Weiterbildung auf dem Gebiet der Onkologie ist auch für Ophthalmologen wichtig
Jeweils am 4. Februar findet jährlich der Weltkrebstag statt. Ziel ist es die Volkskrankheit Krebs, deren Vorbeugung, Behandlung und Erforschung in das öffentliche Bewusstsein zu rücken. Das Jahr 2020 steht für das 20. Jubiläum dieses von der Welt-Krebsorganisation (Union for International Cancer Control) ins Leben gerufenen Tages. Auch deutsche Vereinigungen wie die Stiftung Deutsche Krebshilfe schließen sich diesem Aktionstag an. Nach dem Motto: „Ich bin und Ich werde.“ Hinter dem „werde“ soll das Nachdenken darüber stehen, was jeder für die Bekämpfung des Krebs machen kann. Weltweit beteiligen sich über 300 Organisationen aus 86 Ländern.
Krebs entwickelt sich auch aufgrund der zunehmenden Alterung der Bevölkerung zu einer Volkskrankheit. Die Zahl der in Deutschland jährlich neu erkrankten Patienten beläuft sich auf etwa 500.000. Nach Angaben der American Association for Cancer Research (AACR) aus dem Februar 2018 erhalten weltweit jedes Jahr rund 14 Millionen Menschen die Diagnose Krebs und 8,8 Millionen sterben weltweit jedes Jahr an einer Krebserkrankung. Das AACR schätzt, dass im Jahr 2030 weltweit rund 21 Millionen Neuerkrankungen auftreten und rund 13 Millionen Menschen an einer Krebserkrankung sterben werden. Dies sind erstaunlich hohe Zahlen, insbesondere wenn man bedenkt, dass viele Krebserkrankungen durch eine Veränderung des Lebensstils in ihrem Auftreten deutlich verringert werden könnten. Denken wir hierbei nur an die Assoziation von Lungen- oder Kehlkopfkrebs und Rauchen, Fleischkonsum und ballaststoffarme Diät und Darmkrebs oder Lichtexposition und Hautkrebs. Daher ist der Weltkrebstag für die Aufklärung von besonderer Bedeutung.
Auch in unserem Fachgebiet werden wir immer wieder mit der Diagnose Krebs konfrontiert. Glücklicherweise müssen wir diese Diagnose unseren Patienten jedoch relativ selten übermitteln, und selten ist das Leben des Patienten bedroht, da die Früherkennung und die Therapiemöglichkeiten in Deutschland sehr gut sind. Gerade beim Aderhautmelanom, welches mit einer Inzidenz von 1:100.000 in Europa auftritt und den häufigsten malignen Tumor in unserem Fachgebiet darstellt, können wir uns durch die therapeutischen Möglichkeiten an speziellen Zentren wie zum Beispiel an den Universitäten in Essen und Berlin sicher fühlen und unsere Patienten optimal versorgt wissen. Natürlich ist auch hier die Früherkennung von entscheidender Bedeutung.
Krebserkrankungen können aber unser Fachgebiet nicht nur direkt betreffen, sondern auch indirekt auf dem Metastasierungsweg oder durch Begleitsymptome der notwendigen systemischen Therapie.
Francis et al. aus New York berichten in einer retrospektiven, multizentrischen Kohortenstudie über Patienten, bei denen ein kutanes Melanom in den Glaskörper metastasiert. Natürlich ist dieses Ereignis sehr selten, scheint aber im Rahmen der modernen Therapie mit Immucheckpoint-Inhibitoren (ICI) deutlich häufiger in Erscheinung zu treten. Klinisch muss bei Debris im Glaskörper immer an ein Maskeradesymptom gedacht werden. Bei 10 von 11 Patienten bestand bei kutanem Melanom im Median eine Therapie mit ICI seit 17 Monaten. Es zeigte sich bei der Hälfte der Patienten amelanotisches Debris im Glaskörper sowie bei 4 Augen eine Amotio retinae. Nebenbefundlich trat bei 6 Patienten eine Beteiligung des ZNS auf. Die ophthalmologische Behandlung umfasste eine äußere Strahlentherapie (30–40 Gy) bei 6 Augen, intravitreales Melphalan (10–20 μg) bei 4 Augen, die Enukleation von einem Auge sowie die lokale Beobachtung während der systemischen Behandlung bei 2 Augen. 3 Augen erhielten intravitreal Bevacizumab zur Neovaskularisation
ICI führen nach Ramos-Casals et al. und ein Autorenteam des ImmunoCancer International Registry im Rahmen der Therapie von metastasierten Erkrankungen auch zu einem gehäuften Auftreten des Sjögren Syndroms. Das ICIR ist ein multidisziplinäres Netzwerk bestehend aus 40 Spezialisten für Rheumatologie, Innere Medizin, Immunologie und Onkologie aus 18 Ländern.
Es konnte neben Mundtrockenheit und Sicca Syndrom auch eine Entzündungsreaktion in den Speicheldrüsen mittels Biopsie nachgewiesen werden. Die Untersuchung zeigte, dass Patienten mit einem durch ICI ausgelösten Sjögren-Syndrom ein sehr spezifisches Profil zeigen, welches sich vom idiopathischen primären Sjögren-Syndrom unterscheidet. Der enge Zusammenhang zwischen dem Sicca/Sjögren-Syndrom und der PD-1-Inhibition erfordere weitere spezifische Untersuchungen, so ihr Resümee.
Eine weitere Problematik von ICI stellen Bitton et al. aus Paris vor: sogenannte immunvermittelte Nebenwirkungen (IrAEs). Augenprobleme treten dabei relativ schnell auf. In ihrer prospektiven Untersuchung von 745 Krebspatienten unter der Therapie mit ICI gab es bei 5 Patienten schwere Augensymptome. Diese bestanden in intraokulären Entzündungen, Erkrankungen der Oberfläche und einer orbitalen Myopathie. Je nach Schwere der Symptome muss jeweils an ein Absetzen der ICI gedacht werden.
Diese drei Studien zeigen, wie wichtig die Weiterbildung von uns Augenärzten auch auf anderen Fachgebieten ist. Auch wenn die ophthalmologischen Beteiligungen unter einer ICI-Therapie von Krebspatienten sehr selten auftreten, sollte der Augenarzt darüber informiert sein und gegebenenfalls eine interdisziplinäre Koordination der Behandlung anregen. Dadurch können die Lebensqualität und Sehqualität dieser in der Regel doch schon sehr beeinträchtigten Patienten verbessert werden!
In diesem Sinn wünschen wir Ihnen noch einen wunderbaren Februar und weiterhin viel Freude an dieser Fortbildung.
Ihr Detlef Holland