Behandlung chronischer Augenerkrankungen? Beständigkeit ist Trumpf!
Dazu sind langfristige Therapiekonzepte und ein gutes Monitoring Grundvoraussetzung!
Es gehört zu den wesentlichen Prinzipien der Behandlung unserer Patienten, dass wir ein optimales Gleichgewicht zwischen der Wahrscheinlichkeit eines therapeutischen Nutzens und des Risikos abwägen. Diese einfache Forderung ist in der Praxis nicht immer so ohne
Weiteres umsetzbar. Allerdings bietet die Behandlung chronischer Augenerkrankungen einige wesentliche Vorteile gegenüber anderen medizinischen Fachbereichen. Ein Vorzug, den wir täglich nutzen, ist unter anderem die intravitreale Wirkstoffeingabe. Doch wie steht es mit der Nutzen-Risiko-Abwägung? Dazu ein Blick auf aktuelle Veröffentlichungen.
In der September-Ausgabe von „Ophthalmology“ berichten Holekamp et al. (Chesterfield, USA) über ihre Ergebnisse zum Ranibizumab-„Port delivery System (PDS)“. Das PDS gibt berechtigte Hoffnung, die Abstände der Medikamenteneingabe auf 24 Wochen zu erweitern. Gegenüber einer Vergleichsgruppe, die monatliche (!) intravitreale Injektionen erhielten, konnte funktionell ein gutes, gleichwertiges Ergebnis erreicht werden. Gedämpft werden die aktuellen, positiven Mitteilungen allerdings durch erhöhte Risiken. Intraokulare Infektionen und Netzhautablösungen wurden gegenüber der „konventionellen“ Gabe doch vergleichsweise häufig beobachtet. Es bleibt also abzuwarten, ob dies nur Anlaufschwierigkeiten sind oder oder die Präparation des Portsystems doch als eine unerwartete (?) Schwachstelle des Vorgehens zu sehen ist.
Apropos unerwartet … Im Zusammenhang mit Komplikationen der Anti-VEGF-Therapie sei auf eine weitere Mitteilung hingewiesen. Moret et al. (Lausanne, Schweiz) berichten im „Graefe’s Archive for Clinical and Experimental Ophthalmology“ über bisher wenig beachtete Hautreaktionen. Über die gängigen Handelspräparate hinweg (Ranibizumab, Bevacizumab, Aflibercept) dokumentierten sie in Einzelfällen Hautreaktionen, die sie in Verbindung zur intravitrealen Behandlung sehen. Die Dermatosen wiesen dabei ein weites, klinisches Spektrum auf, das von leichten Exanthemen bis zu ausgeprägten generalisierten Erythrodermien reichte. Sie traten in einem weiten Intervall zwischen 2 Tagen und 4 Wochen auf und werden von den Autoren auf eine systemische Freisetzung des Wirkstoffes zurückgeführt. Auch wenn sich die VEGF-Serumkonzentrationen im nanomolekularen Bereich bewegen, sind sie offensichtlich ausreichend, um Überempfindlichkeitsreaktionen hervorzurufen. Da auch weitere, histologisch gesicherte, immunmediierte Veränderungen in diesem Zusammenhang beobachtet wurden, z.B. als Nierenbeteiligung (Hämaturie, Proteinurie), raten die Autoren, entsprechende Vorkommnisse abzuklären und gegebenenfalls eine Therapieumstellung vorzunehmen. Die Autoren gehen von einer höheren Dunkelziffer aus, da Dermatosen im Alter ohnehin zunehmen und oft wenig Beachtung finden.
