
Liebe Leserinnen und Leser von Kompakt Ophthalmologie,
schon wieder ist das Jahr zur Hälfte um. Die Zeit rast nur so dahin und wir rasen mit. Um in dieser herausfordernden Zeit unsere Arbeit erfolgreich und zu unserer Zufriedenheit zu bewerkstelligen, erfordert es ein hohes Maß an Standardisierung und hoher Effektivität.
Eine interessante Arbeit zum Thema Effizienzoptimierung veröffentlichten kürzlich Hanna et al. im „Journal of Cataract and Refractive Surgery“. In ihrer Publikation beschäftigten sie sich mit dem Thema virtuelle Nachsorge nach Kataraktoperation. Dazu wurden die Datenbanken Medline, Embase und CINAHL bis zum Oktober 2023 nach relevanten Artikeln und Daten durchsucht. Ziel war es herauszufinden ob es Belege für die Sicherheit der telefonischen Nachsorge nach Kataraktoperationen gibt.
Das Risiko für Bias (RoB) wurde mithilfe der Bewertungsinstrumente Newcastle-Ottawa und RoB2 ermittelt. Die Forschenden berücksichtigten Studien, welche Patienten einschlossen, die im Rahmen einer virtuellen Nachsorge (d. h. per Telefon oder Videoanruf) nach einer Kataraktoperation untersucht wurden und über funktionelle Ergebnisse berichteten. Interessanterweise zeigten sich keine signifikanten Unterschiede bezüglich der Komplikationsraten und der postoperativen Sehschärfe. Keine der Studien berichtete über schwerwiegende Nebenwirkungen durch den Ersatz der persönlichen Nachsorge durch die telefonische Kontrolle. Eine Studie kombinierte virtuelle Nachsorge mit persönlichen Besuchen bei älteren Patienten und ergab, dass zusätzliche telefonische Nachsorge mit einer verkürzten chirurgischen Genesungszeit und einer geringeren Angst der Patienten verbunden war. Einige Studien zeigten sogar, dass die Patienten die telefonische Nachsorge gegenüber der persönlichen als angenehmer empfanden.
Wir wissen insgesamt noch wenig über die Bedeutung der virtuellen Nachsorge. Die Akzeptanz nach einer unkomplizierten Linsenoperation scheint bei den Patienten aber sehr hoch zu sein. Auch die hohe Sicherheit und die vergleichbaren funktionellen Ergebnisse sprechen für die virtuelle Nachsorge. Weitere Studien sind jedoch notwendig, um eine Optimierung der virtuellen Nachsorge zu ermöglichen. Es stellen sich hier sicher Fragen nach der Häufigkeit der Nachsorge, der richtigen Beurteilung dessen, ob und wann auf eine persönliche Kontrolle umgestiegen werden muss, um Komplikationen zur vermeiden. Zu klären gilt es auch, welche Patienten geeignet sind, die telefonischen Fragen adäquat zu beantworten, und wer eher nicht dazu in der Lage ist. Langfristig werden wir wohl bei der aktuellen demografischen Entwicklung und dem Ärztemangel nicht an dieser Form der Nachsorge vorbeikommen. Videocalls werden hierbei sicher ein wichtiges Tool sein. Ebenso werden Online-Sehtests auch eine einfache Beurteilung des Visus ermöglichen und so die Sicherheit und Effizienz virtueller Kontrollen erhöhen. Wer weiß schon, ob nicht bald spezialisierte Roboter in selbstfahrenden Autos unsere Patienten zu Hause postoperativ untersuchen werden. Möglich wird dies in naher Zukunft sicher sein. Es stellt sich hier nur wieder die große Frage der Kosten. Wenn im großen Stil medizinische Roboter im Einsatz sind, werden die Kosten für die Produktion und die Anwendung jedoch schnell sinken. Es kommen wirklich spannende Zeiten auf uns zu.
