Arzt-Pati­en­ten-Kommu­ni­ka­ti­on als wich­ti­ger Baustein für gute Diagnos­tik und Therapieeinleitung

 

Dr. Detlef Holland, Heraus­ge­ber „Surgi­cal“ © Nord­blick GmbH

Sehr geehr­te Lese­rin­nen und Leser von Kompakt Ophthalmologie,

here comes the sun“ war der wunder­ba­re Aufhän­ger des jüngs­ten Edito­ri­als von Profes­sor Pleyer an dieser Stelle. Ein zeit­lo­ser Klas­si­ker mit einer unglaub­lich posi­ti­ven Message.

Leider kam es in der vergan­ge­nen Woche in Deutsch­land ganz anders. Stark­re­gen führte zu kata­stro­pha­len Über­schwem­mun­gen, Zerstö­rung und Todes­op­fern. Natür­lich soll und kann hier nicht eine Diskus­si­on über die Ursa­chen und Fehler im Zusam­men­hang mit den Über­flu­tun­gen geführt werden. Ich möchte aber in diesem Kontext aufgrei­fen, wie gut Vorbe­rei­tung und die rich­ti­ge Einschät­zung von Gefah­ren nach wie vor ist. Für uns Ärzte bedeu­tet dies immer auf dem rich­ti­gen Wissens­stand zu sein. Sie als Leser von Kompakt Ophthal­mo­lo­gie gehen mit gutem Beispiel voran und sind immer an den neues­ten Forschungs­er­geb­nis­sen inter­es­siert. Sie können daher auch Ihre Pati­en­ten in beson­de­ren Gefah­ren­la­gen immer zeit­ge­mäß behandeln.

Da uns bedau­er­li­cher­wei­se die Pande­mie immer noch beschäf­tigt, möchte ich daher doch noch einmal dieses Thema aufgrei­fen und über neue Erkennt­nis­se im Zusam­men­hang mit COVID-19 und den damit verbun­de­nen Impf­maß­nah­men berichten.

Immu­no­lo­gi­sche Reak­tio­nen verschie­dens­ter Art sind sowohl bei der eigent­li­chen COVID-19 Erkran­kung, aber auch bei der Impfung von grund­le­gen­der Bedeu­tung. Wissen über die mögli­chen Einfluss­fak­to­ren und Krank­heits­bil­der ist daher bei dieser für uns immer noch neuen Erkran­kung von Bedeu­tung. Im Juni berich­te­ten so zum Beispiel Furer et al. über die Ergeb­nis­se einer Multi­cen­ter­stu­die über die Immun­ant­wort von Pati­en­ten mit rheu­ma­ti­schen Erkran­kun­gen (AIIRD) auf die Corona-Impfung. Im Vergleich zur Kontroll­grup­pe zeigte sich eine signi­fi­kant schlech­te­re Immun­ant­wort. Zu den Risi­ko­fak­to­ren für die redu­zier­te Immu­ni­tät zähl­ten das höhere Pati­en­ten­al­ter sowie die Thera­pie mit Immun­sup­pres­si­va. Das lang­wirk­sa­me Ritu­xi­mab stell­te sich als Haupt­ri­si­ko­fak­tor für eine sero­ne­ga­ti­ve Immun­ant­wort dar. Obwohl die Neben­wir­kungs­häu­fig­keit in der erkrank­ten Gruppe höher war, blieb die Primär­erkran­kung im Kontroll­in­ter­vall nach der Impfung erfreu­li­cher­wei­se stabil.

Im Bereich der Horn­haut­trans­plan­ta­ti­on gibt es bezüg­lich COVID-19 und der Impfung eben­falls wich­ti­ge neue Beob­ach­tun­gen. So kommen sowohl durch COVID-19 als auch durch die Impfung verstärk­te Immun­re­ak­tio­nen nach Trans­plan­ta­ten vor. Natür­lich handelt es sich hier nur um Fall­de­mons­tra­tio­nen, jedoch ist die Häufung ein wich­ti­ges Indiz dafür, dass wir Augen­ärz­te darüber infor­miert sein müssen und unser Trans­plan­tat­pa­ti­en­ten entspre­chend aufklä­ren und ggf. auch nach einer Impfung enger moni­to­ren sollten.

Auch im Bereich der Makula sind Fall­be­schrei­bun­gen während COVID-19 und nach der Impfung wie akute Neuuro­re­ti­no­pa­thie (AMN) mit Sehmin­de­rung und Skotom­bil­dung besprie­ben worden. 

Auch hier schei­nen komple­xe immu­no­lo­gi­sche Vorgän­ge eine wich­ti­ge Rolle zu spie­len, wie es auch z.B. beim multi­sys­te­mi­schen inflamm­a­to­ri­schen Syndrom (MIS) der Fall ist. MIS wurde erst­mal 2020 beschrie­ben und ähnelt dem Kawa­sa­ki-Syndrom. Im April 2021 berich­te­ten Ötzürk et al. über fünf Fälle von Kindern, welche nach COVID-19 eine akute bila­te­ra­le ante­rio­re Uveits entwi­ckelt haben. Da bei Kindern die Virus­er­kran­kung in der Regel ja sehr milde verläuft, sollte aktu­ell bei einer unkla­ren Uvei­tis nach den Autoren folg­lich auch immer an dieses Krank­heits­bild gedacht werden.

