NEU-GIER-IG?
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
„Neugierig!“ möchten wir Sie wieder stimmen und begrüßen Sie ganz herzlich auf der Homepage von „Kompakt Ophthalmologie“, der aktuellen Online-Plattform für Augenheilkunde!
In den letzten Wochen haben wir Interessantes und Nützliches aus führenden peer-reviewed ophthalmologischen Zeitschriften zusammengestellt. Um Ihre knappen Zeitressourcen zu schonen, haben wir nach relevanten, aktuellen Forschungsergebnissen recherchiert. Durch die intuitive leserfreundliche Oberfläche der Plattform haben Sie jederzeit Gelegenheit, sich ihren spezifischen Interessen entsprechend rasch up-to date zu informieren.
Was bewegt die (medizinische) Welt? Überraschend: Nicht onkologische Erkrankungen, nicht die Antibiotika-Krise – der Klimawandel wird von einigen Experten der WHO als größte medizinische Herausforderung dieses Jahrhunderts herausgestellt. Der Klimawandel ist möglicherweise nicht etwas, worüber Sie als Augenarzt täglich nachdenken. Bereits 2013 hat des Robert-Koch-Institut wissenschaftliche Belege zusammengestellt und auch für die Ophthalmologie eine Prognose gewagt. Die Folgen klimabedingter Veränderungen, zum Beispiel durch erhöhte UV-Strahlung, werden demnach auch unmittelbaren Einfluss auf die Prävalenz von Katarakt, AMD und Störungen der Augenoberfläche nehmen.
Risikoabschätzungen kamen für die Vereinigten Staaten auf einen Anstieg der Prävalenz kortikaler Katarakte von 1,3 auf 6,9 Prozent bis zum Jahr 2050. Ebenfalls vorausgesagt werden zunehmende Alterationen des äußeren Auges, insbesondere die Entwicklung eines Trockenen Auges. Ein Thema, dass wir auch in der aktuellen Zusammenstellung von „Kompakt Ophthalmologie“ aufgreifen. Ozon- und schadstoffreiche Luft, Tabakrauch, aber auch Kontaktlinsen und veränderte Sehanforderungen (Stichwort: „Office eye“) belasten die Augenoberfläche. Nach Angaben des Berufsverbandes der Augenärzte sind rund zehn bis zwölf Millionen Menschen in Deutschland betroffen – davon mindestens 100.000 schwer mit deutlichen funktionellen Störungen. Das Problem dabei: Trockene Augen werden häufig verharmlost und ihre Risiken und Belastungen unterschätzt. Persönlich interessant fand ich die Arbeit von Satitpitakul V et al. aus Thailand. Bei circa 60 bis 70 Prozent der Patienten mit Trockenem Auge liegt eine Meibomdrüsen-Dysfunktion (MDD) vor, die das entzündliche Geschehen oft maßgeblich mitbestimmt. In einer der wenigen „Head-to-Head“-Studien konnte herausgestellt werden, dass die lokale Therapie mit Azithromycin 1,5 % Augentropfen gleichwertig einer oralen Doxycyclin Gabe über vier Wochen war. Beide Therapieregime führten zu einer signifikanten Befundbesserung (Meibom-Funktion, Break-up-Time), verminderten Symptomen und wurden gut toleriert. Sicherlich hätte man sich eine noch etwas längere Behandlungszeit vor allem. für die systemische Therapie gewünscht – dennoch ein praxisrelevantes Ergebnis.
Ebenfalls im Fokus: Kontaktlinsen-Träger. Jeder Zweite entwickelt Zeichen eines Trockenen Auges begleitet von entzündlichen Veränderungen. Muhafiz E et al. gingen der Frage nach, ob unterschiedliche Linsenmaterialien (Hydrogel vs. Silikon) und die Tragedauer Einfluss auf Inflammationsmarker im Tränenfilm nehmen. Gleichzeitig – und das bestätigen die Ergebnisse dieser Arbeit – korrelierten Entzündungsmediatoren mit klinischen Befunden und subjektiven Beschwerden der Patienten.
