Arzt-Patienten-Kommunikation als wichtiger Baustein für gute Diagnostik und Therapieeinleitung
Sehr geehrte Leserinnen und Leser von Kompakt Ophthalmologie,
„here comes the sun“ war der wunderbare Aufhänger des jüngsten Editorials von Professor Pleyer an dieser Stelle. Ein zeitloser Klassiker mit einer unglaublich positiven Message.
Leider kam es in der vergangenen Woche in Deutschland ganz anders. Starkregen führte zu katastrophalen Überschwemmungen, Zerstörung und Todesopfern. Natürlich soll und kann hier nicht eine Diskussion über die Ursachen und Fehler im Zusammenhang mit den Überflutungen geführt werden. Ich möchte aber in diesem Kontext aufgreifen, wie gut Vorbereitung und die richtige Einschätzung von Gefahren nach wie vor ist. Für uns Ärzte bedeutet dies immer auf dem richtigen Wissensstand zu sein. Sie als Leser von Kompakt Ophthalmologie gehen mit gutem Beispiel voran und sind immer an den neuesten Forschungsergebnissen interessiert. Sie können daher auch Ihre Patienten in besonderen Gefahrenlagen immer zeitgemäß behandeln.
Da uns bedauerlicherweise die Pandemie immer noch beschäftigt, möchte ich daher doch noch einmal dieses Thema aufgreifen und über neue Erkenntnisse im Zusammenhang mit COVID-19 und den damit verbundenen Impfmaßnahmen berichten.
Immunologische Reaktionen verschiedenster Art sind sowohl bei der eigentlichen COVID-19 Erkrankung, aber auch bei der Impfung von grundlegender Bedeutung. Wissen über die möglichen Einflussfaktoren und Krankheitsbilder ist daher bei dieser für uns immer noch neuen Erkrankung von Bedeutung. Im Juni berichteten so zum Beispiel Furer et al. über die Ergebnisse einer Multicenterstudie über die Immunantwort von Patienten mit rheumatischen Erkrankungen (AIIRD) auf die Corona-Impfung. Im Vergleich zur Kontrollgruppe zeigte sich eine signifikant schlechtere Immunantwort. Zu den Risikofaktoren für die reduzierte Immunität zählten das höhere Patientenalter sowie die Therapie mit Immunsuppressiva. Das langwirksame Rituximab stellte sich als Hauptrisikofaktor für eine seronegative Immunantwort dar. Obwohl die Nebenwirkungshäufigkeit in der erkrankten Gruppe höher war, blieb die Primärerkrankung im Kontrollintervall nach der Impfung erfreulicherweise stabil.
Im Bereich der Hornhauttransplantation gibt es bezüglich COVID-19 und der Impfung ebenfalls wichtige neue Beobachtungen. So kommen sowohl durch COVID-19 als auch durch die Impfung verstärkte Immunreaktionen nach Transplantaten vor. Natürlich handelt es sich hier nur um Falldemonstrationen, jedoch ist die Häufung ein wichtiges Indiz dafür, dass wir Augenärzte darüber informiert sein müssen und unser Transplantatpatienten entsprechend aufklären und ggf. auch nach einer Impfung enger monitoren sollten.
Auch im Bereich der Makula sind Fallbeschreibungen während COVID-19 und nach der Impfung wie akute Neuuroretinopathie (AMN) mit Sehminderung und Skotombildung besprieben worden.
Auch hier scheinen komplexe immunologische Vorgänge eine wichtige Rolle zu spielen, wie es auch z.B. beim multisystemischen inflammatorischen Syndrom (MIS) der Fall ist. MIS wurde erstmal 2020 beschrieben und ähnelt dem Kawasaki-Syndrom. Im April 2021 berichteten Ötzürk et al. über fünf Fälle von Kindern, welche nach COVID-19 eine akute bilaterale anteriore Uveits entwickelt haben. Da bei Kindern die Viruserkrankung in der Regel ja sehr milde verläuft, sollte aktuell bei einer unklaren Uveitis nach den Autoren folglich auch immer an dieses Krankheitsbild gedacht werden.
Wir könnten mit weiterer Literaturrecherche das Thema sicher noch deutlich mehr vertiefen, was den Rahmen hier jedoch sprengen würde. Auch im neurologischen Bereich kommt es zu zahlreichen möglichen Symptomen sowohl durch COVID-19 als auch, wenn natürlich selten, durch die notwendige Impfung. Wichtig ist es aber für uns Augenärzte, vor unklaren, neuartigen entzündlichen Erkrankungen gewarnt zu sein und gegebenenfalls immer an die beschriebenen Zusammenhänge zu denken.
