Feucht­ge­bie­te“ im Blick: Maku­la­ödem bei Diabe­tes und Uvei­tis – Fort­schrit­te, Risi­ken und neue Möglichkeiten

 

 

Prof. Dr. med. Uwe Pleyer

 


Liebe Kolle­gin­nen und Kollegen,

das Maku­la­ödem (ME) bleibt eine der häufigs­ten Ursa­chen für Sehver­schlech­te­rung bei reti­na­len Erkran­kun­gen wie diabe­ti­scher Reti­no­pa­thie (DR), Uvei­tis oder reti­na­lem Venen­ver­schluss. Grund genug, um einen Blick auf aktu­el­le Arbei­ten zu poten­zi­el­len Risi­ken, mole­ku­lar­bio­lo­gi­schen Biomar­kern, KI-gestütz­ter Diagnos­tik und klinisch rele­van­ten Thera­pie­an­sät­zen zu werfen.

Sie gene­rie­ren Milli­ar­den Umsät­ze und waren 2024 die umsatz­stärks­te Medi­ka­ti­on in Deutsch­land: die Rede ist von GLP-1-Rezep­to­r­ago­nis­ten (GLP‑1 RAs). Ursprüng­lich wurden sie zur Behand­lung des Typ-2-Diabe­tes entwi­ckelt, haben sich aber darüber hinaus – vor allem auch als Wirk­stoff zur Gewichts­re­duk­ti­on – Aufmerk­sam­keit verschafft. Sie senken den Blut­zu­cker­spie­gel, indem sie die Insu­lin­se­kre­ti­on erhö­hen und die Glukagon­se­kre­ti­on verrin­gern. Obwohl sie viele Vortei­le bieten, gibt es Risi­ken und Neben­wir­kun­gen.  Bereits kurz nach Einfüh­rung von Semaglut­id als erstem GLP-1-RA im Jahr 2016 wurde der Verdacht auf uner­wünsch­te Effek­te bei vorbe­stehen­der diabe­ti­scher Reti­no­pa­thie (PDR) oder ME geäu­ßert. Dies schien zunächst para­dox, da GLP-1-Rezep­to­ren in den Gangli­en­zel­len der Retina und dem zentra­len Nerven­sys­tem vorlie­gen und daher ein eher neuro­pro­tek­ti­ver Effekt zu erwar­ten wäre. Ande­rer­seits wurde vermu­tet, dass die schnel­le Blut­zu­cker­kon­trol­le und der rasche Gewichts­ver­lust die bereits gestör­te Gefäß­per­mea­bi­li­tät weiter verstär­ken könn­ten. Seit­dem erschie­nen mehre­re Studi­en mit kontro­vers bewer­te­tem Ausgang. Daher wundert es nicht, dass sich gleich mehre­re groß ange­leg­te Analy­sen diesem Thema widmen. Bark­mei­er et al. stel­len eine verglei­chen­de Studie mit mehr als 90.000 erfass­ten Perso­nen vor, die unter­schied­li­che GLP-1-RAs (Semaglut­id, Dulaglut­id, Liraglut­id, Exena­tid) erfass­te. Als Endpunk­te wurde ein behand­lungs­be­dürf­ti­ges ME und/oder eine PDR gewählt. Die Autoren konn­ten zwar Unter­schie­de zwischen den genann­ten Substan­zen fest­stel­len, aller­dings wurde kein allge­mein erhöh­tes Risiko belegt. Ein ähnli­ches Resü­mee ziehen Ramsey et al. aktu­ell in „JAMA Network Open“. Auch hier wurde der Frage nach Risi­ken für ein diabe­ti­sches ME durch GLP-1-RAs nach­ge­gan­gen. Die Forschen­den erwei­ter­ten den Fokus aller­dings noch in Hinblick auf das Auftre­ten einer ante­rio­ren ischä­mi­schen Opti­kus­neu­ro­pa­thie (AION). In klei­nen Fall­se­ri­en war zuvor auf einen mögli­chen Zusam­men­hang hinge­wie­sen worden. Die Auswer­tung von mehr als 180.000 Daten­sät­zen konnte nun sowohl bezüg­lich des diabe­ti­schen ME als auch der AION kein signi­fi­kant erhöh­tes Risiko ermit­teln. Resü­mee: Strik­te Routi­ne­kon­trol­len schei­nen nicht zwin­gend bei der Behand­lung mit GLP-1-RAs ange­zeigt. Aller­dings weisen beide Autoren Teams darauf hin, dass ihre Analy­sen aufgrund unter­schied­li­cher Befund­er­he­bung und Such­kri­te­ri­en limi­tiert sind. Insbe­son­de­re bei bereits bestehen­der Reti­no­pa­thie empfeh­len sie, die Pati­en­ten entspre­chend über Risi­ken zu infor­mie­ren und ophthal­mo­lo­gi­sche Kontrol­len vor allem bei Thera­pie­ein­lei­tung durchzuführen.

