Herpes zoster ophthal­mi­cus und mehr: Unter­schätz­te Risi­ken, ein neues Instru­ment und aktu­el­le Empfehlungen

 

 

Prof. Dr. med. Uwe Pleyer

 


Liebe Lese­rin­nen und Leser von Kompakt Ophthalmologie,

endlich sind sie da – die Daten zur Zoster Eye Dise­a­se Study (ZEDS). Erstaun­lich, wie lange es gedau­ert hat, eine prospek­ti­ve Studie zur Nach­be­hand­lung und Präven­ti­on für diese häufi­ge Infek­ti­on auf den Weg zu brin­gen.  Es mag daran gele­gen haben, dass dieses Infek­ti­ons­ge­sche­hen bezüg­lich Rezi­div­nei­gung und Lang­zeit­pro­ble­men von uns lange unter­schätzt wurde. Etwa 20–30% der Menschen weisen im Laufe ihres Lebens ein Risiko für einen Herpes-Zoster-Befall auf, davon erlei­den rund 10% einen Herpes Zoster Ophthal­mi­cus (HZO). Kera­ti­tis, ante­rio­re Uvei­tis und Skle­ri­tis sind die häufigs­ten Mani­fes­ta­tio­nen, die zu erheb­li­cher Morbi­di­tät führen. Bisher werden der rezi­di­vie­ren­de und chro­ni­sche Verlauf sowie das schwer zu behan­deln­de post­her­pe­ti­sche Neur­al­gie-Syndrom oft unter­schätzt. Genau diesen Fragen stell­te sich die ZEDS. Dabei handelt es sich um eine doppel­mas­kier­te, rando­mi­sier­te klini­sche Studie, in der nied­rig dosier­tes Vala­ci­clo­vir (2‑mal 500 mg pro Tag) gegen­über Place­bo bei HZO vergli­chen und 2 Hypo­the­sen getes­tet wurden: (a) dass Vala­ci­clo­vir Rezi­di­ve der HZO-Betei­li­gung verrin­gern würde und (b) dass es die Präva­lenz des post­her­pe­ti­schen Neur­al­gie-Syndroms verrin­gern würde. In der aktu­el­len Ausga­be von „JAMA Ophthal­mo­lo­gy“ legt die ZEDS-Studi­en­grup­pe die Ergeb­nis­se in 2 sepa­ra­ten Arti­keln vor.

Kurz zusam­men­ge­fasst empfeh­len die Autoren eine entspre­chen­de Nach­be­hand­lung mit Vala­ci­clo­vir. Doch muss betont werden, dass der primä­re Endpunkt – eine signi­fi­kan­te Reduk­ti­on der Rezi­di­ve inner­halb von 12 Mona­ten – nicht erreicht wurde. Aller­dings über­zeug­ten mehre­re sekun­dä­re Endpunk­te. So wurden weni­ger Episo­den von Kera­ti­tis oder Iritis im länge­ren Beob­ach­tungs­zeit­raum (18 Monate) regis­triert sowie ein signi­fi­kan­ter Bene­fit bei jünge­ren Pati­en­ten (<60 Jahre) bereits nach 12 Mona­ten. Als sepa­ra­ten wich­ti­gen sekun­dä­ren Endpunkt wählte das Studi­en­team das Auftre­ten bzw. die Vermin­de­rung  post­her­pe­ti­scher Schmer­zen. Auch hier zeigt sich das insbe­son­de­re jünge­re Pati­en­ten (<60 Jahre) von einer präven­ti­ven Vala­ci­clo­vir Thera­pie signi­fi­kant profitieren. 

