2021! — Blick nach vorn! — „Let´s rock it“…

Prof. Dr. med. Uwe Pleyer

Sehr geehr­te, liebe Kolle­gin­nen und Kollegen,


wir begrü­ßen Sie ganz herz­lich zur ersten Ausga­be von Kompakt Ophthalmologie/2021 und hoffen, sie sind posi­tiv gestimmt im neuen Jahr ange­kom­men. Wir lassen ein außer­ge­wöhn­li­ches Jahr voller Unwäg­bar­kei­ten und Unsi­cher­hei­ten hinter uns. Umsicht und Vorsicht sind zwar weiter­hin gebo­ten, aber rich­ten wir den Blick nach vorn!

In diesem Sinne präsen­tie­ren wir Ihnen eine Auswahl inter­es­san­ter Arti­kel, die für unser aktu­el­les und künf­ti­ges Handeln wich­tig sind. Die medi­zi­ni­schen Heraus­for­de­run­gen blei­ben. Bei einem weiter zuneh­men­dem Anteil älte­rer Pati­en­ten werden alters­be­zo­ge­ne, dege­ne­ra­ti­ve Augen­er­kran­kun­gen weiter anstei­gen und hohe Anfor­de­run­gen an eine gute Versor­gung stellen. 

Entspre­chend haben wir für Sie einen Einstieg in entspre­chen­de Themen gewählt und einige aktu­el­le Arbei­ten „heraus­ge­pickt“.

Große Erwar­tun­gen werden an sie geknüpft: die ROCK-Inhi­bi­to­ren. In Japan sind sie bereits seit 2014 in der Glau­kom­be­hand­lung etabliert, weite­re poten­zi­el­le Indi­ka­tio­nen könn­ten sich abzeich­nen. Können sie den „Sieges­zug“ der DMEK in der Behand­lung der Fuchs-Horn­haut-Dystro­phie durch eine einfa­che Tropf­ap­pli­ka­ti­on beeinflussen?

Rho-Prote­ine sind kleine Mole­kü­le, die eine Viel­zahl komple­xer zellu­lä­rer Prozes­se über Signal­über­tra­gungs­we­ge steu­ern. Sie sind an vasku­lä­ren und neoplas­ti­schen Krank­heits­pro­zes­sen betei­ligt und daher ein inter­es­san­tes Target für neue Thera­pien. Frau Schlöt­zer-Schrehardt und Mitar­bei­ter aus Erlan­gen stel­len in der Dezem­ber-Ausga­be des „AJO” ermu­ti­gen­de Ergeb­nis­se zur loka­len Anwen­dung vor. Sie zeigen, dass durch den ROCK-Inhi­bi­tor Ripa­su­dil Horn­haut-Endo­thel­zel­len akti­viert werden können und sowohl die Migra­ti­on als auch ihre (entschei­den­de) Pump-Funk­ti­on posi­tiv beein­flusst werden. Die Ergeb­nis­se beru­hen zwar auf Ex-vivo-Unter­su­chun­gen von intra­ope­ra­tiv gewon­ne­nen Endo­thels­he­ets, sie sind aber gut auf klini­sche Frage­stel­lun­gen über­trag­bar. Bemer­kens­wert ist, dass mit einer Einma­l­ap­pli­ka­ti­on ein lang­an­hal­ten­der und alters­un­ab­hän­gi­ger Effekt erreicht wurde. Die Unter­su­cher folgern aus ihren Ergeb­nis­sen, das frühe Stadi­en der Fuchs-Dystro­phie posi­tiv beein­flusst werden können und damit die DMEK vermie­den werden könnte. Vermut­lich wird sich die Anwen­dung von ROCK-Inhi­bi­to­ren zunächst auf das Glau­kom konzen­trie­ren, aber es könn­ten sich schon am Hori­zont neue Entwick­lun­gen abzeichnen.

Blei­ben wir bei der Glau­kom­be­hand­lung und leiten gleich­zei­tig zum 2. Thema über: der Thera­pie der Alters­ab­hän­gi­gen Maku­la­de­ge­ne­ra­ti­on (AMD). Beide Erkran­kun­gen liegen häufig als Komor­bi­di­tät vor. Schon seit Länge­ren wurde vermu­tet, das adju­van­te Effek­te durch eine lang­fris­ti­ge Glau­kom­the­ra­pie auftre­ten können. Umfas­sen­de, aussa­ge­kräf­ti­ge Studi­en liegen bisher dazu nicht vor. Grund­vor­aus­set­zung dafür sind große Pati­en­ten­zah­len. Dieser Heraus­for­de­rung haben sich Eton et al. aus Ann Arbor (USA) gestellt: Sie haben in einer großen retro­spek­ti­ven Daten­er­he­bung mehr als 130.000 Glau­kom­pa­ti­en­ten analy­siert. Die Autoren unter­such­ten einer­seits das Risiko für eine AMD-Entwick­lung in dieser Kohor­te. Ande­rer­seits wurde das Fort­schrei­ten zu einer „feuch­ten Form“ nach­ver­folgt. Die Forscher kamen dabei zu inter­es­san­ten Ergeb­nis­sen. Pati­en­ten unter Behand­lung mit Prosta­glan­din-Analo­ga wiesen ein hoch­si­gni­fi­kant gerin­ge­res Risiko für die Entwick­lung einer AMD auf (p<0,0001!). Ein gegen­tei­li­ger Effekt war demge­gen­über bei topi­schen Alpha-2-Agonis­ten aus den Kran­ken­un­ter­la­gen hervor­ge­gan­gen. Unter dieser Thera­pie wurde signi­fi­kant häufi­ger eine AMD neu doku­men­tiert. Für Alpha-2-Agonis­ten wurde auch der Über­gang von einer nicht-exsu­da­ti­ven AMD in eine exsu­da­ti­ve Form häufi­ger nach­ge­wie­sen, während topi­sche Carbo­an­hy­dra­se-Hemmer hier ein signi­fi­kant verrin­ger­tes Risiko zeig­ten. Die Effek­te unter Behand­lung mit alpha-Agonis­ten wider­spre­chen aller­dings der bishe­ri­gen Annah­me, die von einem eher neuro­pro­tek­ti­ven Effekt ausgeht. So befin­det sich z.B. aktu­ell ein Brimo­n­i­din-Implan­tat in einer Phase-III-Prüfung zur präven­ti­ven Beein­flus­sung der geogra­phi­schen Atro­phie. Die Autoren legen für ihre Ergeb­nis­se plau­si­ble Erklä­run­gen vor. Gleich­zei­tig mahnen sie zur Vorsicht bei der Inter­pre­ta­ti­on der Daten und empfeh­len, diesen Ergeb­nis­sen weiter nach­zu­ge­hen. Ein inter­es­san­ter Aspekt, dem sicher­lich weite­re Beach­tung gebührt. 

