Thera­pie verein­fa­chen – Risi­ken minimieren

 

Dr. Detlef Holland, Heraus­ge­ber „Surgi­cal“ © privat

Liebe Lese­rin­nen und Leser von Kompakt Ophthalmologie,

im Norden Deutsch­lands erle­ben wir gerade einen durch­wach­se­nen Sommer. Gerade, wenn man hier oben Urlaub macht, muss man sich des Risi­kos bewusst sein. Es kann leider immer mal passie­ren, dass der Urlaub ins Wasser fällt. Wenn man darauf vorbe­rei­tet ist, gibt es aber immer viele Möglich­kei­ten, das Beste daraus zu machen.

Genau­so ergeht es uns in der Chir­ur­gie mit mögli­chen Kompli­ka­tio­nen. Glück­li­cher­wei­se sehen wir in der moder­nen Augen­chir­ur­gie nur selten intra- und post­ope­ra­ti­ve Kompli­ka­tio­nen. Insbe­son­de­re visus­be­dro­hen­de Situa­tio­nen treten selten ein. Dennoch ist es wich­tig, sich immer der Möglich­keit von Proble­men bewusst zu sein und sein Handeln immer zu hinter­fra­gen. Beson­ders bei Ände­run­gen des thera­peu­ti­schen Vorge­hens besteht immer ein erhöh­tes Risiko. Schau­en wir uns daher einmal einige Arbei­ten über die Sicher­heit und Thera­pie­al­ter­na­ti­ven in der Augen­heil­kun­de an.

Kang et al. veröf­fent­lich­ten kürz­lich in „Graefe´s Archi­ve of Clini­cal Expe­ri­men­tal Ophthal­mo­lo­gy“ eine inter­es­san­te Arbeit über Risi­ko­mo­del­le. Soge­nann­te Risi­ko­stra­ti­fi­zie­rungs­mo­del­le können Kata­rakt­chir­ur­gen bei klini­schen Entschei­dun­gen helfen, indem sie Pati­en­ten anhand ihrer Kompli­ka­ti­ons­wahr­schein­lich­keit in verschie­de­ne Grup­pen eintei­len. In einem syste­ma­ti­schen Review unter­su­chen die Autoren Merk­ma­le, welche von diesen Model­len für Kata­rak­t­ope­ra­tio­nen in der Lite­ra­tur genutzt werden.

Anhand der Leit­li­ni­en für syste­ma­ti­sche Reviews und Meta­ana­ly­sen durch­such­ten die Autoren sechs Daten­ban­ken (PubMed, OVID, Embase, CINAHL, Coch­ra­ne Trials und Web of Science) und schlos­sen Peer-review­te englisch­spra­chi­ge Studi­en ein, die Model­le beschrei­ben, welche präope­ra­tiv zur Beur­tei­lung der Kompli­ka­ti­ons­wahr­schein­lich­keit bei Kata­rak­t­ope­ra­tio­nen verwen­det wurden. Zur Analy­se erstell­te man eine Check­lis­te aus drei Rahmen­be­din­gun­gen, um die Teil­neh­mer, Prädik­to­ren und das Bias-Risiko der Model­le kritisch zu bewer­ten. Von 4192 Arti­keln erfüll­ten nur acht die Einschluss­kri­te­ri­en. Die meis­ten Model­le waren ausschließ­lich für Opera­teu­re und für die Phako­emul­si­fi­ka­ti­on zur Vorher­sa­ge von Zonu­la­kom­pli­ka­tio­nen und einer Hinter­kap­sel­rup­tur konzi­piert.  Die häufigs­ten in den Model­len iden­ti­fi­zier­ten Risi­ko­fak­to­ren waren eine schlech­te Pati­en­ten­la­ge­rung, hohes Alter, kleine Pupil­len und das Pseu­do­ex­fo­li­a­ti­ons­syn­drom. Neben den uns allen bekann­ten und häufigs­ten Risi­ko­fak­to­ren wurden also keine zusätz­li­chen Infor­ma­tio­nen detek­tiert. Metho­di­sche Einschrän­kun­gen umfass­ten das Fehlen multi­va­ria­bler Model­lie­rung, stan­dar­di­sier­ter Ergeb­nis­ma­ße und exter­ner Validierung.