Dass Prosta­glan­din-Analoga, die zur Glau­kom­the­ra­pie einge­setzt werden, in selte­nen Fällen ein ME auslö­sen können, ist seit Länge­rem bekannt. Bei klas­si­schen PG-F-Rezep­tor-Analoga (Latanoprost, Travo­prost oder Bima­to­prost) betrifft dies vor allem pseu­do­pha­ke oder aphake Augen, während es bei phaken Augen sehr selten ist. Dies könnte bei Omiden­e­pag Isopro­pyl (OMDI), einem selek­ti­ven EP2‑Rezeptor‑Agonisten, anders sein. Darauf weisen zwei aktu­el­le Beiträ­ge in „JAMA Ophthal­mo­log“ hin. Cheng und Mitar­bei­ter beob­ach­te­ten bei 8 von 86 phaken Glau­kom­pa­ti­en­ten unter OMDI ein ME. Bei allen Augen war in der Vergan­gen­heit eine Trabe­kulek­to­mie erfolgt. In einem Kommen­tar zu dieser Studie wird auf das EP2-Rezep­tor­pro­fil einge­gan­gen und vermu­tet, dass OMDI durch den voran­ge­gan­ge­nen Eingriff besser den hinte­ren Augen­ab­schnitt erreicht. In Japan und eini­gen asia­ti­schen Ländern, in denen OMDI bereits vor länge­rer Zeit zuge­las­sen wurde, ist der Wirk­stoff bei Pseudophakie/Aphakie kontra­in­di­ziert; in den USA wird vor Anwen­dung bei diesen Risi­ko­grup­pen gewarnt. Schluss­fol­ge­rung: Das abso­lu­te Risiko für ein ME ist insge­samt nied­rig, kann bei OMDI aber in bestimm­ten Konstel­la­tio­nen auch bei phaken Pati­en­ten rele­vant sein.

Die hier genann­ten Studi­en stel­len einmal mehr heraus, wie wich­tig die Früh­erken­nung des ME unab­hän­gig von der Genese ist. Inter­es­sant ist in diesem Zusam­men­hang die Beob­ach­tung, dass unter bestimm­ten Umstän­den auch sero­lo­gi­sche Marker einen Hinweis bieten können. Dies postu­lie­ren Lin et al. in der aktu­el­len Ausga­be von „Fron­tiers in Neuro­lo­gy“. Sie unter­such­ten die Korre­la­ti­on zwischen Serum-miRNA-Expres­si­ons­pro­fi­len und dem Ausmaß des ME bei RVO-Pati­en­ten. Die Ergeb­nis­se zeigen, dass bestimm­te miRNAs mit dem Schwe­re­grad des Ödems korre­lie­ren. Für uns zunächst nahe­lie­gen­der und prak­ti­ka­bler blei­ben sicher­lich bild­ge­ben­de Verfah­ren – allen voran Merk­ma­le, die im OCT erkenn­bar sind. Dazu einige inter­es­san­te neue Erkennt­nis­se: In der August-Ausga­be von „PLoS One“ konn­ten Dela­va­ri et al. mittels Künst­li­cher Intel­li­genz (KI) geschlechts­spe­zi­fi­sche Unter­schie­de bei DR/DME heraus­stel­len. Da Frauen in dieser Unter­su­chung auch ein signi­fi­kant erhöh­tes Risiko für ein ME aufwie­sen, halten die Autoren dies für die Früh­erken­nung für wich­tig. Ob dies zutrifft und zur perso­na­li­sier­ten Behand­lung beiträgt, bleibt abzu­war­ten. Diese zurück­hal­ten­de Einstel­lung ist ange­bracht in Hinblick auf die eher ernüch­tern­de Meta­ana­ly­se von Nanji K et al. zu OCT-Biomar­kern bei diabe­ti­schem ME. Sie fassen die bishe­ri­gen Beob­ach­tun­gen aus 27 Studi­en zusam­men, in denen 75 (!) OCT-Biomar­ker unter­sucht wurden. Es konnte kein singu­lä­res Merk­mal mit hoher Sicher­heit als prädik­tiv mit der Progno­se oder Verän­de­rung der Sehschär­fe heraus­ge­stellt werden. Als gerade einmal „mäßig“ wurden die Ausgangs­be­fun­de hyper­re­fle­xi­ve reti­na­le oder choro­ida­le Herde, DRILs oder gestör­te Ellip­so­id Zone für eine nega­ti­ve Progno­se bewer­tet. Kritisch merken die Autoren an, dass eine stär­ke­re Stan­dar­di­sie­rung und Klas­si­fi­zie­rung von OCT-Befun­den zu fordern ist, sowie Stör­va­ria­blen besser kontrol­liert werden sollten.