Neben der Technologisierung unseres Lebens spielt bei den endlichen Ressourcen unserer Welt die Nachhaltigkeit in allen Bereichen unseres Alltags eine wichtige Rolle. Jeder, der den Alltag in unseren Operationssälen kennt, weiß wie viel Müll wir täglich produzieren. Der Gesundheitssektor verursacht aktuell etwa 4,4–5,0 % der weltweiten Treibhausgasemissionen. Es stellt sich automatisch die Frage, wie wir dieses Problem angehen können, ohne die Hygiene und Sicherheit zu reduzieren. Kiyat et al. haben hierzu eine interessante Übersichtsarbeit publiziert. Wie in der zuvor besprochenen Arbeit nutzte auch dieses Team eine umfangreiche Literaturrecherche. Für die Augenheilkunde liegen natürlich die größten Einsparmöglichkeiten im Bereich der Kataraktchirurgie. Hier zeigen sich unglaubliche regionale Unterschiede. Der CO2-Fußabdruck einer einzelnen Kataraktoperation beträgt so z.B. im Vereinigten Königreich 181,8 kg CO2-Äquivalent, während er im indischen Aravind-Modell lediglich 6 kg CO2-Äquivalent beträgt. Die vergleichbaren postoperativen Endophthalmitisraten zwischen den im indischen System angewandten Wiederverwendungsprotokollen und den in Industrieländern bevorzugten Einwegmaterialien belegen, dass Nachhaltigkeit ohne Beeinträchtigung der Patientensicherheit erreicht werden kann. Wir sehen also, dass wir ein sehr hohes Einsparpotenzial haben und dieses nur noch ausschöpfen müssen. Allerdings stellen regulatorische Vorgaben in den Industrieländern und die unterschiedlichen Einstellungen unter Augenärzten bezüglich der operativen Standards eine Herausforderung für die Verbreitung nachhaltiger Praktiken dar. Wenn wir z.B. einen Blick auf die Regulationsflut innerhalb der EU werfen, können wir erahnen, mit welchen Herausforderungen wir uns hier konfrontiert sehen, wenn wir Veränderungen erreichen wollen. Der Vergleich zwischen Indien und dem CO2-Fußabdruck in Großbritannien legt die Vermutung nahe, dass viele der Vorschriften, nach denen wir arbeiten müssen, nicht die Sicherheit erhöhen und zugleich der Umwelt nicht zuträglich sind. Sicherlich wird diese Situation in vielen Bereichen unserer industrialisierten, westlichen Welt ähnlich sein und so die Umweltbelastung grundlos erhöhen. In unserem schwerfälligen bürokratischen System wird es aber schwer sein, hier sinnvolle Vereinfachungen herbeizuführen. Und es wird vermutlich sehr lange dauern. Gleichzeitig ist die weitere Forschung und Prozessentwicklung von großer Bedeutung für die Schaffung eines nachhaltigeren Gesundheitssystems für zukünftige Generationen.
Auch in der nächsten Publikation geht es um die Kataraktchirurgie. Di Zazzo et al. publizierten in „Cornea“ eine spannende Arbeit über die Prophylaxe von Oberflächenstörungen nach der Operation. 20–35 % der Patienten sind nach einer Kataraktoperation aufgrund von Beschwerden an der Augenoberfläche unzufrieden. Neben dem klassischen Sicca-Syndrom mit Meibomdrüsen-Dysfunktion spielt eine altersbedingte Parainflammation eine wichtige Rolle. In der prospektiven, randomisierten Studie von Di Zazzo et al. sollte der Einfluss einer immunmodulierenden prophylaktischen Therapie mit 0,1% Cyclosporin-Augentropfen untersucht werden. Einhundert Patienten mit Katarakt wurden vor einer Kataraktoperation in vier Gruppen eingeteilt. Die Gruppen A (Patienten <65 Jahre) und B (>75 Jahre) wurden nur operiert. Die Gruppen C und D, beide bestehend aus Patienten älter als 75 Jahre, erhielten 30 Tage vor der Operation Augentropfen mit 0,1 % Cyclosporin A bzw. CE-befeuchtende Augentropfen zweimal täglich. Die Patienten wurden 90 Tage nach der Operation nachbeobachtet und Störungen der Augenoberfläche bzw. der Einfluss der prophylaktischen Cyclosporin Therapie untersucht.Gruppe B, in der die Patienten über 75 Jahre alt waren und keine Begleittherapie erhielten, wies während des gesamten Untersuchungszeitraumes im Vergleich zu allen anderen Gruppen eine stärker ausgeprägte Oberflächenstörung auf. In der jungen Gruppe A waren die Symptome typischerweise seltener. Gruppe C erzielte an Tag 45 im Vergleich zu Gruppe B signifikante Reduktionen der Werte der konjunktivalen Symptombewertung bzgl. des trockenen Auges, der konjunktivalen Hyperämie sowie der Meibomdrüsenfunktionsstörung. Die Tränenfilmaufrisszeit war zusätzlich verlängert. Die Transkription von Entzündungsmarkern der Augenoberfläche war in Gruppe C im Vergleich zu Gruppe B nach 90 Tagen signifikant reduziert. Auch im Vergleich mit der Gruppe, in der die Patienten nur Tränenersatzmittel benutzt hatten, war die Cyclosporingruppe mit geringeren Entzündungszeichen vergesellschaftet. Die Autoren schlussfolgerten, dass gerade bei Patienten über 75 Jahren die prophylaktische Gabe von Cyclosporin einen positiven Einfluss auf die Augenoberfläche und damit auf die Patientenzufriedenheit nach einer Linsenoperation haben kann. Hier stellt sich natürlich die Frage, wie gegebenenfalls eine prophylaktische Gabe dieser kostenintensiven Augentropfen zu finanzieren ist. Aus dem normalen Arzneimittelbudget ist dies sicher nicht möglich. Wird bessere Medizin auch in diesem Fall zur einer individuellen Gesundheitsleistung? Wie können wir als Ärzte auf solche Daten reagieren und unsere Patienten optimal versorgen? Der Alltag wird es zeigen. Mit diesem Editorial möchte ich mich in den Sommer verabschieden. Genießen Sie die Urlaubszeit und tanken Sie Kraft für sich und Ihre Patienten.
Mit freundlichen Grüßen,
Detlef Holland