Management in der Augenheilkunde: Transformation im Arbeitsleben ist essenziell
Liebe Leserinnen und Leser von Kompakt Ophthalmologie,
in meinem vergangenen Editorial aus dem April habe ich mich aus aktuellem Anlass mit Augenverletzungen im Rahmen von kriegerischen Konflikten beschäftigt. Mittlerweile hat es sich leider bewahrheitet, dass Verletzte zur Behandlung u.a. nach Deutschland ausgeflogen werden müssen. Der Krieg dauert an und es ist kein Ende in Sicht. Die gesamte Welt ist von den Konsequenzen betroffen und es müssen neue Wege beschritten werden, um der Aggression entgegenzutreten und die negativen Folgen so gering wie möglich zu halten. Es bleibt zu hoffen, dass für alle Menschen schnellstmöglich eine Beendigung des Krieges eintritt und wieder ein Stück weit Normalität erlangt werden kann.
Auch wenn die Situation natürlich nicht vergleichbar ist, so müssen auch wir Augenärzte ständig auf neue Situationen reagieren, um für unsere Patienten eine optimale Augenheilkunde anbieten zu können. Ohne ständige Anpassung an Abrechnungsmodalitäten, moderne Therapie und auch in der Personalführung ist heute eine erfolgreiche Praxistätigkeit nicht mehr möglich. Insbesondere für eigenständige Praxen und MVZ ist es aufgrund der Tätigkeit von Finanzinvestoren ein Deutschland immer wichtiger, auf allen Ebenen eine professionelle Praxisführung zu etablieren. Nur so ist es möglich, sich gegen die wachsende Konkurrenz und die Kapitalkraft der Investoren zu behaupten. Diese Herausforderung sollte man mit Freude annehmen, denn es ermöglicht uns auch als Ärzten, ständig in einer Transformation hin zu einem modernen und erfolgreichen Arbeitsumfeld zu sein. Meistens sprechen wir ja in diesem Editorial von neuen Publikationen aus internationalen Journalen, und so gilt es für mich heute, einmal diesen Pfad zu verlassen.
Kürzlich ist das Management Handbuch Augenheilkunde von Haupt und Zeitz erschienen (ISBN 978–3‑86216–848‑4). Der Untertitel ist die Botschaft des Buches: Kliniken, MVZ und Praxen erfolgreich führen. Hier zeigt sich eine klare Aussage: Auch eine Praxis muss heute so konsequent wie ein MVZ oder eine Klinik geführt werden, um erfolgreich zu sein.
Betrachten wir doch einmal einige wichtige Kernpunkte des Buches. Aufgrund großer Kapitalströme durch Investoren in die Augenheilkunde hinein unterliegt die Versorgung in Deutschland einem starken Wandel. Zum einen entstehen immer größere finanzgesteuerte Großunternehmen, welche auch relativ schnell ihren Besitzer wechseln. Gleichzeitig wird durch die demografische Veränderung der Markt in der Augenheilkunde in den nächsten Jahren weiter wachsen. Laut einer Studie zur Gesundheit Erwachsener suchten im Jahr 2018 etwa 30% der Deutschen im Alter zwischen 18 bis 79 Jahren einen Augenarzt auf, ab 60 Jahren sogar bis zu 50%. Die Volkskrankheiten wie Grauer Star, Glaukom und Makuladegeneration nehmen mit dem demografischen Wandel weiter zu und erlauben es allen Dienstleistern, egal ob groß oder klein, sich erfolgreich am Markt zu behaupten und einen Beitrag zur medizinischen Versorgung zu leisten. Mehr als 1 Million Kataraktoperationen und ca. 1,5 Millionen intravitreale Injektionen sollen laut Studien im Jahr 2018 durchgeführt worden sein. Diese hohen Fallzahlen verdeutlichen, dass ein sehr hoher Aufwand an Personal‑, Prozess‑, Raum- und Qualitätsmanagement notwendig ist, um dieser Herausforderung gerecht zu werden. Gleichzeitig ist natürlich auch die Politik gefragt, wenn man bedenkt, dass laut einer Studie der DOG bis 2030 ca. 30% mehr Augenarztpraxen notwendig sein werden, um den Bedarf zu decken.