Therapeutische, weiche Kontaktlinsen werden in Deutschland gerne bei ausgewählten Patienten mit schwerem Trockenen Auge und therapierefraktären Hornhautschäden eingesetzt. Vielleicht haben auch Sie sich schon gefragt, inwiefern dies das Risiko für infektiöse Komplikationen erhöht? In „Cornea“ berichten Feizi S. et al., dass bei circa 30 Prozent der Linsen ein positiver Keimnachweis gelang. Darunter durchaus auch „Problemkeime“. Konsequenzen? Lesen Sie nach….
In diesem Zusammenhang auch ein Verweis auf die Arbeit von Raghavan A et al. im AJO. Besonders gefürchtet sind bei Kontaktlinsenträgern Akanthamöbeninfektionen. Interessant sind die Beobachtungen der indischen Kollegen, die in einer groß angelegten Untersuchung das Keimspektrum von mehr als 400 Patienten mit stromaler Keratitis analysierten. Bei zehn Prozent lagen die gefürchteten Protozoen vor. Auffällig häufig lagen zudem Koinfektionen vor, insbesondere als Keratomykose, als weiterer deletärer Befund. Überraschend: Bei der Hälfte der Betroffenen lag keine Kontaktlinsen-Anamnese vor. Zwar sind die klimatischen Bedingungen in Indien sicherlich zu berücksichtigen – die Tendenz zu Mischinfektionen und atypischen Erregern lässt sich jedoch auch hierzulande beobachten. Entsprechend müssen erweiterte diagnostische und therapeutische Maßnahmen getroffen werden.
Als Klassiker für eine „saisonale“ Erkrankung, die unter klimatischem Einfluss steht, ist die Keratokonjunktivitis vernalis („Frühjahrskatarrh“) bekannt. Starker Leidensdruck und hohes Komplikationsrisiko belasten die betroffenen Kinder. Sowohl Prävalenz als auch Schweregrad nehmen in Deutschland offensichtlich zu. Späte Diagnose und zum Teil irreversible Spätschäden der Kornea mit persistierenden Ulzerationen (Schildulkus) sind nicht selten. Entsprechend sind effektive Prävention und Therapie gefordert. Viel zu oft werden hochpotente Steroide mit entsprechenden iatrogenen Schädigungen eingesetzt. Zwei Untersuchungen sind beachtenswert. Die Arbeit zur VEKTIS-Studie ist eine Pflichtlektüre für alle, die mit diesen Kindern zu tun haben. Leonardi A. et al. stellen in „Ophthalmology“ die Ergebnisse der Behandlung mit topischem Cyclosporin A (0,1 %) vor. Sie bestätigen auch persönliche, positive Erfahrungen in der Off-Label-Behandlung und lassen auf eine baldige Zulassung der Therapie auch in Deutschland hoffen. Die gute Wirkung von Calcineurininhibitoren, hier mit Tacrolimus, auf die Keratokonjunktivitis vernalis zeigen auch Beobachtungen aus Taiwan. Patienten, die zusätzlich zur Keratokonjunktivitis vernalis auch an einer atopischen Dermatitis litten, profitierten von einer (Mit-)Behandlung der Augenlider mit Tacrolimus-(Haut-)Salbe. Bemerkenswert: Bei 60 Prozent der Patienten konnte die Steroidtherapie abgesetzt werden.
Wir sind sicher, dass auch die vielen weiteren „Kompakt“-Highlights Ihr Interesse finden!
Wir sind sehr bemüht, Ihnen eine ausgewogene Mischung aus Relevantem unseres Fachgebietes anzubieten. Dabei sind wir sicherlich nicht frei von persönlicher Einschätzung und freuen uns natürlich über Rückmeldungen unserer Leserinnen und Leser!
Wir wünschen eine entspannte Sommerzeit, spannendes Lesevergnügen, neue Erkenntnisse, und: Bleiben Sie neu-gier-ig …
Prof. Uwe Pleyer