Schnel­ler – höher – weiter…?

 

Dr. Detlef Holland, Heraus­ge­ber „Surgi­cal“ © privat

Liebe Lese­rin­nen und Leser von Kompakt Ophthalmologie,

schön, dass Sie auch im Jahr 2022 wieder Inter­es­se an diesem infor­ma­ti­ven Format der Online-Fort­bil­dung haben. Und glück­li­cher­wei­se fällt es nicht schwer, Sie aufgrund der rasan­ten Entwick­lung immer wieder mit inter­es­san­ten Updates zu versorgen.

Betrach­ten wir unsere moder­ne Welt und den Zeit­geist, so geht es häufig immer mehr um das Errei­chen von neuen Rekor­den im Sinne von „schnel­ler, höher, weiter“. Egal ob in der Wirt­schaft, dem Sport oder im sozia­len Leben. Oftmals ist hier aber mehr Schein als Sein ange­sagt, insbe­son­de­re in der Social-Media-Welt, die ja einen immer größe­ren Stel­len­wert in unse­rer Zeit einnimmt. Auch wir Ärzte kommen aus Marke­ting-Grün­den, egal wie kritisch wir diese Entwick­lung auch immer sehen mögen, nicht mehr an dieser Welt vorbei. Heute gehö­ren eine Websei­te, der Face­book- und Insta­gram-Account oder Jameda einfach zu einer moder­nen Praxis dazu. Auch für unsere beruf­li­che Vernet­zung und die Suche von Mitar­bei­tern sind Platt­for­men wie LinkedIn nicht mehr wegzudenken. 

Betrach­ten wir aber unser Fach­ge­biet und eine gute evidenz­ba­sier­te Medi­zin, so geht es hier um wissen­schaft­lich beleg­te Thera­pien, bei denen es zum Glück immer mehr um „klei­ner, weni­ger und effek­ti­ver“ geht. Von dieser Entwick­lung profi­tiert insbe­son­de­re die Glau­kom­chir­ur­gie immer mehr. Viele Kolle­gen können sich noch an die Zeit erin­nern, in der die fistu­lie­ren­de Sicker­kis­sen­ope­ra­ti­on mit Mito­my­cin C prak­tisch der Gold­stan­dard in der opera­ti­ven Behand­lung des Glau­koms war. Inner­halb einer Genera­ti­on hat sich aber eine Viel­zahl neuer Optio­nen entwi­ckelt. Neben den Drai­na­ge-Implan­ta­ten nach Baer­feld und Ahmed oder den Laser­ein­grif­fen wie der CPC und der SLT sind natür­lich die verschie­de­nen Möglich­kei­ten der mikro­in­va­si­ven Glau­kom­chir­ur­gie beson­ders hervor­zu­he­ben. Diese Thera­pien zielen auf eine Verbes­se­rung des trabe­ku­lä­ren Abflus­ses, verbes­sern den supra­choro­ida­len Ausfluss, erzeu­gen subkon­junk­ti­va­le Filter­kis­sen oder redu­zie­ren die Kammer­was­ser­pro­duk­ti­on. Viele dieser neuar­ti­gen Proze­du­ren beinhal­ten die Einbrin­gung eines Implan­ta­tes wie z.B. der ISTent, Hydrus, Ex-PRESS, Xen oder das PRESERFLO. Andere Verfah­ren wie die Opera­ti­on mit dem Kahook Dual Blade, die ab inter­no Kanalo­plas­tik, die trans­lu­mi­na­le Trabe­ku­lo­to­mie oder das OMNI-Verfah­ren kommen ohne ein Implan­tat aus. Insbe­son­de­re bei engem Kammer­win­kel und posi­ti­vem Mydria­sis­test wird auch die Kata­rak­t­ope­ra­ti­on heute als sinn­vol­ler Pfeil im Köcher der opera­ti­ven Glau­kom­ver­fah­ren ange­se­hen. Noch nie gab es so viele unter­schied­li­che Verfah­ren und lang­sam fällt es schwer den Über­blick zu behal­ten. Zu diesen Themen empfeh­len wir daher die Lektü­re zweier gerade bzw. kürz­lich erschie­ne­ner Reviews: Den von Lim R. in „Clini­cal & Expe­ri­men­tal Ophthal­mo­lo­gy” (Januar 2022) und den von Perei­ra ICF et al. in „Eye” aus dem Juni 2021. 

Natür­lich zeich­nen sich die zahl­rei­chen neuen Verfah­ren durch unter­schied­li­che Effi­zi­enz und unter­schied­li­che Risi­ko­pro­fi­len aus, und länger­fris­ti­ge Erfah­run­gen sowie weite­re Studi­en werden ihren endgül­ti­gen Stel­len­wert zeigen. Zur Sicher­heit des Preser­flo konn­ten Ahmed et al. aus Japan in einer neu erschie­nen Lang­zeit­stu­die neue Ergeb­nis­se berich­ten. Auch wenn die Fall­zahl mit 8 Augen gering war, so war der Nach­be­ob­ach­tungs­zeit­raum mit im Mittel 68 Mona­ten sehr lang, und es konnte eine gute Druck­sen­kung bei gerin­gem Neben­wir­kungs­pro­fil gezeigt werden.