Reti­ku­lä­re Pseu­do­dru­sen sind als ein wich­ti­ger Risi­ko­fak­tor für das Fort­schrei­ten der AMD bekannt. Ein frühes, siche­res Erken­nen ist daher wich­tig und kann progno­se­be­stim­mend sein.  Pseu­do­dru­sen lassen sich zwar bereits bei klini­scher Fundus­ko­pie erken­nen, bild­ge­ben­de Verfah­ren haben aber auch hier die Diagnos­tik deut­lich verbes­sert. In der Dezem­ber-Ausga­be von „Ophthal­mo­lo­gy” gehen Keenen und Mitar­bei­ter aus Bethes­da (USA) der Frage nach, inwie­weit die Beur­tei­lung auto­ma­ti­siert werden kann. Sie wenden dazu einen Deep-Lear­ning-Algo­rith­mus an, um Pseu­do­dru­sen durch Fundus-Auto­fluo­res­zenz­bil­der oder in Farb­fun­dus­bil­dern zu erken­nen. Die Auswer­tung von >11.000 FAF und CFP (die aus der AREDS2-Studie stam­men) zeigen sehr gute Ergeb­nis­se des Algo­rith­mus gegen­über vier erfah­re­nen Ophthal­mo­lo­gen.  Einmal mehr erweist sich damit „künst­li­che Intel­li­genz“ bei der bild­ge­ben­den Diagnos­tik nicht nur als sehr zuver­läs­sig und valide, sondern auch gegen­über uns als Augen­ärz­ten überlegen.

Die Erfol­ge in der Behand­lung der AMD sind an ein gutes Moni­to­ring geknüpft. Nicht nur in Zeiten des Lock­downs wäre eine valide Eigen­kon­trol­le, die über die bedingt aussa­ge­kräf­ti­ge Amsler­kon­trol­le hinaus­geht, extrem hilf­reich. Bisher kaum vorstell­bar – aber doch schon zum Grei­fen nahe – schei­nen OCT Geräte, die vom Pati­en­ten zuhau­se verwen­det werden können. In der jüngs­ten Ausga­be der „Klini­schen Monats­blät­ter für Augen­heil­kun­de“ teilen Kolle­gen aus Tel Aviv (Israel) ihre sehr ermu­ti­gen­den Erfah­run­gen.  Das verwen­de­te „Notal Vision Home OCT“ erwies sich für die durch­weg hoch­be­tag­ten Pati­en­ten als einfach bedien­bar. Es liefer­te auch bei schwer einge­schränk­ter Sehfä­hig­keit noch aussa­ge­kräf­ti­ge Befun­de für rele­van­te Verän­de­run­gen, wie z.B. subre­ti­na­le Flüs­sig­keit. Falsch-posi­ti­ve bzw. ‑nega­ti­ve Befun­de wurden ledig­lich bei ca. 1% beob­ach­tet. Offen blei­ben noch Fragen – wie eine (siche­re) Über­mitt­lung der Daten an den Augen­arzt erfol­gen kann und inwie­fern Befun­de bereits vorab durch intel­li­gen­te, direk­te Daten­aus­wer­tung analy­siert werden können. Immer­hin, ein erster Schritt in eine viel­ver­spre­chen­de Entwick­lung ist getan.

Zusam­men­ge­fasst begin­nen wir ein in jeder Hinsicht span­nen­des Jahr. Viele Heraus­for­de­run­gen blei­ben – gleich­zei­tig zeich­nen sich viel­fäl­ti­ge neue Lösungs­mög­lich­kei­ten ab!

Wir als Team von Kompakt Ophthal­mo­lo­gie sehen dies auch für 2021 als unsere Aufga­be an und werden und sie bei neuen Entwick­lun­gen und Nütz­li­chem für Ihren Alltag begleiten.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen einen posi­ti­ven, hoff­nungs­vol­len Jahresbeginn.

Ihr

Uwe Pleyer

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