Augen­ärz­te soll­ten folg­lich die Gren­zen von Risi­ko­stra­ti­fi­zie­rungs­mo­del­len für Kata­rak­t­ope­ra­tio­nen kennen. Des Weite­ren soll­ten wir in der Zukunft daran arbei­ten, bestehen­de Model­le, durch robus­te­re, verbes­ser­te Metho­den, die Verwen­dung stan­dar­di­sier­ter Metri­ken und eine exter­ne Vali­die­rung zu verbes­sern. Dies sollte es uns ermög­li­chen, neben den bekann­ten Risi­ko­fak­to­ren weite­re aufzu­zei­gen und somit die Sicher­heit unsere Thera­pie zu erhöhen.

Um das Thema Sicher­heits­be­wer­tung gängi­ger Thera­pien geht es auch in einer Publi­ka­ti­on von Bektas und Yuksel aus dem Jour­nal „Inter­na­tio­nal Ophthal­mo­lo­gy“. Die Autoren führ­ten einen Review der Lite­ra­tur bezüg­lich der Indi­ka­tio­nen, Dosie­run­gen und Sicher­heits­pro­fi­le intra­ka­me­ra­ler Medi­ka­men­te bei Kata­rak­t­ope­ra­tio­nen durch. Sie werte­ten veröf­fent­lich­te klini­sche Studi­en, Über­sichts­ar­ti­kel und Leit­li­ni­en zur intra­ka­me­ra­len Medi­ka­men­ten­an­wen­dung aus. Die Analy­se konzen­trier­te sich auf Medi­ka­men­te, die übli­cher­wei­se zur Anäs­the­sie, Mydria­sis, Entzün­dungs­kon­trol­le und zum Manage­ment intra­ope­ra­ti­ver Kompli­ka­tio­nen einge­setzt werden. Beson­de­res Augen­merk wurde auch in dieser Arbeit auf ihren Nutzen in den bekann­ten risi­ko­rei­chen Opera­ti­ons­sze­na­ri­en gelegt, wie z. B. bei klei­nen Pupil­len, intra­ope­ra­ti­vem Floppy-Iris-Syndrom, fort­ge­schrit­te­ner oder kind­li­cher Kata­rakt und Zonu­lasch­wä­che. Beson­de­re chir­ur­gi­sche Koli­bris bei denen intra­ka­me­ra­le Medi­ka­men­te genutzt werden, konn­ten die Autoren nicht finden. Intra­ka­me­ra­le Medi­ka­men­te haben sich in zahl­rei­chen Publi­ka­tio­nen als hilf­reich erwie­sen, um z.B. eine effek­ti­ve Anäs­the­sie zu errei­chen, die Pupil­len­er­wei­te­rung aufrecht­zu­er­hal­ten und Entzün­dun­gen besser zu kontrol­lie­ren. Ihr Einsatz ist beson­ders vorteil­haft in komple­xen Fällen, wie hinte­rer Kapsel­rup­tur oder kombi­nier­ten Eingrif­fen wie mini­mal­in­va­si­ver Glau­kom­chir­ur­gie. Gerade bei uner­war­tet langen Opera­tio­nen kann die intra­ka­me­ra­le Injek­ti­on von Anäs­the­ti­ka und pupil­len­er­wei­ter­ten Medi­ka­men­ten extrem hilf­reich sein, um die Opera­ti­on opti­mal zu been­den und so ange­nehm wie möglich für den Pati­en­ten zu gestall­ten. Oftmals werden im klini­schen Alltag diese Medi­ka­men­te kurz­fris­tig im OP ange­mischt. Ferti­ge Produk­te sind häufig sehr kosten­in­ten­siv oder stehen nicht über­all zur Verfü­gung. Bei sach­ge­mä­ßer Zube­rei­tung und Verab­rei­chung tragen die ange­misch­ten Medi­ka­men­te zu siche­re­ren und effi­zi­en­te­ren Opera­tio­nen bei, eine unsach­ge­mä­ße Zube­rei­tung oder Dosie­rung kann jedoch zu okulä­rer Toxi­zi­tät führen. Die Schu­lung des Perso­nals bezüg­lich der rich­ti­gen Dosie­rung und Hygie­ne während der Zube­rei­tung der Medi­ka­men­te ist als von großer Bedeu­tung um die Sicher­heit von intra­ka­me­ra­len Injek­tio­nen zu gewährleisten.