Als Ärzte müssen wir uns diesen Aufgaben stellen und bereit sein, unsere Tätigkeit ständig den Umständen anzupassen. Hierfür sind laut Haupt und Zeitz folgende Schlüsselfaktoren entscheidend: 1. Offenheit für Transformation: Die Akteure in der Augenheilkunde müssen bereit sein, sich schnell und falls möglich proaktiv den Veränderungen in allen Bereichen anzupassen. Dazu gehören sowohl die immer schneller werdenden diagnostischen Möglichkeiten als auch Abrechnungsfragen oder die Herausforderung durch die wachsenden Ketten und Monopolisierung. Als 2. wichtiger Punkt wird die Integrationsfähigkeit genannt. Hierbei ist zum einen die Integration in wachsende Ketten, aber auch die weitsichtige Kooperation mit einem jungen übernehmenden Kollegen in einer Einzelpraxis gemeint. Wer im Markt bestehen will, darf nicht alleine agieren. Bei Zusammenschlüssen, egal welcher Art auch immer, ist die Integrationsfähigkeit von großem Vorteil. Als 3. Erfolgsfaktor wird die Attraktivität als Arbeitgeber genannt. Wie in allen Wirtschaftsbereichen hat auch im medizinischen Sektor der Personalmangel Einzug gehalten. Dieser Mangel betrifft den ärztlichen und den medizintechnischen Personalzweig gleichermaßen. Es gilt dabei, eine attraktive Marke aufzubauen, welche sowohl das vorhandene Personal bindet als auch eine Sogwirkung für neue Mitarbeiter darstellt. Hierfür sind u.a. ein respektvolles und wertschätzendes Arbeitsklima sowie vielseitige Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen und flexible Arbeitszeitmodelle von großer Bedeutung. Prozessmanagement wird als 4. Erfolgsfaktor genannt. Nicht nur die Patienten, sondern auch insbesondere das Personal und damit das Arbeitsklima profitieren von optimierten Abläufen in der Praxis. Die Zentren, welche die Prozesse bestmöglich definiert haben und diese immer weiter optimieren, werden in Zukunft die Gewinner sein. Davon profitiert der Patient durch eine optimale Versorgung und kurze Wartezeiten, das Personal durch Stressreduktion in den Abläufen und der Unternehmer durch den unternehmerischen Gewinn. Mit diesem Stichwort kommen wir zum entscheidenden Punkt 5: der Kapitalverfügbarkeit. Diese ist eng mit dem unternehmerischen Erfolg verknüpft. Egal ob Einzelpraxis oder Großkonzern – ohne optimale betriebswirtschaftliche Führung sind notwendige Investitionen in die medizinische Zukunftsfähigkeit nicht möglich. Beachtet man diese Kernpunkte, so ist die Aussicht auf Erfolg in dem sich schnell wandelnden Ophthalmo-Markt für alle Beteiligten möglich. Falls nicht, ist die Zukunft eher ungewiss, und ein stürmischer Gegenwind kommt auf. In diesem Sinn macht es sicher für Augenärzte Sinn, sich einmal intensiv mit dem Management in der Augenheilkunde zum Beispiel mithilfe des genannten Werkes zu beschäftigen.
Abschließend möchte ich noch auf einen sehr positiven Trend in der Augenheilkunde hinweisen, der sicher auch sehr viel mit Prozessoptimierung zu tun hat. Zafar und Co-Autoren berichten aktuell in „Opthalmology“, dass die postoperative Endophthalmitis als das Schreckensgespenst jeden Augenarztes weiter rückläufig ist. Retrospektiv wurden Medicare-Daten von mehr 14 Millionen Patienten aus den Jahren 2011 bis 2019 analysiert. Es zeigte sich, dass die Rate von 2012 von 1,53/1000 auf 1,1/1000 zurückgegangen ist. Eine Kombination von invasiver Glaukom- oder Retinachirurgie konnte als Risikofaktor für das Auftreten nachgewiesen werden. Eine weitere Verbreitung von intrakameraler Antibiotikagabe werde diesen Trend noch weiter verbessern, so die Autoren.
Zum Schluss noch ein kleiner Beweis für eine alltägliche Beobachtung. Dass Patienten mit Katarakt zu einer myopisierenden Kernkatarakt neigen können, ist allgemein bekannt. Wang et al. aus Suzou (China) konnten nun in einer retrospektiven Studie mit Patienten zeigen, dass der Grad der Linsendichte („nuclear densitiy“) direkt mit der Myopisierung korreliert. Gemessen wurde mit dem Swept-Source-OCT des IOL Master 700, und die Autoren verglichen die Ergebnisse mit einer Kontrollgruppe. Mittels Regressionsanalyse wurde der Zusammenhang zwischen Myopie und okulären Parametern untersucht. Bezüglich der Linsendichte konnte eine direkte Korrelation hergestellt werden. Sicherlich macht es Sinn und Spaß, diese Parameter auch im klinischen Alltag einmal mit einem Blick auf den IOL-Master-Ausdruck zu bewerten.
In diesem Sinn wünsche ich Ihnen viel Freude bei der Transformation im Arbeitsleben in den großen und kleinen Bereichen unserer Tätigkeit.
Ihr Detlef Holland