Abschlie­ßend noch aktu­el­les zur Thera­pie des ME. Der Trend in der Behand­lung des ME bei Diabe­tes ist klar: Die intra­vit­rea­le anti-VEGF-Gabe ist Gold­stan­dard. Dosis, Dauer und Dees­ka­la­ti­on stehen im Mittel­punkt aktu­el­ler Entwick­lun­gen. Weni­ger Aufmerk­sam­keit erfährt dage­gen die Behand­lung des ME bei Uvei­tis. Stero­ide (peri­bul­bär, intra­vit­re­al oder syste­misch) blei­ben das Rück­grat der Uvei­ti­s­the­ra­pie. Die Vor- und Nach­tei­le sind bekannt.  Bishe­ri­ge Anwen­dun­gen von intra­vit­rea­len Anti-VEGF-Präpa­ra­ten führ­ten bisher zu inkon­sis­ten­ten Ergeb­nis­sen. Mögli­cher­wei­se zu Unrecht, wie Lin et al. zeigen: Ein Sarko­ido­se­pa­ti­ent mit mehr­fach thera­pie­re­frak­tä­rem zysto­iden ME konnte durch Fari­ci­mab erfolg­reich behan­delt werden. Das Pati­en­ten­bei­spiel legt nahe, dass die vasku­lä­re Stabi­li­sie­rung über bispe­zi­fi­sche Ang 2/VEGF-Hemmung auch bei über­wie­gend inflamm­a­to­ri­schem Ödem wirk­sam eingrei­fen kann. Da dies ledig­lich eine kasu­is­ti­sche Mittei­lung betrifft und off-label erfolg­te, wird es weiter­hin Einzel­an­wen­dun­gen vorbe­hal­ten blei­ben. Dage­gen sind Stero­id­im­plan­ta­te weiter im Vormarsch. Eine wich­ti­ge Erwei­te­rung im Spek­trum der Indi­ka­tio­nen beschrei­ben unsere portu­gie­si­schen Kolle­gen. Sie verwen­de­ten bei post­chir­ur­gi­schem, thera­pie­re­frak­tä­rem ME das lang­fris­tig wirk­sa­me Fluocinolonacetonid(FAc)-Implant. Bei allen acht Pati­en­ten waren Vorbe­hand­lun­gen mit topi­schen Korti­kos­te­ro­iden, Triamci­no­lon-Injek­ti­on oder Dexa­me­tha­son-Implan­tat nicht lang­fris­tig wirk­sam gewe­sen. Bei nahezu allen Betrof­fe­nen konnte der Visus signi­fi­kant verbes­sert und über 36 Monate erhal­ten werden. Es wurden keine auffäl­li­gen Sicher­heits­da­ten berichtet.

Der „Diabe­tic Macu­lar Edema Pipe­line Outlook Report“ (Delv­eIn­sight, August 2025) zeigt, dass derzeit über 45 Unter­neh­men an mehr als 50 inno­va­ti­ven Produk­ten arbei­ten. Mit dieser viel­ver­spre­chen­den Perspek­ti­ve verab­schie­den wir uns in die Spätsommerzeit.

Ihr Uwe Pleyer und das Team von KOMPAKT OPHTHALMOLOGIE

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