Blick zurück nach vorn! oder: Wie sich konse­quen­tes Handeln bei Kindern mit Uvei­tis lang­fris­tig auszahlt…

 

Prof. Dr. med. Uwe Pleyer

Sie gelten als beson­ders gefähr­det dafür, schwe­re Sehstö­run­gen zu erlei­den und wurden lange Zeit als prognos­tisch ungüns­tig einge­schätzt: Kinder mit intrao­ku­la­rer Entzün­dung. Zeit für eine aktu­el­le Bestands­auf­nah­me und einen Blick nach vorn.

Liebe Lese­rin­nen und Leser von Kompakt Ophthalmologie,

Die gute Nach­richt vorweg: Gleich mehre­re Studi­en kommen zu dem Ergeb­nis, dass sich die konse­quen­te, inten­si­ve Betreu­ung von Kindern mit ante­rio­rer Uvei­tis (AU) lang­fris­tig in guten funk­tio­nel­len Ergeb­nis­sen nieder­schlägt. Dies geht unter ande­rem aus der retro­spek­ti­ven 10-Jahres-Analy­se von Huynh und Mitar­bei­tern (Boston/USA) in der aktu­el­len Ausga­be von „Eye“ hervor. Bei etwa 90% der Kinder konnte die, über­wie­gend chro­nisch verlau­fen­de, intrao­ku­la­re Entzün­dung kontrol­liert werden. Beacht­lich ist jedoch der Aufwand, der dafür nötig ist und sich von dem bei unse­ren erwach­se­nen Pati­en­ten mit AU doch deut­lich unter­schei­det! Drei von 4 Kindern erhiel­ten eine eska­lie­ren­de, länger­fris­ti­ge, immun-modu­lie­ren­de syste­mi­sche Thera­pie. Für alle, die diese Kinder betreu­en, nicht uner­war­tet: Bei knapp der Hälfte der Betrof­fe­nen lag gleich­zei­tig eine juve­ni­le Arthri­tis vor. Entspre­chend dem Behand­lungs­al­go­rith­mus erfolg­te zunächst eine lokale Thera­pie (Stero­ide und Zyklo­ple­gi­ka), die bei 70% nach weni­gen Wochen mit syste­mi­schem Metho­trex­at erwei­tert wurde. Auch das reich­te nicht aus und wurde bei etwa jedem drit­ten Kind (zusätz­lich) auf ein Biolo­gi­kum, in der Regel Adali­mum­ab, umge­stellt. Bemer­kens­wert, dass immer­hin 4% der Kinder einen weite­ren Wech­sel und eine Umstel­lung auf ein zwei­tes, drit­tes oder gar vier­tes Biolo­gi­kum benö­tig­ten. Leider geht aus den Daten nicht sicher hervor, ob Auge oder Gelenk (oder beide) Indi­ka­ti­on für die Umstel­lung waren. Immer­hin, mehr als 80% der Kinder wiesen im Verlauf dieser retro­spek­ti­ven Auswer­tung eine best­kor­ri­gier­te Sehschär­fe von 0,5 oder besser auf.

Das sich eine konse­quen­te und subti­le Betreu­ung von Kindern mit AU lang­fris­tig posi­tiv auswirkt, berich­ten auch Kouwen­berg et al. aus Utrecht (Nieder­lan­de) im „AJO“. Gleich­zei­tig mischt sich ein Wermuts­trop­fen in ihre 5‑Jah­res-Analy­se … Die Autoren verglei­chen den Verlauf von Uvei­tis bei Kindern mit und ohne JIA. Sie kommen zu dem inter­es­san­ten Ergeb­nis, dass „Rheu­makin­der“ gegen­über der Vergleichs­grup­pe besser abschnei­den. Kinder ohne gesi­cher­te Ätio­lo­gie der AU wiesen signi­fi­kant häufi­ger poste­rio­re Synechi­en und sekun­dä­re Kompli­ka­tio­nen wie Kata­rakt und Glau­kom auf.