Wie wich­tig eine Präven­ti­on ist, geht unter ande­rem aus einer kürz­lich im „Ameri­can Jour­nal of Ophthal­mo­lo­gy“ (AJO) erschie­ne­nen Arbeit zu Kompli­ka­tio­nen des HZO hervor. Unter insge­samt 3200 Pati­en­ten mit Zoster waren 154 von einem HZO betrof­fen.  Mehr als jeder Dritte dieser Pati­en­ten entwi­ckel­te Kompli­ka­tio­nen. Als häufigs­te wurden mit 70% Horn­haut­nar­ben und stroma­le Kera­ti­tis aufge­führt. Als Risi­ko­fak­to­ren erwie­sen sich höhe­res Lebens­al­ter und länger­fris­ti­ge Stero­id­anwen­dun­gen. Kritisch hervor­ge­ho­ben wurde von den Autoren die gerin­ge Impf­quo­te (<5%).  Bereits zuvor hatten S. D. in „Inter­na­tio­nal Ophthal­mo­lo­gy“ über 154 Pati­en­ten berich­tet, die einen HZO aufwie­sen. Inter­es­san­ter­wei­se waren die Betrof­fe­nen hier deut­lich jünger (38 Jahre). Auch hier domi­nier­ten epithe­lia­le und stroma­le Kera­ti­tis mit zum Teil rezi­di­vie­ren­dem Verlauf. Circa ein Drit­tel der Pati­en­ten wies zudem eine intraoku­la­re Betei­li­gung auf. Die Autoren resü­mie­ren das eine Entwick­lung hin zu jünge­rem Lebens­al­ter (vor allem bei Männern) und rezi­di­vie­ren­den, chro­ni­schen Verläu­fe zu beob­ach­ten ist und eine neue Einschät­zung dieser Infek­ti­on notwen­dig ist.

Einen wich­ti­gen, diagnos­ti­schen Hinweis für eine Herpes­vi­rus-Kera­ti­tis bietet die redu­zier­te Horn­haut­sen­si­bi­li­tät. Wir alle kennen es. Die Horn­haut­sen­si­bi­li­tät mittels „Watte­bausch“ zu prüfen, ist nicht sehr zuver­läs­sig. Auch das Cochet-Bonnet-Ästhe­sio­me­ter, das mit einem defi­nier­ten Nylon­fa­den misst, wirkt in unse­rem tech­no­lo­gi­schen, hoch­ge­rüs­te­ten Umfeld eher anti­quiert und kann in der augen­ärzt­li­chen Praxis nicht immer über­zeu­gen. Umso inter­es­san­ter könnte ein neues Gerät sein, das berüh­rungs­los mittels Luft­stoß misst (BRILL-Ästhe­sio­me­ter) . Die Vortei­le liegen auf der Hand. Die berüh­rungs­lo­se Tech­no­lo­gie vermei­det das Risiko von Horn­haut­ver­let­zun­gen und Infek­tio­nen. Dies könnte insbe­son­de­re bei Pati­en­ten mit vorge­schä­dig­ter Horn­haut vorteil­haft sein. In einer verglei­chen­den Unter­su­chung zeigen die Autoren, dass mit dem neuen Gerät  zuver­läs­sig und präzi­se gemes­sen werden kann. Es konnte eine hohe Intra- und Inter- Obser­ver Über­ein­stim­mung belegt werden. Im Vergleich zum Cochet-Bonnet liefert die Non-Cont­act-Messung jedoch unter­schied­li­che Sensi­bi­li­täts­schwel­len. Somit sind die beiden Geräte aktu­ell nicht unmit­tel­bar austausch­bar. Zudem ist es notwen­dig, spezi­fi­sche Norm­wer­te für das neue Gerät zu etablieren.

Wir blei­ben kurz noch bei Horn­haut­in­fek­tio­nen, die vor allem bei Kontakt­lin­sen­trä­gern häufig und proble­ma­tisch verlau­fen. Wie wenig diese Proble­me jedoch Kontakt­lin­sen­trä­gern bewusst ist, zeigt sich in einer beun­ru­hi­gen­den Analy­se von Perschak et al. In einer offe­nen multi­zen­tri­schen Studie an Schwei­zer Pati­en­ten erwei­sen sich Kontakt­lin­sen­trä­ger zwar als gut aufge­klärt in der tägli­chen Hand­ha­bung ihrer Linsen. Aller­dings würden nur  22,9% einen Augen­arzt aufsu­chen, wenn ein rotes Auge auftritt. Selbst bei ausge­präg­ten Schmer­zen würde ca. ein Drit­tel der Betrof­fe­nen nicht unmit­tel­bar an eine augen­ärzt­li­che Konsul­ta­ti­on denken. Kurzum, mehr Aufklä­rung ist sicher­lich ange­zeigt und bleibt auch ärzt­li­che Aufgabe.