In einer ande­ren kürz­lich veröf­fent­li­chen Fall­stu­die im „Ameri­can Jour­nal of Ophthal­mo­lo­gy” zeig­ten Chamard et al. aber, dass auch beim Preser­flo bzgl. des Endo­thel ein Risiko bestehen kann. Die Sicher­heit kann auch bei diesem Mikro­sh­unt, wie es sich auch bei ande­ren Implan­ta­ten in der Vorder­kam­mer gezeigt hat, proble­ma­tisch sein. In 2 Fällen demons­trie­ren die Autoren, dass durch Berüh­rung des Endo­thels oder Entzün­dung ein Endo­thel­ver­lust auftre­ten kann, welcher eine Explan­ta­ti­on notwen­dig macht. Es scheint daher wich­tig zu sein, dass gerade bzgl. der Endo­thel­be­rüh­rung die Opera­tio­nen durch erfah­re­ne Chir­ur­gen durch­ge­führt werden und das Follow up gewis­sen­haft erfolgt. Sonst kann durch falsche Anwen­dung mögli­cher­wei­se eine sehr gute Tech­nik schnell durch inkor­rek­te Anwen­dung in ein falsches Licht gerückt werden und zur Rück­nah­me vom Markt führen, wie es beim CyPass der Fall war.

Mit einer etwas aufwen­di­ge­ren Opera­ti­ons­me­tho­de beschäf­tig­ten sich Toneat­to et al. Sie unter­such­ten die Ergeb­nis­se nach ab inter­no Mikro­ka­the­te­ri­sie­rung und 360° Visco­dil­la­ta­ti­on des Schlemm­schen Kanals bei Offen­win­kel­glau­kom mit dem OMNI-System.

80 Augen von 73 Pati­en­ten wurden 12 Monate lang nach­ver­folgt, wobei bei 30 Augen gleich­zei­tig eine Linsen­ope­ra­ti­on erfolg­te. Es zeigte sich eine deut­lich besse­re Druck­sen­kung in der Gruppe mit dem kombi­nier­ten Eingriff, mit 67,9% der Augen <18 mmHg im Vergleich zu 40,0%. Die Medi­ka­ti­on konnte zum Errei­chen des Thera­pie­ziels jedoch bei beiden Grup­pen nur von 3 auf 2 Augen­trop­fen gesenkt werden. Die Ergeb­nis­se sind für den opera­ti­ven Aufwand eher ernüch­ternd. Aber gerade solche Studi­en helfen uns ja weiter in der Einord­nung von neuen Thera­pien, um für unsere Pati­en­ten in Zukunft opti­ma­le Wege zu gehen.

Mit einer deut­lich aufwen­di­ge­ren, aber lang­fris­tig effek­ti­ven Tech­nik haben sich Riesen et al. beschäf­tigt. In einer Lang­zeit­un­ter­su­chung konn­ten 161 Augen über 8 Jahre nach eine kombi­nier­ten Phako-Exci­mer-Laser-Trabe­ku­lo­to­mie nach­ver­folgt werden. Durch die Anwen­dung des Lasers gehört diese Tech­nik natür­lich zu den kosten­in­ten­si­ve­ren Thera­pie­for­men. Mit 75% wies die Mehr­zahl der Augen eine stabi­le Druck­sen­kung von 25% über den Verlauf von acht Jahren bei deut­lich vermin­der­ter Medi­ka­ti­on auf. Schwer­wie­gen­de Neben­wir­kun­gen wurden erfreu­li­cher­wei­se im gesam­ten Studi­en­ver­lauf nicht beob­ach­tet. Auf der ande­ren Seite war bei 25% der Augen eine zusätz­li­che chir­ur­gi­sche Inter­ven­ti­on notwen­dig, was aufgrund des langen Nach­be­ob­ach­tungs­in­ter­valls sicher nicht ganz verwun­der­lich erscheint.

Wich­tig ist bekann­ter­ma­ßen auch bei opera­ti­ven Glau­kom­ver­fah­ren die post­ope­ra­ti­ve Nach­sor­ge und die Compli­an­ce der Pati­en­ten. McGlum­phy et al. konn­ten mit ihrer Studie exakt die Wich­tig­keit einer inten­si­ven loka­len antient­zünd­li­chen Thera­pie nach­wei­sen. Dabei wurden 90 Pati­en­ten nach Trabe­ku­lek­to­mie oder Tube-Shunt-Implan­ta­ti­on einge­schlos­sen und die Compli­an­ce der post­ope­ra­ti­ven Corti­cos­te­ro­idthe­ra­pie mittels des Kali Drop®-Monitoring-Systems analy­siert. Die Pati­en­ten waren dabei darüber infor­miert, dass ihr Tropf­ver­hal­ten in den ersten 5 post­ope­ra­ti­ven Wochen analy­siert wird. Der Ziel­druck und das Filter­kis­sen wurden bis zu 1 Jahr post­ope­ra­tiv nach­un­ter­sucht. Es zeigte sich erwar­tungs­ge­mäß eine gute Compli­an­ce von 90%. Es war signi­fi­kant, dass eine höhere Trop­fen­ga­be mit einem Augen­in­nen­druck im Ziel­be­reich nach 6 Mona­ten verbun­den war. Zusätz­lich zeig­ten sich bei jünge­ren Pati­en­ten eine besse­re Compli­an­ce und besse­re 6‑Monats Ergeb­nis­se. Wir sehen also durch diese Studie eindeu­tig bestä­tigt, wie wich­tig die post­ope­ra­ti­ve Nach­sor­ge und das Mitwir­ken des Pati­en­ten im Rahmen der Glau­kom­chir­ur­gie ist.

Weite­re span­nen­de Entwick­lun­gen hin zu opti­mier­ten Thera­pien im Bereich des Glau­kom werden folgen. Studi­en zeigen dabei aber auch immer wieder Gren­zen auf und helfen uns, auf die besse­ren Thera­pie­for­men zu fokus­sie­ren. Blicken wir posi­tiv in die Zukunft.

Beste Grüße aus dem Norden.

Ihr Detlef Holland

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