BIERMANN – Vancouver (Kanada). Geschlechterspezifische Ansätze für die Diagnostik und Therapie verschiedenster Erkrankungen werden immer stärker erforscht. Nun haben Wissenschaftler aus Erkenntnissen einer groß angelegten Analyse von Fundusbildern die Hypothese generiert, dass sich eine diabetische Retinopathie (DR) je nach Geschlecht unterschiedlich manifestieren könnte. Demnach besitzen Frauen möglicherweise einem höheren Risiko für ein Makulaödem (ME), während Männer einem höheren Risiko für eine proliferative DR (PDR) ausgesetzt sein könnten.
„Abgesehen von Überlegungen während einer Schwangerschaft wird das Geschlecht derzeit bei Diagnose, Management oder Therapie von DR nicht berücksichtigt“, betonen die Forschenden um Erstautor Parsa Delavari von der Universität British Columbia in der Zeitschrift „PLoS One“.
Um herauszufinden, ob sich eine DR bei männlichen und weiblichen Patienten unterschiedlich manifestiert, bedienten sich die Wissenschaftler eines Datensatzes von 2967 Netzhautbildern und nutzen Convolutional Neural Networks (CNN). Die Aufnahmen ordnete man einer männlichen und einer weiblichen Gruppe zu und sortierte sie zudem nach Alter, ethnischer Zugehörigkeit, Schweregrad der DR und Hämoglobin-A1C-Werten. Im zweiten Schritt führte man eine Feinabstimmung von 2 vortrainierten VGG16-Modelle durch: Eines wurde mit dem ImageNet-Datensatz trainiert und das andere mit einer Geschlechtsklassifizierungsaufgabe unter Verwendung von Bildern des Augenhintergrundes gesunder Menschen. Die dabei erzielten Flächen unter der Kurve (AUC) geben die Forschenden mit 0,72 bzw. 0,75 an – deutlich über dem Zufallsniveau.
Um herauszufinden, wie diese Modelle zwischen männlichen und weiblichen Netzhäuten zu unterscheiden in der Lage sind, erstellten die Studienautoren Salienzkarten, in denen kritische Netzhautbereiche für eine korrekte Klassifizierung hervorgehoben werden. Diese Karten zeigten, dass sich CNNs je nach Geschlecht auf unterschiedliche Netzhautbereiche konzentrierten: auf die Makula bei Frauen und auf die Sehnervenpapille und die peripheren Gefäße entlang der Arkaden bei Männern. Dieses Muster unterschied sich deutlich von den Salienzkarten, die von an gesunden Augen trainierten CNNs erstellt wurden.
(ac)