Intra­ka­me­ra­le Medi­ka­men­te haben auch das Poten­zi­al, die Trop­fen­ga­be nach augen­ärzt­li­chen Opera­tio­nen zu redu­zie­ren oder gar zu erset­zen. Dies würde die post­ope­ra­ti­ve Behand­lung für die Pati­en­ten erleich­tern, könnte Proble­me wie das indu­zier­te Sicca-Syndrom und mögli­cher­wei­se auch Kosten redu­zie­ren. Huang et al. beschäf­tig­ten sich hierzu mit dem span­nen­den Thema der „drop­less“ Kataraktchirurgie.

Die post­ope­ra­ti­ve Trop­fen­ga­be gehört im Rahmen der Kata­rak­t­ope­ra­ti­on immer noch zum welt­wei­ten Gold­stan­dard. Einheit­li­che, gesi­cher­te Leit­li­ni­en liegen aber nicht vor. Oftmals führen komple­xe post­ope­ra­ti­ve Behand­lungs­sche­ma­ta und eine schlech­te Compli­ance zu Proble­men. Ein Ersatz von Trop­fen durch intra­ope­ra­tiv verab­reich­te Medi­ka­men­te könnte hier von Nutzen sein. Bekannt ist zum Beispiel der Einsatz von stero­id­hal­ti­gen Punc­tum Plugs, welche post­ope­ra­ti­ve Entzün­dun­gen redu­zie­ren können. Alter­na­tiv können aber auch am Ende der Opera­ti­on Medi­ka­men­te inji­ziert oder medi­ka­men­ten­frei­set­zen­de Implan­ta­te einge­setzt werden. Intra­ka­me­ra­le Medi­ka­men­ten­ga­ben haben also nicht nur das Poten­zi­al, intra­ope­ra­tiv komple­xe Fälle zu erleich­tern, sondern auch, die post­ope­ra­ti­ve Behand­lung zu opti­mie­ren. Die Autoren konzen­trier­ten sich in dem Review auf häufig verwen­de­te Medi­ka­men­te wie Anti­bio­ti­ka, Stero­ide, nicht­ste­ro­ida­le Anti­rheu­ma­ti­ka und Medi­ka­men­te zur Senkung des Augen­in­nen­drucks. Die intra­ka­me­ra­le Gabe von Anti­bio­ti­ka ist weit verbrei­tet und hat sich als Gold­stan­dard etabliert. Es gibt über­zeu­gen­de Belege dafür, dass sie das Risiko für eine post­ope­ra­ti­ve Endo­ph­thal­mi­tis wirk­sam redu­ziert, ohne dass zusätz­li­che topi­sche Anti­bio­ti­ka erfor­der­lich sind. Hier wäre es wich­tig einheit­li­che Stan­dards zu etablie­ren. Ist die post­ope­ra­ti­ve Gabe anti­bio­ti­scher Augen­trop­fen über­haupt noch notwen­dig? Hierzu wird auf Kongres­sen immer wieder disku­tiert, ohne dass es zu einem einheit­li­chen Stan­dard kommt. Stero­ide, die intra­ope­ra­tiv typi­scher­wei­se durch subkon­junk­ti­va­le Injek­tio­nen oder Implan­ta­te mit verzö­ger­ter Wirk­stoff-Frei­set­zung verab­reicht werden, sind viel­ver­spre­chend für die siche­re und wirk­sa­me Kontrol­le von Entzün­dun­gen. Nicht­ste­ro­ida­le Anti­rheu­ma­ti­ka und Medi­ka­men­te gegen Augen­in­nen­druck kommen im klini­schen Alltag noch selten zur Anwen­dung und daher gibt es hier auch weni­ger Lite­ra­tur. Folg­lich ist für diese Medi­ka­men­ten­grup­pen eine Bewer­tung in Hinblick auf eine trop­fen­lo­se Behand­lung noch nicht abschlie­ßend möglich.