Die Autoren führen dies darauf zurück, dass Rheu­makin­der von einem gut etablier­ten Scree­ning-Programm mit regel­mä­ßi­gen augen­ärzt­li­chen Kontrol­len beglei­tet werden. Dadurch werden bereits früh­zei­tig intrao­ku­la­re Entzün­dun­gen erkannt und behan­delt. Bestä­tigt sehen sich die Kolle­gen dadurch, dass JIA-Kinder, die ihre Uvei­tis vor der Arthri­tis entwi­ckeln, und damit keine Routi­ne­kon­trol­le erhal­ten, ein ähnlich schlech­te­res Ergeb­nis in Bezug auf Augen­kom­pli­ka­tio­nen und Sehschär­fe aufwei­sen. Über­ein­stim­mend mit der zuvor genann­ten ameri­ka­ni­schen Studie wurde auch hier bei 3 von 4 Kinder mit JIA eine syste­mi­sche Thera­pie mit MTX einge­setzt und oft zügig auf Biolo­gi­ka (über­wie­gend Adali­mum­ab) geswitcht (siehe oben). Aus beiden Unter­su­chun­gen lässt sich resü­mie­ren, dass sich eine leit­li­ni­en-orien­tier­te, inten­si­ve (syste­mi­sche) Behand­lung heute in einer guten Progno­se der schwer betrof­fe­nen Kinder ausdrückt.

Uns Augen­ärz­ten kommt dabei zugute, dass für kinder­r­heu­ma­to­lo­gi­sche Erkran­kun­gen inzwi­schen ein brei­tes Wirk­stoff­re­per­toire zur Verfü­gung steht, dass sich auch für die Thera­pie der AU eignet. Damit erge­ben sich gleich­zei­tig wieder neue Fragen: Tritt ein Wirk­ver­sa­gen unter Adali­mum­ab ein, auf welche Behand­lung sollte umge­stellt werden? Dieser Frage gingen Macco­ra et al. aus Florenz (Itali­en) in einer unkon­trol­lier­ten Studie nach. Kinder, die thera­pie­re­frak­tär auf die Behand­lung mit Adali­mum­ab waren, wurden alter­na­tiv auf Abat­acept (ein CTLA‑4 Antago­nist) oder Toci­li­zumab (anti-IL6) umge­stellt. Beide Biolo­gi­ka sind zur Behand­lung der Arthri­tis bei JIA zuge­las­sen, inso­fern konnte direkt eine „on Label“-Behandlung erfol­gen. Es bestä­tigt sich, was sich bereits bei erwach­se­nen Pati­en­ten erken­nen lässt. Die Blocka­de von Interleukin‑6 (Toci­li­zumab) erwies sich für die Uvei­tis als effek­ti­ver. Zwar ist die Nach­be­ob­ach­tung in dieser Studie rela­tiv kurz (Mini­mum 6 Monate), dennoch erscheint die Behand­lung mit Toci­li­zumab als eine gute Alter­na­ti­ve bei Versa­gen einer TNF-Thera­pie und bestä­tigt unsere bishe­ri­gen Erfahrungen.

Es besteht große Einig­keit darüber, dass gerade bei Kindern Stero­ide tunlichst vermie­den werden soll­ten. In akuten Ausnah­me­si­tua­tio­nen sind sie aller­dings alter­na­tiv­los. Bei einzel­nen Pati­en­ten kann es dabei vorteil­haft sein, auf eine hoch­do­sier­te, kurz­fris­ti­ge Stoß­the­ra­pie mit Methyl­p­redn­iso­lon zurück­zu­grei­fen. Bislang gab es zu Wirkung und Neben­wir­kung bei Kindern mit Uvei­tis wenig Infor­ma­tio­nen. Diese Lücke schließt eine aktu­el­le Arbeit von Ghor­a­ba et al. aus Palo Alto (USA). Bei thera­pie­re­frak­tä­rer, nicht­in­fek­tiö­ser Uvei­tis erwies sich die Pulsthe­ra­pie nicht nur als hoch­ef­fek­tiv. Im Vergleich zu einer Kontroll­grup­pe, die länger­fris­tig nied­rig dosier­te, syste­mi­sche Stero­ide erhielt, traten auch weni­ger uner­wünsch­te Wirkun­gen auf. Dies betrifft u.a. Gewichts­zu­nah­me, Blut­zu­cker und Verän­de­run­gen des Blut­bil­des. Erwäh­nens­wert sind bei zwei Kindern mit Pulsthe­ra­pie eine Brady­kar­die sowie eine Kompres­si­ons­frak­tur, die von den Autoren aller­dings als eher frag­lich mit der Pulsthe­ra­pie asso­zi­iert einge­stuft wurden.

