Erleuch­ten­de Früh­lings­bot­schaf­ten für Wissen­schaft und Gesundheit

 

Dr. Detlef Holland, Heraus­ge­ber „Surgi­cal“ © privat

Liebe Lese­rin­nen und Leser von Kompakt Ophthalmologie,

ich freue mich sehr, Sie in diesem schö­nen Früh­ling erneut online begrü­ßen zu dürfen. Zahl­rei­che span­nen­de neue Publi­ka­tio­nen und tech­ni­sche Entwick­lun­gen warten darauf, entdeckt zu werden. Lassen Sie uns gemein­sam schau­en, was z.B. Neues auf dem Gebiet des Trocke­nen Auges, der Künst­li­chen Intel­li­genz (KI), der Kera­ti­tis sowie im Bereich der diabe­ti­schen Makul­opa­thie oder auch an der Schnitt­stel­le zwischen Geria­trie und Augen­heil­kun­de publi­ziert wurde.

Beson­ders gefreut habe ich mich, als ich die Publi­ka­ti­on der Arbeits­grup­pe um meinen Studi­en­freund Prof. Paul­sen aus Erlan­gen entdeckt habe. In der Arbeit unter­such­ten die Autoren in einer komple­xen, verglei­chen­den Analy­se, inwie­weit sich die Meibom­drü­sen (MG) von ande­ren freien Talg­drü­sen (SG) und haar­as­so­zi­ier­ten Talg­drü­sen unterscheiden.

Die Meibom­drü­sen-Dysfunk­ti­on ist eine der Haupt­ur­sa­chen für das Trocke­ne Auge und steht immer mehr im Fokus der Diagnos­tik und Thera­pie. Um ihre Funk­tio­nen besser zu verste­hen, wurden in der vorlie­gen­den Studie MGs mit freien Talg­drü­sen (SG) und haar­as­so­zi­ier­ten Drüsen unter Verwen­dung morpho­lo­gi­scher, immun­hi­s­to­che­mi­scher Tech­ni­ken und mittels Flüs­sig­keits-Chro­ma­to­gra­phie sowie Massen­spek­tro­me­trie vergli­chen. Darüber hinaus unter­such­te man MG sowie Präpa­ra­te von Nasen­lö­chern, Lippen und äuße­rem Gehör­gäng mit freien SG sowie Schnit­te der Kopf­haut mit haar­as­so­zi­ier­ten SG mittels unter­schied­li­cher Färbun­gen und Kryo­schnit­ten. Sekre­te von MG sowie von SG aus den vorge­nann­ten Loka­li­sa­tio­nen von gesun­den Frei­wil­li­gen analy­sier­ten die Forschen­den und verar­bei­te­ten die Daten mithil­fe verschie­de­ner multi­va­ria­ter statis­ti­scher Analy­se­an­sät­ze. Seri­en­schnit­te der unter­schied­li­chen Drüsen wurden 3‑D-rekon­stru­iert und vergli­chen, wobei sich deut­li­che morpho­lo­gi­sche Unter­schie­de zeig­ten und die MG bei weitem die größte Drüsen­art darstellt. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass beim Menschen die MG in ihrer Morpho­lo­gie und sekre­to­ri­schen Zusam­men­set­zung große Unter­schie­de zu freien und haar­as­so­zi­ier­ten SG aufwie­sen. Die Zusam­men­set­zung des Sekrets unter­schei­det sich deut­lich von dem Talg freier SGs und haar­as­so­zi­ier­ter SGs. Daher kann die MG als eine hoch­spe­zia­li­sier­te Art holok­ri­ner Drüsen betrach­tet werden, die alle histo­lo­gi­schen Merk­ma­le der SGs aufweist, sich jedoch hinsicht­lich Morpho­lo­gie und Lipidzu­sam­men­set­zung deut­lich von diesen unter­schei­det. Diese Studie zeigt sehr eindrück­lich, wie komplex Forschung heute ist und welche unter­schied­li­chen Ansät­ze möglich sind, um auf einem anato­misch klei­nen Gebiet zu neuen, wich­ti­gen Erkennt­nis­sen zu gelangen. 