Die Autoren sehen nach ihrer Recher­che in der trop­fen­lo­sen Kata­rak­t­ope­ra­ti­on eine zukunfts­wei­sen­de Thera­pie, welche die post­ope­ra­ti­ve Versor­gung verein­fa­chen, Kosten senken und auch weni­ger Abfall produ­zie­ren könnte. Es ist also wich­tig, durch zukünf­ti­ge Forschung die Bewer­tung echter trop­fen­lo­ser Ansät­ze und die Opti­mie­rung der Medi­ka­men­ten­ver­ab­rei­chung zu evalu­ie­ren und welt­weit gängi­ge Stan­dards zu etablie­ren, da die trop­fen­lo­se Kata­rak­t­ope­ra­ti­on viele poten­zi­el­le Vortei­le für Pati­en­ten, Gesund­heits­sys­te­me und die Umwelt mit sich bringt.

Ob ein Medi­ka­ment intra­vit­re­al oder subkon­junk­ti­val verab­reicht wird, hat bezüg­lich der Sicher­heit natür­lich erheb­li­che Bedeu­tung. Couret et al. unter­such­ten dies­be­züg­lich die Sicher­heit und Effi­zi­enz von der subkon­junk­ti­va­len Stero­id­ga­be im Vergleich zur intra­vit­rea­len Gabe in der Thera­pie des uvei­ti­schen und post­ope­ra­ti­ven Maku­la­ödems. Die Studie wurde kürz­lich im „British Jour­nal of Ophthal­mo­lo­gy“ publiziert.

Ziel der retro­spek­ti­ven Studie war der Vergleich der Wirk­sam­keit von subkon­junk­ti­va­len Triamci­no­lo­nace­tonid-Injek­tio­nen und intra­vit­rea­len Injek­tio­nen von 700 µg Dexa­me­tha­son-Implan­ta­ten zur Reduk­ti­on der zentra­len Maku­la­di­cke (CMT) bei uvei­ti­schem und post­ope­ra­ti­vem Maku­la­ödem (ME). In der multi­zen­tri­schen, rando­mi­sier­ten Vergleichs­stu­die wurden die Pati­en­ten im Verhält­nis 1:1 rando­mi­siert und erhiel­ten entwe­der Triamci­no­lon oder Dexa­me­tha­son. Primä­rer Endpunkt war die Diffe­renz der CMT der behan­del­ten Augen zwischen Studi­en­be­ginn und bis zu drei Mona­ten nach der Gabe. Sekun­dä­re Endpunk­te umfass­ten u.a. die Sehschär­fe, Glas­kör­per­trü­bun­gen, Wirk­dau­er, Verträg­lich­keit der Injek­tio­nen und Nebenwirkungen.

Es wurden 106 Pati­en­ten in die Studie aufge­nom­men und es zeigte sich, dass subkon­junk­ti­va­le Injek­tio­nen der intra­vit­rea­len Injek­tio­nen insbe­son­de­re im drit­ten Monat nicht unter­le­gen waren. Es gab außer­dem keinen signi­fi­kan­ten Unter­schied beim Auftre­ten von Neben­wir­kun­gen. Die Autoren folger­ten aus ihren Ergeb­nis­sen, dass die subkon­juk­ti­va­le Injek­ti­on eine sinn­vol­le Alter­na­ti­ve  zur Intra­vit­rea­len Dexa­me­tha­son Injek­ti­on darstellt. Außer­dem stell­ten sie heraus, dass der Thera­pie­be­ginn mit einer subkon­junk­ti­va­len Injek­ti­on bei einem schlech­ten Anspre­chen nicht die Option einer Umstel­lung auf eine intra­vit­rea­le Injek­ti­on verschließt. Soll­ten wir also zunächst immer mit subkon­junk­ti­va­len Injek­tio­nen beim post­ope­ra­ti­ven und uvei­ti­schen Maku­la­ödem star­ten? Weite­re Studi­en und Leit­li­ni­en könn­ten hier sehr hilf­reich sein und helfen Risi­ken zu mini­mie­ren, Praxis­ab­läu­fe zu verein­fa­chen und Kosten zu reduzieren. 

Die vorge­stell­ten Publi­ka­tio­nen zeigen, wie auch in unse­ren sehr häufig vorkom­men­den Thera­pie­fel­dern Stan­dards noch zu hinter­fra­gen und weite­re Opti­mie­run­gen möglich sind. Die Medi­zin bleibt im Wandel genau wie das Wetter.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen noch einen wunder­ba­ren Sommer.

Ihr Detlef Holland

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