Beson­ders proble­ma­tisch verlau­fen Infek­tio­nen, die den hinte­ren Augen­ab­schnitt betref­fen. Hier steht die Infek­ti­on mit Toxo­plas­ma gondii weiter­hin ganz im Vorder­grund. Im aktu­el­len Heft des „AJO“ präsen­tie­ren kolum­bia­ni­sche Kolle­gen in einer multi­zen­tri­schen Erhe­bung die Daten von mehr als 850 Pati­en­ten. Auch hier erschre­cken­de Daten: Etwa 60% der Betrof­fe­nen weisen am Ende einen Visus von weni­ger als 0,3 auf. Als Risi­ko­fak­to­ren für einen ungüns­ti­gen Verlauf werden ausge­präg­te Glas­kör­per­be­tei­li­gung sowie chro­ni­sche, unkon­trol­lier­te Verläu­fe und Reak­ti­vie­run­gen inner­halb weni­ger als drei Monate berich­tet. Es wird speku­liert, dass mögli­cher­wei­se aggres­si­ve­re Erre­ger­stäm­me des Para­si­ten für diesen ungüns­ti­gen Verlauf verant­wort­lich sind. Die kolum­bia­ni­sche Arbeits­grup­pe hat in Zusam­men­ar­beit mit Berli­ner Kolle­gen Beob­ach­tun­gen an einer größe­ren deut­schen Kohor­te zusam­men­ge­fasst. Inter­es­san­ter­wei­se war das Erst­ma­ni­fes­ta­ti­ons-Alter in der Berli­ner Kohor­te mit ca. 38 Jahren nahezu iden­tisch. Obwohl die Progno­se der Chari­té- Pati­en­ten deut­lich besser war, wurden zwei Alters­grup­pen als erhöht gefähr­det und proble­ma­tisch heraus­ge­stellt. Dies betrifft einer­seits konge­ni­tal erwor­be­ne Infek­tio­nen sowie  Erst­ma­ni­fes­ta­tio­nen im höhe­ren Alter (>50 Jahre). Dies wird auf Beson­der­hei­ten der immu­no­lo­gi­schen Reak­ti­on zurück­ge­führt. Sowohl das unzu­rei­chend entwi­ckel­te (präna­ta­le) als auch geal­ter­te Immun­sys­tem (Stich­wort: „Immu­no­se­nes­zenz“) werden dafür ange­führt. Konse­quenz: Bei atypi­schen (großen) Reti­nalä­sio­nen im Alter bleibt die okulä­re Toxo­plas­mo­se eine wich­ti­ge Differenzialdiagnose.

Resü­mee: Die Zoster Eye Dise­a­se Study zeigt, dass die Nach­be­hand­lung mit nied­rig dosier­tem Vala­ci­clo­vir bei Herpes zoster ophthal­mi­cus zwar den primä­ren Endpunkt der signi­fi­kan­ten Rezi­div­re­duk­ti­on nach 12 Mona­ten nicht erreich­te, jedoch über 18 Monate und vor allem bei Pati­en­ten unter 60 Jahren sekun­dä­re Endpunk­te wie eine Verrin­ge­rung von Kera­ti­tis-/Iri­tis-Episo­den und post­her­pe­ti­schen Schmer­zen erzie­len konnte. Ein  neues berüh­rungs­lo­se Ästhe­sio­me­ter könnte sich hilf­reich zur Diagnos­tik vira­ler Kera­ti­tis erwei­sen, gleich­zei­tig sind verstärk­te Pati­en­ten­auf­klä­rung bei Kontakt­lin­sen­trä­gern dring­lich gebo­ten, um die Risi­ken und Kompli­ka­tio­nen für eine infek­tiö­se Kera­ti­tis nach­hal­tig zu senken.

In diesem Sinne verblei­be ich zusam­men mit dem Team von Kompakt Ophthalmologie

Ihr

Uwe Pleyer    

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