Mit dem neuen Medium ChatGPT beschäf­tig­te sich eine aktu­el­le kana­di­sche Studie von der Univer­si­tät Toron­to. Gerade in der Augen­heil­kun­de ist die korrek­te Inter­pre­ta­ti­on von Bildern für die Diagno­se­stel­lung und regel­rech­te Behand­lung von großer Bedeu­tung. Die Daten­men­ge, mit der sich die Augen­ärz­te täglich konfron­tiert sehen, nimmt hier­bei unglaub­lich zu. Denken wir dabei doch nur an die wach­sen­de Menge on OCT-Befun­den im Rahmen der IVOM-Behand­lung. Ange­sichts der rasan­ten Entwick­lung der KI welt­weit auch im Rahmen der Bild­ver­ar­bei­tung ist die Genau­ig­keit von Tech­no­lo­gien wie Chat­bots daher auch im medi­zi­ni­schen Bereich in Zukunft von entschei­den­der Bedeutung.In einer Quer­schnitts­ana­ly­se wurde die Leis­tung der Platt­form bei der Verar­bei­tung von Bild­da­tei­en unter­sucht. Dafür zogen die Forschen­den öffent­lich zugäng­li­che Bilder von augen­ärzt­li­chen Fällen, OCT-Unter­su­chun­gen sowie Daten aus einer Ausbil­dungs­platt­form der Univer­si­tät Toron­to heran. Für alle 136 analy­sier­ten Fälle stan­den Multi­ple-Choice-Fragen zur Verfü­gung, wobei u.a. Fragen zur Kinder­heil­kun­de, Onko­lo­gie, Uvei­tis und Glau­kom gestellt wurden. Im Durch­schnitt beant­wor­te­te Chat GPT 70% der Fragen rich­tig. Es zeigte sich, dass der Chat­bot bei der Beant­wor­tung nicht bild­ba­sier­ter Fragen im Vergleich zu bild­ba­sier­ten Fragen besser abschnitt (82% vs. 65%). Die neue Versi­on des Chat­bots birgt laut der Schluss­fol­ge­rung der Autoren großes Poten­zi­al für die Verbes­se­rung der Effi­zi­enz der ophthal­mo­lo­gi­schen Bild­in­ter­pre­ta­ti­on. Dadurch kann mögli­cher­wei­se die Arbeits­be­las­tung der Ärzte verrin­gert und die Varia­bi­li­tät bei Inter­pre­ta­tio­nen sowie Fehler mini­miert werden. Natür­lich sei es für die Zukunft notwen­dig, die Präzi­si­on der KI weiter zu verbes­sern und auch Fragen des Daten­schut­zes sowie der Medi­zin-Ethik nicht außer Acht zu lassen. Der Sieges­zug der KI, welche als Tech­no­lo­gie ja erst an ihrem Anfang steht, wird auch in unse­rem Fach­ge­biet nicht mehr zu stop­pen sein und sicher­lich unse­ren Alltag erleichtern.