Der Erfolg der Behand­lung ist stets an ein gutes Moni­to­ring geknüpft. Aus verschie­de­nen Grün­den sind Verlaufs­kon­trol­len bei Uvei­tis-Kindern proble­ma­tisch. Oft liegt trotz akti­ver Entzün­dung ein äußer­lich „weißes Auge“ vor; zudem wird selten über Beschwer­den geklagt. Gerade bei Kindern muss jedoch die Uvei­tis­ak­ti­vi­tät subtil erfasst werden, da eine schwe­len­de Entzün­dung nahezu unwei­ger­lich zu sekun­dä­ren Kompli­ka­tio­nen führt. Die konven­tio­nel­le klini­sche Spalt­lam­pen­un­ter­su­chung ist und bleibt zwar Stan­dard, erlaubt aller­dings ledig­lich eine subjek­ti­ve Beur­tei­lung. Als eine objek­ti­ve und zudem sehr sensi­ti­ve Tech­nik hat sich das „Flare Meter“ bereits in eini­gen frühe­ren Unter­su­chun­gen bei Kindern mit chro­nisch undu­lie­ren­der AU bewährt. Yalçın­dağ et al. haben dies aufge­grif­fen und jüngst ihre Einschät­zung mitge­teilt. In der vorlie­gen­den Studie korre­lier­ten die Flare-Werte (Prote­in­ge­halt in der Vorder­kam­mer) mit späte­ren Uvei­tis-Kompli­ka­tio­nen. Es konnte ein signi­fi­kan­ter, prädik­ti­ver Faktor für die Entwick­lung von Kompli­ka­tio­nen in der Nach­be­ob­ach­tungs­zeit darge­stellt werden. Im Gegen­satz dazu lag keine signi­fi­kan­te Korre­la­ti­on zwischen dem AU-Zell Grad bei Spalt­lam­pen­be­ur­tei­lung und der Präva­lenz von Uvei­tis­kom­pli­ka­tio­nen vor. Dies leuch­tet unmit­tel­bar ein, da bereits eine gerin­ge Störung der Blut-Kammer­was­ser-Schran­ke zum Prote­in­ein­tritt und damit anstei­gen­den Flare-Wert führt. Entspre­chend konnte die Behand­lung der Kinder sehr gut an die subti­le entzünd­li­che Akti­vi­tät ange­passt werden. Doch – wer verfügt schon über so eine Maschi­ne, werden sie viel­leicht einwen­den …? Könnte auch eine objek­ti­ve Einschät­zung der Entzün­dung mittels OCT vorge­nom­men werden? Genau dieser Frage widmet sich die hier abschlie­ßend erwähn­te, aktu­el­le Arbeit von Tsui und Mitar­bei­tern. Im „Ameri­can Jour­nal of Ophthal­mo­lo­gy“ stel­len sie ihre Analy­se zur Vali­die­rung- und Zuver­läs­sig­keit des OCT bei AU im Kindes­al­ter vor. Sie attes­tie­ren dieser Tech­nik eine sehr gut repro­du­zier­ba­re Gradu­ie­rung des Vorder­kam­mer-Reiz­zu­stan­des mit sehr guter Über­ein­stim­mung der Spalt­lam­pen­be­fun­de zweier Augen­ärz­te. Dass dies auch bei Klein­kin­dern möglich ist, zeigt sich daran, dass die jüngs­te Pati­en­tin gerade einmal 3 Jahre alt war. Inter­es­sant wäre natür­lich ein Vergleich mit der (zusätz­li­chen) Flare-Messung gewe­sen … Viel­leicht eine Anre­gung an unsere inter­es­sier­ten Leser? In jedem Fall bleibt das Thema span­nend und wird mögli­cher­wei­se noch zu weite­ren Verbes­se­run­gen der Progno­se nicht nur dieser beson­ders betrof­fe­nen Pati­en­ten führen.

Ich bin opti­mis­tisch und hoffe, Sie sind es auch. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen ein inter­es­san­tes Lese­ver­gnü­gen und eine ange­neh­me Sommerzeit.

Herz­lichst, Ihr Uwe Pleyer und das gesam­te Team von „Kompakt Ophthalmologie“

 

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