Neue Studi­en zur Ophthalmochirurgie

 

Dr. Detlef Holland, Heraus­ge­ber „Surgi­cal“ © privat

Liebe Lese­rin­nen und Leser von Kompakt Ophthalmologie,

die Einlei­tung des Edito­ri­als im Febru­ar stand noch ganz im Zeichen der bevor­ste­hen­den Bundes­tags­wahl. Nun ist die Wahl vorbei und wir sehen, dass die Poli­tik nicht mehr bere­chen­bar ist. „Was inter­es­siert mich mein Geschwätz von gestern“ ist das salon­fä­hi­ge Motto geworden.

Wenn wir unsere Pati­en­ten so über bevor­ste­hen­de Behand­lun­gen aufklä­ren würden, wären wir wohl mit einer Flut von Klagen konfron­tiert. Zum Glück arbei­ten wir anders und klären weit­rei­chend und genau über Behand­lun­gen auf. Ärzt­li­che Behand­lun­gen sind keine Wunder­tü­te von der Art, wie sich die Poli­tik in Deutsch­land gerade präsen­tiert. Gerade im Bereich der Linsen­chir­ur­gie können wir unsere Pati­en­ten sehr gut nach exak­ter Aufklä­rung über die bevor­ste­hen­de Opera­ti­on und das zu erwar­ten­de Ergeb­nis aufklä­ren. Medi­zin ist und bleibt eine Vertrau­ens­sa­che und wir werden alle in Zukunft auch weiter darauf achten, dass dies so bleibt. Unsere Pati­en­ten können sich dabei auf uns verlas­sen. Die Poli­tik scheint hier zuneh­mend andere Wege zu bestrei­ten. Es wird span­nend werden. Inter­es­sant ist auch die Frage, wer das Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um beset­zen wird. Karl Lauter­bach scheint aus dem Rennen. Wohl auch aufgrund seiner kurz­sich­ti­gen Kommen­ta­re im Netz. Ich finde, wir hätten alle einen Minis­ter verdient, der weni­ger mit Auftrit­ten in Talk­shows und auf den Social-Media-Platt­for­men glänzt als viel­mehr mit wirk­li­cher Fach­kom­pe­tenz. Diese braucht es ganz sicher, um das Gesund­heits­sys­tem durch die bevor­ste­hen­den Stürme zu lenken. Dem stei­gen­den Kosten­druck werden mit großer Wahr­schein­lich­keit sinken­de Zuflüs­se gegen­über­ste­hen. Weit­blick ist gefragt! 

In diesem Sinne kehre ich nun zur Augen­heil­kun­de zurück und möchte mit ihnen einige span­nen­de Arti­kel aus dem Bereich der Chir­ur­gie besprechen.

Sayegh et al. beschäf­ti­gen sich im „Jour­nal of Pain“ mit einem span­nen­den Thema, das leider zum Alltag unse­res tägli­chen Arbei­tens gehört und mögli­cher­wei­se mehr Beach­tung finden sollte. Häufig wird nach einer perfek­ten Kata­rak­t­ope­ra­ti­on ein opti­ma­les visu­el­les Ergeb­nis durch post­ope­ra­ti­ve Schmer­zen belas­tet. Die Arbeits­grup­pe unter­such­te daher die Präva­lenz und Risi­ko­fak­to­ren für chro­ni­sche post­ope­ra­ti­ve Schmer­zen (CPOP) nach einer Linsen­ope­ra­ti­on. Dazu wurden in einer Post-hoc-Analy­se Daten der Age-Rela­ted Eye Dise­a­se Study (AREDS) ausge­wer­tet. In dieser multi­zen­tri­schen, kontrol­lier­ten, rando­mi­sier­ten Studie zu anti­oxi­da­tiv­en Vitami­nen und Mine­ral­stof­fen zur Behand­lung der AMD wurden u.a. auch Augen­schmer­zen anhand von Frage 4 des Visual Func­tion Ques­ti­on­n­aire (NEI-VFQ-25) des Natio­nal Eye Insti­tu­te ermit­telt. Multi­va­ria­ble Regres­si­ons­mo­del­le unter­such­ten Zusam­men­hän­ge zwischen poten­zi­el­len Risi­ko­fak­to­ren (Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index, Rauchen, Diabe­tes, Bildungs­ni­veau, Einnah­me von entzün­dungs­hem­men­den Mitteln, Einnah­me von Anta­zi­da, allge­mei­ner Gesund­heits­zu­stand, AREDS-Behand­lungs­grup­pe) und CPOP. Von den 325 einge­schlos­se­nen Teil­neh­mern (Durch­schnitts­al­ter 69,7±4,4 Jahre, 59,4% weib­lich) entwi­ckel­ten 42 (13%) CPOP. Die multi­va­ria­ble Analy­se ergab keine statis­tisch signi­fi­kan­ten Zusam­men­hän­ge für die Wahr­schein­lich­keit, nach einer Kata­rak­t­ope­ra­ti­on CPOP zu entwi­ckeln. Die Studie konnte zeigen, dass unsere Pati­en­ten ein hohes Risiko dafür haben, post­ope­ra­tiv chro­ni­sche Schmer­zen zu entwi­ckeln. Die genaue Ursa­che erscheint weiter nicht eindeu­tig geklärt zu sein. Aufgrund der hohen Präva­lenz erscheint es sehr sinn­voll, hier weiter zum Nutzen und zur Zufrie­den­heit unse­rer Pati­en­ten zu forschen.

