COVID-19: Mit Wissen­schaft und Fakten gegen Fake News

Dr. Detlef Holland, Heraus­ge­ber „Surgi­cal“ © Nord­blick GmbH

Sehr geehr­te Lese­rin­nen und Leser,

obwohl Prof. Pleyer im März schon in seinem hervor­ra­gen­den Edito­ri­al das Thema Corona thema­ti­siert hat, sehe ich aufgrund der aktu­el­len Situa­ti­on noch einmal den Anlass gege­ben, die Pande­mie anzusprechen.

Warum liegt mir das Thema beson­ders am Herzen und warum finde ich, dass es gerade hier noch einmal erwähnt werden sollte? Die vergan­ge­nen Monate haben einmal mehr denn je gezeigt, wie wich­tig Wissen­schaft und Aufklä­rung in unse­rer multi­me­dia­len und globa­li­sier­ten Welt sind. Leider verbrei­ten sich nicht nur Fakten auf der Welt in einer nie da gewe­se­nen Geschwin­dig­keit, sondern auch Halb­wis­sen und Fake News. Diese Entwick­lung ist sehr kritisch zu betrach­ten, und uns Ärzten und Wissen­schaft­lern fällt eine immer wich­ti­ge­re Funk­ti­on zu, bei der Infor­ma­ti­ons­flut die „Spreu vom Weizen zu tren­nen“ und gege­be­nen­falls auch die rele­van­ten Dinge an unser Umfeld und auch gege­be­nen­falls an unsere verun­si­cher­ten Pati­en­ten weiter­zu­tra­gen. In vielen Berei­chen hat sich die Medi­en­land­schaft im Umgang mit dem Thema als über­for­dert erwie­sen und durch verkaufs­träch­ti­ge Schlag­zei­len von den objek­ti­ven Fakten abge­lenkt. Daraus resul­tie­ren häufig voll­kom­men verängs­tig­te Pati­en­ten, die sicher jeder Leser des Kompakt Ophthal­mo­lo­gie in seiner eige­nen Sprech­stun­de erlebt hat.

Span­nend ist aber in dieser Zeit nicht nur der Blick auf die aktu­el­le Wissen­schaft, sondern auch der Blick in die Vergan­gen­heit. Unsere west­li­che Gesell­schaft war unter ande­rem so unvor­be­rei­tet, da bei den meis­ten Menschen aufgrund des Wohl­stan­des und der guten medi­zi­ni­schen Versor­gung das Wissen über die mögli­chen Gefah­ren durch Pande­mien in Verges­sen­heit gera­ten ist. Nur die Älte­ren kennen noch die Gefah­ren durch zum Beispiel Masern oder Polio. Aber auch die Spani­sche Grippe, die China- oder Hong-Kong-Grippe waren aus dem kollek­ti­ven Gedächt­nis verschwun­den. Dass unsere Gesell­schaft in dieser ausge­präg­ten Weise verletz­lich ist, muss erst wieder neu erlernt werden. Auch wir Augen­ärz­te haben Dinge verges­sen, die früher normal waren. Denken wir nur an die durch­sich­ti­gen Schutz­schil­de an den Spalt­lam­pen, welche früher häufig vormon­tiert waren, heute jedoch aus einem falschen Gefühl der Sicher­heit heraus nicht mehr Stan­dard sind. In Zukunft wird sicher jeder Herstel­ler diesen simp­len Schutz für uns Augen­ärz­te, die ja so stark infek­tiö­sen Aero­so­len ausge­setzt sind, routi­ne­mä­ßig an den Unter­su­chungs­ein­hei­ten instal­lie­ren. Mit Albrecht von Gräfe verstarb auch einer unse­rer berühm­tes­ten Vorvä­ter an einer Infek­ti­ons­krank­heit, welche er sich mit großer Wahr­schein­lich­keit beim engen Kontakt mit seinen Pati­en­ten zuge­zo­gen hatte. Schon im Alter von 42 Jahren erlag er einer Lungen­tu­ber­ku­lo­se. Auch diese Erkran­kung ist in Europa wieder auf dem Vormarsch, und Aufmerk­sam­keit ist geboten.

Diesem Miss­stand können wir nur durch Wissen und Aufklä­rung entge­gen­wir­ken, womit ich auch den Bogen zurück zu diesem Edito­ri­al schla­gen möchte.

Eine kürz­lich veröf­fent­lich­te Fall­se­rie von COVID-19-Pati­en­ten aus einem Kran­ken­haus in der chine­si­schen Provinz Hubei hat verschie­de­ne augen­ärzt­li­che Sympto­me im Zusam­men­hang mit der Infek­ti­on aufge­zeigt. Circa ein Drit­tel der Pati­en­ten zeig­ten Entzün­dungs­re­ak­tio­nen im Bereich der Augen. Auch konnte das Virus im Tränen­film mit gerin­ger Präva­lenz nach­ge­wie­sen werden, wodurch eine Über­tra­gung auf diesem Weg möglich sei. Bei 38 klinisch bestä­tig­ten COVID-19-Pati­en­ten (73,7% mit posi­ti­vem RT-PCR Test aus dem Rachen­ab­strich) wurden bei 31 Prozent Augen­sym­pto­me fest­ge­stellt. Diese zeig­ten sich als Konjunk­ti­vi­tis mit Hyper­ämie, Chemo­sis und Epipho­ra. Die Augen­sym­pto­me korre­lier­ten auch mit einer höhe­ren Inzi­denz von Entzün­dungs­mar­kern, wie höhere Werte für Leuko­cy­ten oder C‑reaktivem Prote­in. Außer­dem war bei Pati­en­ten mit Augen­sym­pto­men der Nasen-Rachen-Abstrich in 92 Prozent der Fälle posi­tiv. Augen­ärz­te können mit diesem Wissen also auch zur Diagno­se­klä­rung beitra­gen. Daraus folgend soll­ten Pati­en­ten mit Grip­pe­sym­pto­men und bila­te­ra­ler Konjunk­ti­vi­tis in Zukunft sicher eine erhöh­te Alarm­be­reit­schaft in unse­ren Praxen auslö­sen. Tren­nung von ande­ren Pati­en­ten und Perso­nal, Tempe­ra­tur­mes­sung und Unter­su­chung mit Mund­schutz und Schutz­bril­le werden wohl ein neuer Stan­dard in unse­rem Alltag werden.

