Evidenz für sichere Hornhaut- oder Bindehauteingriff mit Spendergewebe auch in Zeiten von COVID-19

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
wer hätte gedacht, dass wir im Frühjahr 2021 wieder im Lockdown sind und daher immer noch über das Thema COVID-19 reden müssen. Vor einem Jahr wäre dies für mich unglaublich gewesen. Nun müssen wir uns aber auch in unserem beruflichen Umfeld der Realität stellen und uns mit der Problematik weiter auseinandersetzen. Glücklicherweise ist die Berufsgruppe der Augenärzte in der Impfreihenfolge weit vorne, und die Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen ist bereits geimpft. Dies schafft für uns und unsere Patienten Sicherheit und sollte auch in diesem Sinne offen kommuniziert werden, damit wir nicht weiter durch die Ängste unserer Patienten diese zum Beispiel aus dem Follow-up eines IVOM-Zyklus verlieren.
Ängste zu reduzieren soll auch die Überleitung zu einer interessanten Studie sein, auf welche hier hingewiesen werden soll. Bayyoud et al. aus Tübingen konnten in einer Untersuchung welche in „Cornea“ veröffentlicht wurde, zeigen, dass das Coronavirus weder in Bindehaut noch in Hornhautgewebe nachgewiesen werden konnte. Hieraus ergibt sich für unsere Patienten wieder mehr Sicherheit und auch Vertrauen, sich einem Hornhaut- oder Bindehauteingriff mit Spendergewebe zu unterziehen.
Zu diesen Untersuchungen passt auch die Übersichtsarbeit von Al-Sharif et al. sehr gut. 16 Beobachtungsstudien wurden hierfür in ein Review aufgenommen. Dabei zeigte sich ein geringer Tropismus des Coronavirus – also die Fähigkeit, bestimmte Gewebe oder Zelltypen zu infizieren – in Bezug auf okuläre Strukturen. Die Nachweisbarkeit von Virus-mRNA im Tränenfilm liegt laut der Studie bei Corona-positiven Patienten bei 0–8% und der Nachweis von SARS-CoV‑2 bei nur 0–5.3%.
Trigaux et al. bestätigten in einer Publikation in „Current Eye Research“ ebenfalls die These, dass durch Spendergewebe keine Übertragung stattfindet. In ihrer Arbeit, welche die Ergebnisse von Fragebögen zusammenfasst, die an 26 deutsche Hornhautbanken versendet wurden, sollte der Einfluss der Pandemie auf die Hornhautspende und den Entnahmealltag ermittelt werden. Glücklicherweise kam es in Deutschland nur zu einem Rückgang der Gewebespenden um 17%. Die Autoren gehen aber für die Zukunft davon aus, dass neue Leitlinien erarbeitet werden, welche die Sicherheit für das entnehmende Personal und die Empfänger weiter optimieren. Auch im Alltag in Klinik und Praxis sollte uns diese geringe Nachweisbarkeit von SARS-CoV‑2 natürlich nicht unvorsichtig werden lassen. Hygienemaßnahmen sind nach wie vor ein wichtiges Werkzeug zur Infektionsprophylaxe für uns und unsere Patienten.
Vorbeugung ist ebenfalls nach wie vor ein wichtiger Baustein in der Medizin. Hierzu können auch aus der nächsten zitierten Arbeit wichtige Empfehlungen hervorgehen. Hier wiederhole ich mich zwar etwas – da ich aber auch in meiner Praxis zunehmend Problemfälle sehe, möchte ich hier noch einmal dieses Thema beleuchten. Boccardo berichtete in „Contact Lens & Anterior Eye“ über eine Befragung von mehr als 3600 Menschen bezüglich ihrer Sicca-Symptome beim Tragen von Masken. 28% der Teilnehmer berichteten über eine Verstärkung bestehender Symptome und 18 % über ein neu aufgetretenes Masken-assoziiertes Trockenheitssyndrom. In der Kohorte zeigten also fast 50% gesteigerte oder neu aufgetretene Symptome. Wir sollten daraus schließen, dass wir unsere Patienten intensiv über diese Problematik aufklären und animieren müssen, gegebenenfalls vermehrt mit Tränenersatzmitteln vorzubeugen. Ein Verzicht auf Kontaktlinsen sollte mit den Patienten besprochen werden, da Komplikationen gehäuft auftreten können. Hierüber berichteten Reichart et al. auch kürzlich im Ophthalmologen.
Auch postoperativ insbesondere nach Hornhauteingriffen wie z.B. einer PRK sollte in der Heilungsphase auf den möglichen negativen Einfluss von Masken hingewiesen werden. Dazu ist es wichtig, in der Anamnese genau auf die mögliche Tragezeit im Alltag zu achten. Gegebenenfalls sollten die Patienten darauf hingewiesen werden, dass die Masken gut an der Gesichtshaut und Nase abschließen sollten, um einen verstärkten Luftstrom richtig Augenoberfläche zu vermeiden.
Nach diesem erneuten Ausflug in die Welt der Infektiologie möchte ich mich hier noch einmal kurz dem Feld der Terminologie zuwenden. Kürzlich erschien in der Zeitschrift „CRST Europe“ eine interessante Diskussion von Daya über die Nomenklatur von modernen Intraokularlinsen. Durch die rasante Entwicklung in diesem Bereich ist es sogar für Fachleute mitunter schwierig, zwischen den einzelnen Typen und ihrem optischen Prinzip zu unterscheiden. Deutlich problematischer ist es da natürlich für unsere Patienten im medizinischen Aufklärungsgespräch und auch bei Dr Google, der ja immer häufiger von Interessierten aufgesucht wird. Zugegebenermaßen ist es langsam schwer, sich in einer Welt von sphärischen und asphärischen monofokalen Linsen – mit und ohne Aberrationskorrektur, enhanced Monofokal, EDOF, Bifokal und Trifokal, akkomdierende IOL sowie Pinhole IOL usw. zurechtzufinden. Daher hat der American-European Congress of Ophthalmic Surgeons (AECOS) eine Diskussion über diese Thematik angestoßen. Daraus hat sich die Idee einer neuen Klassifikation ergeben. Der Gedanke dahinter ist eine Einteilung nach der Fokusbreite und nach dem optischen Wirkprinzip der Kunstlinse.
Daraus ergeben sich nach der Fokusbreite drei Gruppen: Linsen mit einem Fokus wie monofokale sphärische und aspährische Linsen, mit vermehrtem Fokus wie z.B. die Comfort von Teleon und mit einer vollständigen Fokusbreite wie z.B. die AT Lisa von Zeiss. Bezüglich des Wirkmechanismus können dann Pinhole-Linsen, diffraktive, zonal refraktive, sowie akkomodative Kunstlinsen sowie Kombinationen von diesen unterschieden werden. Daraus würde sich zum Beispiel für die Finevision von Physiol die Zuordnung als diffraktive Linse mit vollständiger Fokusbreite ergeben. Alle weltweit führend implantierten Linsen lassen sich nach dieser einfachen Klassifikation zuordnen. Das Motto „keep it simple“ trifft hierauf gut zu. Und die einfachen Dinge sind ja bekanntermaßen die besten und haben das meiste Potenzial sich durchzusetzen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen im Namen des Teams von Kompakt Ophtalmologie einen wunderbaren Frühling.
Mit besten Grüßen,
Ihr Detlef Holland