Über den medi­zi­ni­schen Stan­dard wissen wir aus unse­rem klini­schen Alltag sehr viel. Inter­es­sant sind aber die Rand­grup­pen. So sind z.B. Daten zu morpho­lo­gi­schen Merk­ma­len und Ergeb­nis­sen extrem kurzer Augen nach Kata­rak­t­ope­ra­tio­nen spär­lich. Hammer et al. unter­such­ten daher Augen, bei denen eine Intraoku­lar­lin­se mit einer Brech­kraft von mehr als 30 dpt implan­tiert wurde. In ihrer retro­spek­ti­ven Kohor­ten­stu­die (Br J Ophthal­mol 27.02.2025; doi: 10.1136/bjo-2024–326998) wurden 300 Augen von 191 Pati­en­ten unter­sucht. Die Augen wurden in die Morpho­lo­gien Nano­ph­thal­mus (N), rela­ti­ver ante­rio­rer Mikro­ph­thal­mus (RAM) und hohe bzw. niedrige/moderate Hyper­opie (HH und MH) einge­teilt. Komor­bi­di­tä­ten, intra- und post­ope­ra­ti­ve Kompli­ka­tio­nen, prä- und post­ope­ra­ti­ve Refrak­ti­on sowie visu­el­le Ergeb­nis­se wurden unter­sucht. Das mitt­le­re präope­ra­ti­ve sphä­ri­sche Äqui­va­lent (SE) betrug +6±2,85 dpt und die mitt­le­re Achsen­län­ge 20,68±0,92 mm. Einen Nanop­thal­mus wiesen 19% und einen ante­rio­ren Mikro­ph­thal­mus 45% der Pati­en­ten. Als Komor­bi­di­tä­ten zeig­ten sich die Ambly­o­pie (14,7%), voran­ge­gan­ge­ne Stra­bis­mus­ope­ra­tio­nen (7,3%), Glau­kom (12,7%) und voran­ge­gan­ge­ne Irido­to­mie (9,4%) als beson­ders häufig. Der präope­ra­tiv korri­gier­te Fern­vi­sus (CDVA) und der post­ope­ra­ti­ve unkor­ri­gier­te Fern­vi­sus (UDVA) unter­schie­den sich nicht signi­fi­kant (0,34±0,39 logMAR vs. 0,47±0,38 logMAR). Der post­ope­ra­ti­ve CDVA verbes­ser­te sich leicht (0,28±0,31 logMAR; p=0,02). Die Kapsel­rup­tur­ra­te war inter­es­san­ter­wei­se nicht signi­fi­kant erhöht. Die Autoren folgern, dass Linsen­ope­ra­tio­nen bei extrem kurzen Augen sicher und effi­zi­ent sind. Die Vorder­kam­mer­tie­fe wird erwar­tungs­ge­mäß verbes­sert und die Gefahr eines akuten Glau­kom­an­falls redu­ziert. Von allen Subty­pen zeig­ten nano­ph­thal­mi­sche Augen die unge­nau­es­ten post­ope­ra­ti­ven Ergeb­nis­se. Die Opera­ti­on ermög­licht insge­samt jedoch auch mit Stan­dard­lin­sen eine deut­li­che Verbes­se­rung der Bril­len­un­ab­hän­gig­keit und führt zu einer sehr hohen Pati­en­ten­zu­frie­den­heit. Die Arbeit bestä­tigt somit unsere klini­sche Erfah­rung, dass unsere hyper­open Pati­en­ten am einfachs­ten zufrie­den­zu­stel­len sind.