Wir könn­ten mit weite­rer Lite­ra­tur­re­cher­che das Thema sicher noch deut­lich mehr vertie­fen, was den Rahmen hier jedoch spren­gen würde. Auch im neuro­lo­gi­schen Bereich kommt es zu zahl­rei­chen mögli­chen Sympto­men sowohl durch COVID-19 als auch, wenn natür­lich selten, durch die notwen­di­ge Impfung. Wich­tig ist es aber für uns Augen­ärz­te, vor unkla­ren, neuar­ti­gen entzünd­li­chen Erkran­kun­gen gewarnt zu sein und gege­be­nen­falls immer an die beschrie­be­nen Zusam­men­hän­ge zu denken.

Entfer­nen wir uns nun aber wieder von diesem Dauer­the­ma. Mit der Horn­haut haben wir uns zuvor ja schon im Zusam­men­hang mit Trans­plan­ta­tio­nen beschäf­tigt, der Fokus soll nun aber auf ande­ren Berei­chen liegen. Gerade das Cross­lin­king hat in den vergan­ge­nen Jahren zu einer deut­li­chen Abnah­me der Trans­plan­ta­tio­nen bei Kera­to­konus geführt. Bedau­er­li­cher­wei­se kommt es aber immer noch zu Fällen, die spät detek­tiert werden und so dieser scho­nen­den Thera­pie aufgrund der gerin­gen stroma­len Rest­di­cke nicht mehr zugäng­lich sind. Hafezi et al. berich­te­ten kürz­lich im „Ameri­can Jour­nal of Ophthal­mo­lo­gy“ über ein neues Proto­koll für ultra­dün­ne Horn­häu­te. In einer retro­spek­ti­ven Studie wurden 12-Monats-Daten von 39 Augen mit einer Horn­haut­di­cke von bis zu 214 mm behan­delt. Die Bestrah­lung erfolg­te mit 3 mW/cm2 und die Zeit wurde entspre­chend indi­vi­du­ell angepasst.

90% der Augen zeig­ten eine Stabi­li­sie­rung und kein Auge wies trotz dünnem Rest­stroma eine endo­the­lia­le Dekom­pen­sa­ti­on oder andere Kompli­ka­tio­nen auf. Inter­es­san­ter­wei­se zeigte sich eine Korre­la­ti­on zwischen der Tiefe der Demar­ka­ti­ons­li­nie und der Dauer der Bestrah­lung. Die Arbeit bestä­tigt, dass auch dünne Horn­häu­te bis 214 mm erfolg­reich behan­delt werden können und somit ein deut­lich erwei­ter­tes Indi­ka­ti­ons­spek­trum für die Thera­pie mittels Cross­lin­king besteht.

Aufgrund der moder­nen diagnos­ti­schen Möglich­kei­ten können auch das Horn­haut­epi­thel und sein Einfluss auf die Topo­gra­phie immer besser analy­siert werden. Auch das Stroma nach Entfer­nung des Epithels gelangt zuneh­mend in das Inter­es­se von Horn­haut­chir­ur­gen. Zhou et al. berich­te­ten kürz­lich im „Jour­nal of Refrac­ti­ve Surgery“ über ihre Ergeb­nis­se einer prospek­ti­ven Studie. Mittels Swept Source OCT wurde die Horn­haut vor und direkt nach Entfer­nung des Epithels vor PTK analy­siert. Als Erkran­kung lag eine Basal­mem­bran­dy­stro­phie vor, die Kontroll­grup­pe bestand aus unauf­fäl­li­gen Augen. Das Stroma zeigte sich stei­ler, mehr prola­te und hatte einen höhe­ren Astig­ma­tis­mus sowie höhere HOA. Diese Unter­schie­de ließen sich gut mit den Ergeb­nis­sen der Epithel­di­cken­mes­sung korre­lie­ren. Diese neue Mess­me­tho­de könnte bei refrak­ti­ven Eingrif­fen für eine stroma­ler Topo­gra­phie gesteu­er­te Behand­lung genutzt werden, womit sich ganz neue Optio­nen ergeben.

Einlei­ten möchte ich das letzte Thema mit einem Wort­spiel welches auf den Beginn des Edito­ri­als verweist: „here comes the glare“. Hame­da­ni et al. berich­te­ten in einer Studie über ihre Unter­su­chun­gen an Glau­kom­pa­ti­en­ten mittels eines Glare-Testers und eines erwei­ter­ten VFQ-25 Frage­bo­gens. Ziel war es, heraus­zu­fin­den, ob Glau­kom­pa­ti­en­ten damit heraus­ge­fil­tert werden können und Korre­la­tio­nen zum Gesichts­feld und Visus bestehen. 116 Augen von 64 Pati­en­ten wurden analy­siert. Es zeigte sich eine direk­te Korre­la­ti­on zwischen der Schwe­re des Glau­koms und der Beein­träch­ti­gung der Sehfunk­ti­on durch Glare. Ledig­lich bei ausge­präg­tem Glare war die Korre­la­ti­on schwankend.

Sicher­lich wird nicht jeder in seinem klini­schen Alltag diesen Aufwand betrei­ben oder einen Glare-Tester zur Verfü­gung haben, gege­be­nen­falls können wir ja aber aus dieser Arbeit die Lehre ziehen, unsere Pati­en­ten mit Glau­kom bzw. Glau­kom­ver­dacht einfach auch mal nach Glare zu befragen.

Die Kommu­ni­ka­ti­on im Gespräch mit unse­ren Pati­en­ten ist und bleibt bei komple­xen Gesche­hen wie den neuar­ti­gen immu­no­lo­gi­schen Vorgän­gen im Zusam­men­hang mit Corona aber auch beim altbe­kann­ten Glau­kom ein wich­ti­ger Baustein für eine gute Diagnos­tik und Therapieeinleitung.

In diesem Sinne wünsche Ich ihnen allen einen sonni­gen und gesun­den Sommer,

Ihr Detlef Holland

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