Bei der nächs­ten Publi­ka­ti­on blei­ben wir daher auch gleich bei bild­ge­ben­den Tech­no­lo­gien in der Augen­heil­kun­de. Dai et al. berich­te­ten in einer kürz­lich erschie­ne­nen Publi­ka­ti­on im „Ameri­can Jour­nal of Ophthal­mo­lo­gy“ über neue Ansät­ze zur Früh­erken­nung der diabe­ti­schen Makul­opa­thie. Aktu­el­le Forschungs­er­geb­nis­se deuten darauf hin, dass die Dicke der reti­na­len Nerven­fa­ser­schicht (RNFL) und der inne­ren plexi­for­men Gangli­en­zell-Schicht (GC-IPL) Indi­ka­to­ren für die Früh­erken­nung einer diabe­ti­schen Netz­haut­er­kran­kung bei Pati­en­ten mit Typ-2-Diabe­tes melli­tus (Typ 2 DM) sind, bevor die Erkran­kung klinisch sicht­bar wird. Es wurden daher in dieser Studie 49 Pati­en­ten mit Typ 2 DM ohne Reti­no­pa­thie mit 51 gesun­den Kontroll­per­so­nen vergli­chen. Dazu unter­such­te man alle Augen mittels SS-OCT-Angio­gra­phie. Die Bilder wurden auf neur­a­le und mikro­vas­ku­lä­re Verän­de­run­gen der Makula hin analy­siert. Die Daten zeig­ten, dass die Diabe­ti­ker eine signi­fi­kan­te Verrin­ge­rung der GC-IPL und der RNFL aufwie­sen. Darüber hinaus berich­te­ten die Autoren, dass die gesam­te Netz­haut­di­cke der Makula bei diabe­ti­schen Augen im Vergleich zu gesun­den Kontroll­per­so­nen signi­fi­kant gerin­ger war. Auch zeig­ten sich bei Pati­en­ten mit Typ 2 DM gering­fü­gi­ge Verän­de­run­gen in der Dichte des Makula-Gefäß­ske­letts im gesam­ten Kapil­lar­ple­xus. Die SS-OCt Unter­su­chung kann somit schon vor den mikro­vas­ku­lä­ren Verän­de­run­gen durch Analy­se der neuro­re­ti­na­len Dege­ne­ra­ti­on zur Früh­erken­nung eines erhöh­ten Risi­kos für die Entwick­lung einer diabe­ti­schen Reti­no­pa­thie dienen. Dies könnte beson­ders hilf­reich werden, wenn in Zukunft auch neuro­pro­tek­ti­ve Thera­pien zur Verfü­gung stehen. Wich­tig wäre es, so die Autoren, durch weite­re Studi­en die zeit­li­chen Zusam­men­hän­ge zwischen struk­tu­rel­len und vasku­lä­ren Verän­de­run­gen bei der Entwick­lung der diabe­ti­schen Verän­de­run­gen aufzuklären.

Chen et al. aus Peking unter­such­ten in einer neuen Studie die Bedeu­tung der Ferrop­to­se im Rahmen der bakte­ri­el­len Kera­ti­tis. Die Ferrop­to­se ist eine Form des Zell­to­des, welche auf der Anwe­sen­heit von Eisen beruht. Es kommt dabei zur Anrei­che­rung von FE2+, FE3+ sowie von Lipidper­oxi­da­sen, welches zur Bildung reak­ti­ver Sauer­stoff­ra­di­ka­le führt, die eine Entzün­dungs­re­ak­ti­on und den Zell­tod auslö­sen. Durch Hemmung der Ferrop­to­se wäre es folg­lich möglich. den Verlauf von Horn­haut­in­fek­tio­nen sowie die Narben­bil­dung posi­tiv zu beeinflussen.In ihrer Studie unter­such­te das Forschungs­team die Ferrop­to­se-beding­te Genex­pres­si­on in mensch­li­chen Horn­häu­ten im Rahmen einer Pseu­do­mo­nas-Kera­ti­tis sowie in norma­len Spen­der­horn­häu­ten. Außer­dem wurde im Maus­mo­dell mit Pseu­do­mo­nas-Kera­ti­tis und an Horn­haut­stroma-Stamm­zel­len Unter­su­chun­gen durch­ge­führt. Es zeigte sich in mensch­li­chen Horn­häu­ten mit Kera­ti­tis eine signi­fi­kan­te Verän­de­rung in Ferrop­to­se-bezo­ge­nen Genen. Im Tier­mo­dell wurde nach­ge­wie­sen, dass die Augen, welche mit einem Anti­bio­ti­kum sowie mit Ferro­sta­tin zur Hemmung der Ferrop­to­se behan­delt wurden, im Vergleich zur Kontroll­grup­pe ohne Ferro­sta­tin einer Verrin­ge­rung von Zyto­ki­nen und eine verrin­ger­te Narben­bil­dung zeig­ten. Die Autoren schluss­fol­ger­ten aus ihren Ergeb­nis­sen, dass die Hemmung der Ferrop­to­se ein weite­rer Baustein mit enor­mem Poten­zi­al in der zukünf­ti­gen Thera­pie der bakte­ri­el­len Kera­ti­tis darstel­len könnte.

