Neue Entwicklungen und exakte Bestätigung bekannten Wissens
Liebe Leserinnen und Leser,
in der besonderen Feriensaison in diesem Jahr grüße ich Sie herzlich mit diesem Editorial von Kompakt Ophthalmologie. Viele Dinge, welche uns im letzten Sommer noch als vollkommen normal erschienen, sind nun in weite Ferne gerückt oder werden von uns auch nicht mehr als so bedeutend erachtet. Fernreisen und überfüllte Flughäfen gehören in diesem Sommer nicht mehr zur Normalität. Der Focus ist ein anderer geworden. Gesundheit steht an erster Stelle. Die Eindämmung der Pandemie ist das oberste Ziel, welches in Europa glücklicherweise bezüglich der Todesfälle durch COVID-19 auch erreicht zu sein scheint.
Die Mortalität erreicht wieder normale Werte im Jahresvergleich, wie eine große europäische Datenbank zeigt. Natürlich sollten die wichtigen und erfolgreichen Vorsichtsmaßnahmen – wie Abstand halten, Mundschutz und Händedesinfektion – gerade auch in unseren Praxen und Kliniken nie in Vergessenheit geraten, da diese nachweislich der wichtigste Schutz vor einer Ansteckung sind.
Jetzt ist es aber wichtig, wieder nach vorne zu schauen und einen positiven Blick für die Zukunft einzunehmen, womit ich auch den Bogen zurück zu unserem schönen Berufsfeld schlagen möchte.
Durch Analyse einer großen Datenmenge des Duke-Glaucoma-Registers konnten von Jammal et al. Real-World-Informationen von mehr als 85.000 Druckmessungen und mehr als 60.000 SC OCT retrospektiv analysiert werden. Im Nachbeobachtungszeitraum von im Mittel 3,5 Jahren konnte gezeigt werden, dass jeder um 1 mm Hg höhere Augendruck mit einem um 0,05 mm höheren Nervenfaserverlust pro Jahr assoziiert war. Augen mit einem durchschnittlichen Druck kleiner 15 mmHg zeigten die geringste Progressionsrate. Die Ergebnisse klingen vielleicht banal da für viele von uns doch im Alltag schon in unsere Therapieentscheidungen einfließen. Wenn aber eine Arbeit nach multivariabler Analyse einer solchen Datenmenge nochmals bekanntes Wissen exakt bestätigt, ist es doch eine bedeutende wissenschaftliche Leistung und Ansporn für unseren klinische Alltag zugleich.
Eine in diesem Jahr erschienene Arbeit von Choritz et al. der Argos Study Group zeigt sehr schön wie auch im Bereich der Drucksmessung High-Tech immer weiter Einzug findet. Die Autoren konnten zeigen, dass die neue Generation des Argos Drucksensor Eyemat-IO welcher nach der Kataraktoperation in den Sulkus implantiert wird über einen Zeitraum von 12 Monaten sicher und effizient intraokulare Druckwerte telemetrisch übermittelt. Der Sensor ermöglicht es, große Daten über die Drucksituation der Patienten zu liefern, was ja auch im Zusammenhang mit der zuvor erwähnten Arbeit von großer Bedeutung ist.
Jian-Yu et al. untersuchten einen anderen wichtigen Bereich des Glaukoms. Sie konnten zeigen, dass Gesichtsfeldminderungen Patienten mit geringerer körperlicher Aktivitätsdauer und stärkerer Sequenzierung der Aktivität verbunden waren. Jede Abnahme um 5 Einheiten war mit 16,3 weniger aktiven Minuten/Tag verbunden. Körperliche Aktivität scheint also auch im Bereich des Glaukoms positive Effekte zu haben, welche aber noch in weiteren Arbeiten genauer analysiert werden müssen so die Autoren. Eine Verbesserung der Durchblutung des Sehnervs durch vermehrte körperliche Aktivität scheint aber ein logischer Zusammenhang zu sein.
Im Bereich der refraktiven Chirurgie möchte im abschließend noch auf drei weitere Arbeiten hinweisen.
Lange galt eine refraktiver Hornhauteingriff bei stillenden Müttern noch als relative Kontraindikation. Eine Arbeitsgruppe aus Spanien um Alonso-Santander et al. konnte in einer retrospektiven Analyse an 142 Augen von stillenden Müttern zeigen, dass kein erhöhtes Risiko für einen LASIK-Eingriff besteht und die funktionellen Ergebnisse mit denen von nicht stillenden Frauen einer Kontrollgruppe vergleichbar waren. Auch bei den gestillten Kindern zeigten sich keine Nebenwirkungen. Die Ergebnisse sind für refraktive Chirurgen insbesondere von Interesse, da viele Frauen heute ja eine sehr lange Stillphase favorisieren, gleichzeitig aber oftmals einen Wunsch nach einer Korrektur der Fehlsichtigkeit besteht.
Im Bereich der immer noch oftmals kontrovers diskutierten Femtosekundenlaser-assistierten Katarakt-Chirurgie konnten Chan et al. zeigen, dass auch 5 Jahre nach erfolgter astigmatischer Hornhautinzision dies eine stabile und effektive Methode ist, bei mittelgradigen Astigmatismen eine Verringerung im Rahmen der Linsenoperation durchzuführen. In dieser Studie wurde im steilen Meridian operiert und gleichzeitig eine bogenförmige Inzision hinzugefügt. Der präoperative corneale Astigmatismus wurde so von 1,4 +/- 0.66 dpt auf 0.7 +/- 0.5dpt fünf Jahre postoperativ reduziert. Die Arbeit konnte zeigen, dass die Kombination von bogenförmiger Inzision durch den Femtolaser im Rahmen der Kataraktoperation einen weiteren Vorteil dieser modernen Alternative zur Standardtechnik darstellt.
Gerade im Bereich der EDOF-Linsen kommt es zurzeit immer stärker zu einem Paradigmenwechsel hin zu Erweiterungen des Indikationsspektrums. So werden diese Linsen immer häufiger auch bei pathologischen Hornhäuten oder AMD erfolgreich eingesetzt. Price et al. berichteten in „Cornea“, dass nach erfolgreicher DMEK bei Fuchs´scher Endotheldystrophie EDOF, aber auch bifokale Kunstlinsen erfolgreich eingesetzt werden und sowohl im Fern- als auch im Nahbereich gute unkorrigierte Visuswerte erreicht werden können. Wichtig, so die Autoren, ist dabei, dass für die Biometrie stabile, klare Hornhautverhältnisse postoperativ abgewartet werden. Im Bereich der AMD konnten Kaymak et al. bereits auf der ESCRS 2019 zeigen, dass EDOF-IOL auch bei mäßiger Makulopathie noch gute funktionelle Ergebnisse zeigen und von den Patienten noch als positiv bewertet werden. In der Zukunft werden diese Ergebnisse sicherlich vermehrt zum Nutzen der Patienten im klinischen Alltag Einzug halten und auch bei vorhandenen Nebenerkrankungen im Rahmen der Kataraktoperation zu einer höheren Brillenunabhängigkeit im Alltag sorgen.
Wir konnten hier wieder einige moderne Entwicklungen aus verschiedenen Bereichen aufzeigen und hoffen, damit etwas zur positiven Gesamtsicht auf die Zukunft in diesen etwas ungewissen Zeiten beitragen zu können.
In diesem Sinne: Genießen Sie den Sommer und bleiben gesund!
Ihr Detlef Holland