Zum Glück gibt es aber noch mehr als Corona in unse­rer Welt, und bei den posi­ti­ven Entwick­lun­gen nicht nur in Deutsch­land sondern auch in vielen ande­ren Ländern der Welt soll­ten wir auch wieder einen Blick auf andere wissen­schaft­li­che Themen der vergan­ge­nen Zeit rich­ten, die wir im Kompakt Ophthal­mo­lo­gie vorge­stellt haben.

Eine inter­es­san­te Studie aus Bern um Kaya et al. berich­te­te im „Grae­fes Archi­ve“ in einer Studie mit 324 behand­lungs­nai­ven Pati­en­ten, dass eine VEGF-Thera­pie bei exsu­da­ti­ver AMD, welche mit Treat-and-Extend über 24 Monate behan­delt wurde, vergleich­ba­re funk­tio­nel­le Ergeb­nis­se erzielt – egal, ob die Pati­en­ten in einem Kran­ken­haus oder in einer Praxis behan­delt wurden. Ledig­lich die Anzahl der Konsul­ta­tio­nen war im Bereich der Praxen leicht erhöht. Diese Ergeb­nis­se demons­trie­ren den hohen Stan­dard der Versor­gung in allen Berei­chen der augen­ärzt­li­chen Versorgung.

Im Bereich der vitre­o­re­ti­na­len Chir­ur­gie kann die Bewer­tung von post­ope­ra­ti­ven Erfolgs­kri­te­ri­en manch­mal komplex sein. Eine Publi­ka­ti­on aus Kyoto von Mieno et al. gibt hier für die Thera­pie der idio­pa­thi­schen epire­ti­na­len Membran inter­es­san­te Hinwei­se. 42 Augen wurden in die Studie prospek­tiv einge­schlos­sen und der Verlauf nach chir­ur­gi­scher Entfer­nung unter­sucht. Die Mehr­zahl der Pati­en­ten zeigte eine deut­li­che Verbes­se­rung des funk­tio­nel­len Ergeb­nis­ses. Bei den Pati­en­ten ohne signi­fi­kan­ten Anstieg der best­kor­ri­gier­ten Sehschär­fe konnte aber eine Verbes­se­rung des Lese­vi­sus und der kriti­schen Print­grö­ße fest­ge­stellt werden. Daraus sollte für den Alltag folgen, dass auch ein Augen­merk auf diese Dinge gelegt wird, um post­ope­ra­ti­ve Erfol­ge besser herauszuarbeiten.

Im Bereich der Horn­haut möchte ich heute zwei Arbei­ten hervor­he­ben. Eine Arbeits­grup­pe aus Manches­ter um Sali­man et al. konnte erst­mals eine lange bestehen­de Vermu­tung bele­gen, dass weiche Tagess­lin­sen tatsäch­lich Entzün­dungs­re­ak­tio­nen im Bereich der Augen­ober­flä­che hervorrufen.

An 20 Proban­den konn­ten erhöh­te Cyto­ki­ne im Tränen­film sowie in der Impres­si­ons-Cyto­lo­gie und konfo­ka­len Mikro­sko­pie Entzün­dungs­zei­chen nach­ge­wie­sen werden.

Auf chir­ur­gi­schem Gebiet zeigt eine Arbeit um Fernán­dez-Vega-Cueto et al., dass die Femto-Lasik ein siche­res und präzi­se Verfah­ren zur Behand­lung von Refrak­ti­ons­feh­lern nach DMEK darstellt. Es wurden sieben Pati­en­ten 18 bis 36 Monate nach DMEK erfolg­reich behan­delt womit sich zeigt, dass auch in diesem Bereich der Trans­plan­tatchir­ur­gie Lasik erfolg­reich in Kombi­na­ti­on zum Nutzen von Pati­en­ten einge­setzt werden kann.

Abschlie­ßen möchte ich mit einem Beitrag über Deep Lear­ning, da dieser Bereich in Zukunft die Medi­zin wie kein zwei­ter beein­flus­sen wird. Mitani et al, Soft­ware Entwick­ler von Google Health, konn­ten ein auto­ma­ti­sier­tes Anämie-Scree­ning anhand von Fundus­fo­tos entwi­ckeln. Anhand von mehr als 11000 Studi­en­teil­neh­mern konnte nach­ge­wie­sen werden, dass ein Programm in der Lage ist, nicht nur eine Anämie zu erken­nen, sondern auch Rück­schlüs­se auf den Hämglo­bin­wert an sich zu liefern. Dies ist ein weite­rer Beweis dafür, wie künst­li­che Intel­li­genz unse­ren Alltag in Zukunft posi­tiv beein­flus­sen wird.

Es ist zu hoffen, dass Künst­li­che Intel­li­genz auch im Bereich der Epide­mio­lo­gie und Viro­lo­gie posi­ti­ve Entwick­lun­gen mit sich brin­gen wird.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen weiter viel Freude bei der Lektü­re von Kompakt Ophtalmologie.

Blei­ben Sie gesund.

Ihr Detlef Holland

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