­a­len Anti­kör­pern verrin­gert, steigt sie para­do­xer­wei­se unter Thera­pie mit dem lösli­chen TNFα-Rezep­tor-Fusi­ons­pro­te­in Etaner­cept bzw. dem Inter­leu­kin-17A-Inhi­bi­tor  (Secu­kin­u­mab) an. Dies bestä­tigt einmal mehr den güns­ti­gen Effekt von anti-TNF mono­klon­a­len Anti­kör­pern. Gleich­zei­tig kann vermu­tet werden, dass auch andere Signal­we­ge bei der AAU im Rahmen der PsA betei­ligt sind. Als prak­ti­sche Konse­quenz für uns Ophthal­mo­lo­gen resul­tiert, dass in der Zusam­men­ar­beit mit den Fach­kol­le­gen bei AAU und PsA gege­be­nen­falls eine Thera­pie­um­stel­lung veran­lasst wird.

Womit wir beim Thema Thera­pie ange­kom­men sind. Ohne Zwei­fel haben Biolo­gi­ka und allen voran die TNF-Blocker die Thera­pie vieler Auto­im­mun­erkran­kun­gen revo­lu­tio­niert. Bisher ist Adali­mu­mab das einzig zuge­las­se­ne Biolo­gi­kum für die Behand­lung der Uvei­tis und hat sich bei korrek­ter Indi­ka­ti­on als wich­ti­ge Basis­the­ra­pie bewährt. Da es sich bei Biolo­gi­ka um hoch­mo­le­ku­la­re Prote­ine handelt, muss damit gerech­net werden das sich eine Immun­ant­wort gegen den Wirk­stoff entwi­ckelt und sich damit die Wirk­sam­keit vermin­dert oder völlig einbüßt. 

Soge­nann­te „Anti-drug-Anti­kör­per“ (ADA) können rela­tiv schnell auftre­ten und den initia­len Erfolg rasch gefähr­den. In JAMA Ophthal­mo­lo­gy“ legen Bellur S et al. die Ergeb­nis­se des Medi­ka­men­ten-Moni­to­rings ihrer Pati­en­ten zwischen den Jahren 2017 und 2021 vor. Bei mehr als jedem 3. Pati­en­ten entwi­ckel­ten sich ADA inner­halb von ca. 1,7 Jahren.  Es über­rascht nicht, dass gleich­zei­tig ein gerin­ge­rer Wirk­spie­gel von Adali­mu­mab resul­tier­te. Gleich­zei­tig konn­ten die Autoren heraus­stel­len, dass in ihrer Kohor­te ein thera­peu­tisch wirk­sa­mer Spie­gel von ADL von >3,3 ug/ml für einen bestän­di­gen Thera­pie­er­folg wich­tig war. Der Nach­weis von ADA war in der beschrie­be­nen Kohor­te zwar nicht gleich­be­deu­tend mit einem Thera­pie­ver­lust, aber ADA Spie­gel <15 ug/ml waren signi­fi­kant häufi­ger damit verbun­den. Ferner stell­ten die Unter­su­cher fest, dass die Wirk­spie­gel von Adali­mu­mab höher ausfie­len (und blie­ben), wenn kombi­niert mit Metho­tre­xat behan­delt wurde. Die Autoren resü­mie­ren,  das bei nach­las­sen­dem Behand­lungs­er­geb­nis unter Adali­mu­mab-Thera­pie sowohl der Wirk­spie­gel als auch die ADA kontrol­liert werden soll­ten. Es kann ergänzt werden, das aus frühe­ren Unter­su­chun­gen bekannt ist, dass ADA häufi­ger und rascher bei weib­li­chem Geschlecht und höhe­rer Krank­heits­ak­ti­vi­tät auftre­ten. Hinwei­se, die v.a. für die Behand­lung von Mädchen mit JIA und Uvei­tis wich­tig sind. Als weite­re Konse­quenz aus den bishe­ri­gen Beob­ach­tun­gen folgert, dass durch eine zusätz­li­che Gabe von Anti­me­ta­boli­ten (vorzugs­wei­se MTX) die Entwick­lung von ADA deut­lich vermin­dert werden kann.

Als letz­ten Aspekt in dieser Lite­ra­tur­aus­wahl stel­len wir noch einen sero­lo­gi­schen Biomar­ker für die Krank­heits­ak­ti­vi­tät und das Thera­pie­an­spre­chen bei nicht­in­fek­tiö­ser ante­rio­rer Uvei­tis vor. Calpro­tec­tin ist ein Prote­in, das von Granu­lo­zy­ten und Mono­zy­ten synthe­ti­siert wird und sich bereits beim Moni­to­ring und der Progno­se­ein­schät­zung der Axia­len Spon­dy­li­tis bewährt hat. Inwie­weit Calpro­tec­tin dazu taugt, den Schwe­re­grad der Entzün­dung bei AAU abzu­bil­den, ist bisher kaum unter­sucht worden. Abd El Meged Nage S et al.  berich­ten in „Clini­cal Ophthal­mo­lo­gy“ darüber, dass sie in einer klei­nen Kohor­te den Serum-Marker mit dem Schwe­re­grad der Uvei­tis korre­lie­ren konn­ten. Die Autoren zeigen sich über­zeugt davon, dass v.a. bei Pati­en­ten mit frag­li­cher Diagno­se einer asso­zi­ier­ten SpA Calpro­tec­tin ein zusätz­li­cher Marker für sein kann. Es wäre sicher­lich noch inter­es­sant gewe­sen, ob das Rezi­div­ri­si­ko und der Lang­zeit­ver­lauf mit diesem Marker korrel­liertm um damit z.B. die Entschei­dung einer Basis­the­ra­pie ratio­nal zu führen.

Auch wenn die Uvei­tis sicher­lich kein Enigma ist, blei­ben viele Fragen offen. Neugie­rig gewor­den? Lust auf mehr zum Thema? Dann blei­ben sie uns treu – wir halten sie infor­miert.  Und für alle, die sich tiefer mit dem Thema entzünd­li­cher Augen­er­kran­kun­gen beschäf­ti­gen wollen, kann ich ihnen eine Veran­stal­tung zu diesem span­nen­den Thema im Septem­ber in Berlin anbie­ten: unter www.iois.info finden sie weiter­füh­ren­de Informationen.

Mit diesem posi­ti­ven Ausblick wünsche ich allen Lesern/innen eine inter­es­san­te Lektüre.

Uwe Pleyer und das Team von Kompakt Ophthalmologie

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