Entfernen wir uns nun aber wieder von diesem Dauerthema. Mit der Hornhaut haben wir uns zuvor ja schon im Zusammenhang mit Transplantationen beschäftigt, der Fokus soll nun aber auf anderen Bereichen liegen. Gerade das Crosslinking hat in den vergangenen Jahren zu einer deutlichen Abnahme der Transplantationen bei Keratokonus geführt. Bedauerlicherweise kommt es aber immer noch zu Fällen, die spät detektiert werden und so dieser schonenden Therapie aufgrund der geringen stromalen Restdicke nicht mehr zugänglich sind. Hafezi et al. berichteten kürzlich im „American Journal of Ophthalmology“ über ein neues Protokoll für ultradünne Hornhäute. In einer retrospektiven Studie wurden 12-Monats-Daten von 39 Augen mit einer Hornhautdicke von bis zu 214 mm behandelt. Die Bestrahlung erfolgte mit 3 mW/cm2 und die Zeit wurde entsprechend individuell angepasst.
90% der Augen zeigten eine Stabilisierung und kein Auge wies trotz dünnem Reststroma eine endotheliale Dekompensation oder andere Komplikationen auf. Interessanterweise zeigte sich eine Korrelation zwischen der Tiefe der Demarkationslinie und der Dauer der Bestrahlung. Die Arbeit bestätigt, dass auch dünne Hornhäute bis 214 mm erfolgreich behandelt werden können und somit ein deutlich erweitertes Indikationsspektrum für die Therapie mittels Crosslinking besteht.
Aufgrund der modernen diagnostischen Möglichkeiten können auch das Hornhautepithel und sein Einfluss auf die Topographie immer besser analysiert werden. Auch das Stroma nach Entfernung des Epithels gelangt zunehmend in das Interesse von Hornhautchirurgen. Zhou et al. berichteten kürzlich im „Journal of Refractive Surgery“ über ihre Ergebnisse einer prospektiven Studie. Mittels Swept Source OCT wurde die Hornhaut vor und direkt nach Entfernung des Epithels vor PTK analysiert. Als Erkrankung lag eine Basalmembrandystrophie vor, die Kontrollgruppe bestand aus unauffälligen Augen. Das Stroma zeigte sich steiler, mehr prolate und hatte einen höheren Astigmatismus sowie höhere HOA. Diese Unterschiede ließen sich gut mit den Ergebnissen der Epitheldickenmessung korrelieren. Diese neue Messmethode könnte bei refraktiven Eingriffen für eine stromaler Topographie gesteuerte Behandlung genutzt werden, womit sich ganz neue Optionen ergeben.
Einleiten möchte ich das letzte Thema mit einem Wortspiel welches auf den Beginn des Editorials verweist: „here comes the glare“. Hamedani et al. berichteten in einer Studie über ihre Untersuchungen an Glaukompatienten mittels eines Glare-Testers und eines erweiterten VFQ-25 Fragebogens. Ziel war es, herauszufinden, ob Glaukompatienten damit herausgefiltert werden können und Korrelationen zum Gesichtsfeld und Visus bestehen. 116 Augen von 64 Patienten wurden analysiert. Es zeigte sich eine direkte Korrelation zwischen der Schwere des Glaukoms und der Beeinträchtigung der Sehfunktion durch Glare. Lediglich bei ausgeprägtem Glare war die Korrelation schwankend.
Sicherlich wird nicht jeder in seinem klinischen Alltag diesen Aufwand betreiben oder einen Glare-Tester zur Verfügung haben, gegebenenfalls können wir ja aber aus dieser Arbeit die Lehre ziehen, unsere Patienten mit Glaukom bzw. Glaukomverdacht einfach auch mal nach Glare zu befragen.
Die Kommunikation im Gespräch mit unseren Patienten ist und bleibt bei komplexen Geschehen wie den neuartigen immunologischen Vorgängen im Zusammenhang mit Corona aber auch beim altbekannten Glaukom ein wichtiger Baustein für eine gute Diagnostik und Therapieeinleitung.
In diesem Sinne wünsche Ich ihnen allen einen sonnigen und gesunden Sommer,
Ihr Detlef Holland