Stagna­ti­on:  Kontra­pro­duk­tiv für Forschung und Versorgung

Dr. Detlef Holland, Heraus­ge­ber „Surgi­cal“ © Nord­blick GmbH

Liebe Lese­rin­nen und Leser,

Profes­sor Pleyer über­schrieb sein jüngs­tes Edito­ri­al mit „Neue Norma­li­tät!?“. Und ich finde es sehr gut, wie er über die Verän­de­run­gen in den Pati­en­ten­strö­men während des Lock­downs berich­tet hat. Nur: Darf dies unsere „Neue Norma­li­tät“ werden? Wohl kaum. Für mich gehört der Begriff auf Platz eins für die Nomi­nie­rung des Unwor­tes des Jahres 2020. Die zurzeit bestehen­de Situa­ti­on ist keine Norma­li­tät, da sie stän­dig kurz­fris­tig ange­passt wird. Die Poli­tik reagiert – sie plant nicht! Dies führt in vielen Berei­chen unse­res Lebens zu Stagna­ti­on! Verlang­sa­mung von Entwick­lung ist aber für die Mensch­heit kontra­pro­duk­tiv, denn wir müssen uns in allen Berei­chen weiter­ent­wi­ckeln, um die großen Fragen unse­rer Zeit beant­wor­ten zu können. Viele Univer­si­tä­ten können ihre klini­schen Studi­en nicht mehr adäquat durch­füh­ren, da noch immer nicht die alte Norma­li­tät einge­kehrt ist. 80% weni­ger Kata­rak­t­ope­ra­tio­nen im ersten Halb­jahr 2020 in Deutsch­land können auch nicht Ziel einer guten medi­zi­ni­schen Versor­gung sein. In diesem Sinne wünsche ich uns allen, dass wir gemein­sam bald die Situa­ti­on über­stan­den haben und uns wieder voll­stän­dig den rele­van­ten, posi­ti­ven Dingen unse­res Berufs­le­bens zuwen­den können.

In diesem Sinne möchte ich auf einige span­nen­de Veröf­fent­li­chun­gen hinweisen.

Chon­gyang She et al. berich­ten in einer Studie über die Diabe­ti­sche Reti­no­pa­thie (DR), dass eine unzu­rei­chen­de Aufnah­me von Anti­oxi­d­an­zi­en in der Nahrung mit dem Beginn und der Progres­si­on einer DR asso­zi­iert sein kann. Die Wissen­schaft­ler aus Peking und Boston konn­ten in einer Quer­schnitts­stu­die mit 455 Proban­den beob­ach­ten, dass die Aufnah­me von Anti­oxi­d­an­zi­en über die Nahrung, insbe­son­de­re von Vitamin E und Selen, protek­ti­ve Effek­te auf eine DR hat. Dieser Zusam­men­hang ist zurzeit auch hoch­in­ter­es­sant, da auch bei COVID-19 posi­ti­ve Effek­te u. a. auf das Immun­sys­tem durch Vitamin D und Spuren­ele­men­te wie Zink beob­ach­tet werden.

Wie wich­tig eine zügige Thera­pie­ein­lei­tung ist bzw. wie nega­tiv sich Verzö­ge­run­gen wie z. B. durch den Lock­down auswir­ken können, zeigte eine Studie aus Auck­land (Neusee­land) über die Progres­si­on in der Warte­zeit zwischen Diagno­se­stel­lung und Thera­pie. Bei 38 von insge­samt 96 Augen kam es in der durch­schnitt­li­chen Warte­zeit von 153+/-101 Tagen zu einer Progres­si­on des Kera­to­ko­nus. Es fanden sich signi­fi­kan­te Unter­schie­de in den präope­ra­ti­ven topo­gra­phi­schen Para­me­tern wie dem Ober­flä­chen­va­ria­ti­ons-Index, der verti­ka­len Asym­me­trie, dem Kera­to­ko­nus-Index und dem Index der Höhen-Dezen­trie­rung. Andere wich­ti­ge Para­me­ter wie u. a. die Horn­haut­di­cke zeig­ten aber keine Progression.

Und auch im Bereich des Glau­koms stimmt der Satz: Ever­ything is connec­ted! Marshall et al. aus Adelai­de (Austra­li­en) konn­ten einen Zusam­men­hang zwischen Herz-Kreis­lauf Erkran­kun­gen und einer Glau­kom Progres­si­on im frühen Stadi­um nach­wei­sen. In der prospek­ti­ven Kohor­ten­stu­die PROGRESSA an 1314 Pati­en­ten konnte ein Zusam­men­hang mit einer Erhö­hung des Blut­drucks und einer Progres­si­on im SD-OCT der Humphrey-Gesichts­feld­ana­ly­se nach­ge­wie­sen werden. Hyper­to­nus und eine anti­hy­per­ten­si­ve Thera­pie ließen sich als nega­ti­ve Fakto­ren nachweisen.

Unter dem Motto: „Keep it simple” möchte ich zum Abschluss meines Edito­ri­als auf eine Arbeit zu Intrao­ku­lar­lin­sen von Vinci­guer­ra R et al. aus Mailand (Itali­en) hinwei­sen. Im „Jour­nal of Cata­ract & Refrac­ti­ve Surge­ry” berich­ten die Autoren über eine prospek­ti­ve, verglei­chen­de Studie an jeweils 30 Proban­den. Ziel war es die Zufrie­den­heit und den binoku­la­ren Inter­me­di­ärvi­sus zu verglei­chen. Die eine Gruppe hatte eine Ziel­re­frak­ti­on von ‑0,5 dpt, die andere von Emme­tro­pie. Der Inter­me­di­ärvi­sus war in der zwei­ten Gruppe signi­fi­kant besser, ebenso der subjek­ti­ve Nah- und Inter­me­di­ärvi­sus sowie die Brillenfreiheit.

Die Arbeit zeigt, wie ohne hohen Kosten­auf­wand für den Pati­en­ten eine signi­fi­kan­te Verbes­se­rung im Alltag erzielt werden kann. Wir soll­ten folg­lich bei jeder Kata­rak­t­ope­ra­ti­on immer mit den Pati­en­ten ihre indi­vi­du­el­len Bedürf­nis­se bespre­chen und nicht verges­sen, dass eine kleine Kurs­än­de­rung weg vom gewohn­ten Fahr­was­ser für den Pati­en­ten einen großen Gewinn mit sich brin­gen können.

In diesem Sinne wünscht Ihnen das ganze Team von Kompakt Ophtahl­mo­lo­gie einen golde­nen Oktober.

Ihr Detlef Holland

P.S.: Das späte Erschei­nen des Okto­ber-Edito­ri­als bitte ich aufgrund meine persön­li­chen Kurs­än­de­rung in Rich­tung eines neuen augen­ärzt­li­chen Hafens meiner­seits mit meinem neuen Augenzentrum.ONE zu entschuldigen.

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