Das Konzept langfristiger Behandlung mit Depotpräparaten ist für intravitreale Steroide bereits seit langem gut etabliert. Zuletzt wurde das Wirkstoffspektrum um ein Fluocinolon Präparat (Iluvien) erweitert. Aus Heidelberg kommen Beobachtungen zur Behandlung des Makulaödems bei Uveitis. Hikal et al. berichten im „Journal of Clinical Medicine“ über ihre Langzeitergebnisse bei 26 Patienten. Häufig lag bereits ein chronifiziertes Makulaödem vor, das jedoch noch gut auf die Steroideingabe ansprach. Mehr als 70 % der Patienten wiesen eine völlige Resorption (sub-)retinaler Flüssigkeit auf. Als wesentlicher Vorteil wird die lange Wirkdauer hervorgehoben. Ähnlich wie beim Dexamethason-Insert (Ozurdex) halten die Behandlungseffekte allerdings nicht ganz so lange an wie in den Zulassungsstudien berichtet wurde. Daher wurden bei mehreren Patienten bereits nach ca. 2 Jahren Re-Injektionen mit Iluvien notwendig. Hervorzuheben ist in dieser retrospektiven Beobachtung neben der langen Wirkdauer das geringe Risiko intraokularer Drucksteigerung. Die Frage nach intravitrealen Re-Injektionen stellt sich häufiger bei dem seit langem bewährten Dexamethason-Implantat. Ebenfalls im „Journal of Clinical Medicine“ berichten Kang und Mitarbeiter aus Taiwan, das auch wiederholte Dexamethasoneingaben ein gutes Ansprechen des Makulaödems bei Uveitis zeigen. Auch hier lagen häufig bereits chronische Entzündungsverläufe vor. Dexamethason wird oft als ein sehr potentes Steroid eingeschätzt. Entsprechend wurde schon sehr rasch ein gutes Ansprechen auf das Makulaödem beobachtet. Als unerwünschte Wirkungen wurden vor allem innerhalb des ersten Monats intraokulare Druckanstiege beobachtet, die alle gut beherrschbar waren.
Bleiben wir bei der intraokularen Druckproblematik, dem Glaukom und aktuellen Meldungen zur Therapie und Verlaufskontrolle dieser chronischen Erkrankung. Für die Glaukombehandlung stehen bisher Depotpräparate und Wirkstoffträger mit Langzeitwirkung noch am Anfang. Ein erstes intrakamerales Implantat (Bimatoprost/Durysta) erhielt 2020 die erste FDA-Zulassung. Längerfristige Erfahrungen und weitere Studien stehen allerdings noch aus. Umso wichtiger sind Verbesserungen der bisherigen Therapieoptionen. Hierzu zählt unter anderem Roclanda. Dieses Kombinationspräparat aus Latanoprost und Netarsudil verspricht einen additiven, drucksenkenden Effekt. Im „Journal of Glaucoma“ berichten Radell et al. (New York, USA) über ihre 2‑Jahres-Ergebnisse mit Latanoprost Bunod (LBN). Die Besonderheit der Wirkstoffkombination liegt darin, dass zusätzlich zum Prostaglandinanalogon durch freigesetztes Stickstoffmonoxid (Netarsudil Effekt) der trabekuläre Abfluss des Kammerwassers gesteigert wird. Dies konnten die Kollegen an 102 therapienaiven Augen bestätigen und berichten über eine additive Druckminderung. Als wichtigste unerwünschte Wirkung der Prostaglandine wurden Reizzustände mit konjunktivaler Hyperämie beobachtet. Dies führte allerdings nur bei wenigen Patienten zum Abbruch der Behandlung.
Interessant ist zum Abschluss noch eine mögliche Zukunftsaussicht. Bereits seit Längerem wird über immunologische Veränderungen bei chronischem Glaukom berichtet. So konnten wiederholt Autoantikörper nachgewiesen werden, die u.a. auf neurodegenerative Veränderungen hinweisen könnten. Ob sich diese auch für das Monitoring eignen, wurde von Yu et al. aufgegriffen. Sie fokussierten ihre Untersuchung auf spezifische B‑Zellen, die für die Antikörperbildung verantwortlich sind und korrelierten diese mit dem Verlauf und Schweregrad der Sehnerv Schädigung. Diese (Pilot!)Daten zeigen, dass bei Glaukompatienten nicht nur eine Störung des Gleichgewichtes der Gesamtzahl an B‑Zellen vorliegt, sondern auch ein spezifischer (Isotyp) „Switch“ des Immunsystems mit Fortschreiten der Glaukom Schäden eintritt. Ein kleiner Schritt in eine neue Richtung …?
Wir bleiben gespannt.
Mit diesem Ausblick wünsche ich Ihnen eine interessante Lesezeit und grüße sie zusammen mit dem Kompakt Team ganz herzlich,
Uwe Pleyer