BIERMANN – Burlington (USA). In einer aktuellen Kohortenstudie mit Typ-2-Diabetikern hat sich gezeigt, dass der Einsatz von Glucagon-like Peptide-1-Rezeptoragonisten (GLP‑1 RAs) mit einem leicht erhöhten Risiko für eine neu auftretende diabetische Retinopathie (DR) einhergeht. Allerdings, so schreiben die Verfasser der Arbeit auch, hätten weniger Patienten unter GLP-1-RAs DR-Komplikationen erlitten, die ihr Sehvermögen gefährdeten. Dies sei sogar bei denjenigen zu beobachten gewesen, bei denen bereits vor der Therapie mit GLP-1-RAs eine DR bestanden hatte.
Nach Ansicht der Studienautoren lassen diese Forschungsergebnisse die Schlussfolgerung zu, dass alle Typ-2-Diabetiker, die GLP-1-RAs erhalten, regelmäßig daraufhin gescreent und beobachtet werden sollten, ob sich Diabeteskomplikationen entwickeln.
Wie Erstautor David J. Ramsey von der Chan–Lahey School of Medicine der University of Massachusetts und Kollegen in „JAMA Open Network“ schreiben, sind GLP-1-RAs mit einem erhöhten Risiko für eine DR und eine nichtarteriitische anteriore ischämische Optikusneuropathie (NAION) assoziiert. Das Risiko sehkraftbedrohender Komplikationen im Zusammenhang mit GLP-1-RAs sei aber unzureichend erforscht. Das Wissenschaftlerteam untersuchte daher in einer retrospektiven Kohortenstudie an >185.000 Personen, ob es bei Typ-2-Diabetikern einen Zusammenhang zwischen der Anwendung von GLP-1-RAs und der Entwicklung von DR‑, NAION- oder DR-Komplikationen gibt.
Die untersuchte Kohorte bildeten Erwachsene (Alter ≥18 Jahren) mit Typ-2-Diabetes und einem aktuellen Hämoglobin-A1c-Wert von ≥6,5%, zu denen sich im Zeitraum 01.01.2015–30.09.2022 Informationen in der TriNetX-Datenbank befanden. Man teilte die Kohorte in 2 Gruppen ein – adjustiert anhand der Ausgangsmerkmale mittels Neigungs-Score-Matching (PSM) –, basierend darauf, ob die Personen Rezepte für ein GLP-1-RA erhalten hatten oder nicht. Als Exposition waren ≥2 Verschreibungen eines GLP-1-RA im Abstand von 6 Monaten definiert.
Nach dem PSM ermittelten die Studienautoren für 185.066 Personen (mittleres Alter 59,0 [SD 12,5] Jahre; 93.389 Frauen [50,5%]) eine Verschreibung von GLP-1-RAs. Die Verwendung dieser Medikamente war mit einer erhöhten DR-Inzidenz assoziiert (HR 1,07; 95%-KI 1,03–1,11), während die Wissenschaftler beim Risiko für eine NAION kein statistisch signifikanter Unterschied beobachteten (HR 1,26; 95%-KI 0,94–1,70).
In einer Untergruppenanalyse von 32.695 Patienten mit vorbestehender DR waren GLP-1-RAs nicht mit der Progression zu proliferativer DR (HR 1,06 ;95%-KI 0,97–1,15) oder diabetischem Makulaödem (HR 0,98; 995%-KI 0,95–1,01) verbunden, jedoch mit einem geringeren Auftreten von Blutungen in den Glaskörper (HR 0,74; 95%-KI 0,68–0,80), neovaskulärem Glaukom (HR 0,78; 95%-KI 0,68–0,88) oder Blindheit (HR 0,77; 95%-KI 0,73–0,82).
(ac)