Um Sicher­heit und Vorher­sag­bar­keit geht es auch in einer kürz­lich erschie­nen Arbeit von Xu et al. Die Gruppe unter­such­te in einer Meta­ana­ly­se den Einfluss von Kapsel­spann­rin­gen auf das post­ope­ra­ti­ve Ergeb­nis. Exakte Daten zu diesem wich­ti­gen Thema liegen bisher aus großen prospek­ti­ven Studi­en nicht vor. Für die Analy­se wurden die fünf folgen­den Daten­ban­ken durch­sucht: PubMed, Coch­ra­ne Libra­ry, Web of Science, Medli­ne und China Natio­nal Know­ledge Infra­struc­tu­re. Endpunk­te waren der mitt­le­re und abso­lu­te refrak­ti­ve Vorher­sa­ge­feh­ler und die Anzahl der Augen, die inner­halb eines bestimm­ten refrak­ti­ven Vorher­sa­ge­be­rei­ches lagen. Insge­samt konn­ten 407 Augen in acht unab­hän­gi­gen Studi­en einge­schlos­sen werden. Bedenkt man die Anzahl der klini­schen Studi­en zur Kata­rakt­chir­ur­gie, so handelt es sich um eine rela­tiv kleine Anzahl. Die Meta­ana­ly­se deute­te auf signi­fi­kan­te Unter­schie­de sowohl bei der kurz­fris­ti­gen (≤1 Monat) Co-Implan­ta­ti­on als auch bei der lang­fris­ti­gen (≥3 Monate) Co-Implan­ta­ti­on zwischen der Gruppe mit Kapsel­spann­ring und der Kontroll­grup­pe hin. In der Unter­grup­pe mit hoher Myopie wurde jedoch kein signi­fi­kan­ter Unter­schied hinsicht­lich der Kapsel­spann­ring-Implan­ta­ti­on beob­ach­tet. Im Vergleich zur einfa­chen intraoku­la­ren Linsen­im­plan­ta­ti­on ist die Co-Implan­ta­ti­on eines Kapsel­span­nungs­rings anfäl­li­ger für die Entwick­lung hyper­opi­scher Verschie­bun­gen bei nicht­myo­pi­schen Kata­rakt­pa­ti­en­ten. Ursäch­lich scheint hier­für die resul­tie­ren­de Vorder­kam­mer­tie­fe zu sein. Die präope­ra­ti­ve Bestim­mung der Ziel­di­op­trien erfor­dert daher sorg­fäl­ti­ge Abwä­gung. Die Autoren schluss­fol­ger­ten jedoch, dass weite­re prospek­ti­ve Studi­en notwen­dig sind, um die Evidenz der Analy­se weiter zu vertie­fen. Inter­es­sant wären auch Studi­en, die ein sehr langes Follow-up aufwei­sen, um den Nutzen von Kapsel­spann­rin­gen insbe­son­de­re bei einer späte­ren Dislo­ka­ti­on des Kapsel­ap­pa­ra­tes bele­gen zu können. Leider sind hierzu sicher­lich viel zu große Fall­zah­len notwen­dig, welche solche Studi­en schwer durch­führ­bar erschei­nen lassen.