Wenden wir uns zum Abschluss dieses Edito­ri­als einem ande­ren inter­es­san­ten Thema zu. Dass Licht einen posi­ti­ven Einfluss auf die Psyche des Menschen haben kann, ist schon lange bekannt. Die Licht­the­ra­pie gilt als wirk­sa­me Metho­de zur Unter­stüt­zung der medi­ka­men­tö­sen und psycho­the­ra­peu­ti­schen Behand­lung bei saiso­nal beding­ten Depres­sio­nen. Den Pati­en­ten wird dabei empfoh­len, sich täglich für 30–40 Minu­ten einer star­ken Licht­quel­le auszu­set­zen. Bereits nach einer Woche erle­ben 60% der Pati­en­ten mit jahres­zeit­lich beding­ter Depres­si­on durch diese einfa­che und neben­wir­kungs­ar­me Thera­pie eine Verbes­se­rung ihres Befin­dens. Auf der ande­ren Seite neigen ältere Menschen, insbe­son­de­re solche mit Sehbe­hin­de­run­gen dazu, die meiste Zeit zu Hause zu verbrin­gen. Baner­jee et al. aus Balti­more (USA) führ­ten eine Quer­schnitts­stu­die mit klini­schen Pati­en­ten im Alter von 60 Jahren und älter durch, bei denen Glau­kom­ver­dacht bestand, sowie solchen, bei denen ein primä­res Glau­kom diagnos­ti­ziert worden war und die Gesichts­feld­schä­den unter­schied­li­chen Ausma­ßes aufwie­sen. Ziel war es, den Einfluss von Beleuch­tung auf die körper­li­che Akti­vi­tät zu evalu­ie­ren. Unter­sucht wurden die täglich zurück­ge­leg­ten Schrit­te und die Zeit, welche mit körper­li­cher Akti­vi­tät und nicht sitzen­der Tätig­keit verbracht wurde. In Bezug auf die primä­ren Studi­en­ergeb­nis­se zeigte sich, dass die Teil­neh­mer mit jeder Stei­ge­rung der Beleuch­tung (0,1‑Log-Einheitsschritte der durch­schnitt­lich gemes­se­nen Heim­be­leuch­tung) 5% mehr tägli­che Schrit­te unter­nah­men und auch eine erhöh­te Schritt­fre­quenz aufwie­sen. Auch die Anzahl der Minu­ten mit nicht sitzen­der Akti­vi­tät und die durch­schnitt­li­che Akti­vi­täts­dau­er zeig­ten sich posi­tiv durch die Stei­ge­rung der Beleuch­tung beein­flusst. Wir soll­ten daher aus diesen Ergeb­nis­sen folgern, dass wir unse­ren Glau­kom- und sehbe­hin­der­ten Pati­en­ten nicht nur zu einer guten Compli­ance in Hinblick auf die Thera­pie raten, sondern auch darauf hinwei­sen soll­ten, dass eine opti­ma­le Beleuch­tungs­si­tua­ti­on in der häus­li­chen Umge­bung einen posi­ti­ven Einfluss auf ihre körper­li­che Akti­vi­tät und damit auf ihr Wohl­be­fin­den haben kann.

In diesem Sinne können wir uns alle auf die helle Jahres­zeit mit zahl­rei­chen posi­ti­ven Akti­vi­tä­ten freuen. Gehen wir also raus und genie­ßen die „Licht­the­ra­pie“ des Frühlings.

Ihr Detlef Holland

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