Das refrak­ti­ve Ergeb­nis nach Kunst­lin­sen­im­plan­ta­ti­on ist auch bei Linsen mit Zusatz­funk­ti­on von beson­de­rer Bedeu­tung.  Nagyo­va et al. publi­zier­ten kürz­lich eine erste Arbeit zu einem beson­de­ren Ansatz zur Mono­vi­si­on. Dabei wird eine asphä­ri­sche mono­fo­ka­le Intraoku­lar­lin­se für die Fern­sicht in das domi­nan­te Auge und eine bifo­ka­le IOL mit erwei­ter­ter Tiefen­schär­fe (EDOF) in das nicht­do­mi­nan­te Auge implan­tiert. Dabei wurde im domi­nan­ten Auge eine asphä­ri­sche mono­fo­ka­le IOL (Hoya Vivinex XC1-SP) sowie im nicht­do­mi­nan­ten Auge eine rota­ti­ons­asym­me­tri­sche refrak­ti­ve bifo­ka­le EDOF-IOL mit einer zusätz­li­chen Brech­kraft von +1,5 dpt (Lentis Comfort-LS-313 MF15) mit einer Ziel­re­frak­ti­on von ‑1.25 implan­tiert. Die unkor­ri­gier­te Fern‑, Inter­me­di­är- und Nahseh­schär­fe sowie die binoku­la­ren Defo­kus­kur­ven wurden bestimmt. Außer­dem unter­such­te man den Kontrast­vi­sus, das Stereo­se­hen und das skoto­pi­sche Sehen. Die Pati­en­ten­zu­frie­den­heit wurde zusätz­lich mithil­fe der Frage­bö­gen PRSIQ und NEI-RQL-42 bewer­tet. Insge­samt schloss man 26 Augen von 13 Pati­en­ten in die Studie ein. Die mitt­le­ren post­ope­ra­ti­ven binoku­la­ren UDVA, UIVA und UNVA lagen bei 0,05, ‑0,08 bzw. 0,06 logMAR. Dies zeigte eine sehr gute Perfor­mance über den gesam­ten Sehschär­fe­be­reich. Die Defo­kus­kur­ve erreich­te ihren Höhe­punkt bei 0,0 dpt (6 m) mit einer mitt­le­ren Sehschär­fe von 0,04±0,09 logMAR. Das funk­tio­nel­le Sehver­mö­gen ober­halb des Grenz­wer­tes von 0,3 logMAR erstreck­te sich über die Defo­kus­sie­rung von +1,0 bis ‑3,5 dpt. Diese Daten bele­gen sehr gute funk­tio­nel­le Ergeb­nis­se dieses bisher wenig unter­such­ten Ansat­zes. Die Gesamt­zu­frie­den­heits­ra­te von 83,1±13,2 war in der Kohor­te sehr hoch. Die Autoren folger­ten aus diesen Ergeb­nis­sen, dass der Ansatz sehr gute funk­tio­nel­le Ergeb­nis­se zeigt und als gute Alter­na­ti­ve zu einer bila­te­ra­len Implan­ta­ti­on von Multi­fo­kal­lin­sen ange­se­hen werden kann. Wir sehen bei dieser Publi­ka­ti­on einmal mehr, dass es heute viele unter­schied­li­che Ansät­ze zur Behand­lung unse­rer Pati­en­ten im Bereich der Linsen­chir­ur­gie gibt. Für mich erge­ben sich aus diesen Ergeb­nis­sen auch posi­ti­ve Erkennt­nis­se für die Versor­gung von bereit einsei­tig operier­ten Pati­en­ten. Die Arbeit ermög­licht es uns, dieser Pati­en­ten­grup­pe eine neuar­ti­ge Alter­na­ti­ve anzu­bie­ten, welche eine sehr hohe Bril­len­un­ab­hän­gig­heit ermöglicht. 

Die zukünf­ti­ge Versor­gung unse­rer Pati­en­ten sieht also durch neuar­ti­ge Erkennt­nis­se sehr posi­tiv aus. Hoffent­lich erwar­tet unser Gesund­heits­sys­tem ebenso mit der neuen Regie­rung eine posi­ti­ve Zukunft. Es bleibt spannend …

Mit besten Grüßen,
Ihr
Detlef Holland

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