
Liebe Leserinnen und Leser von Kompakt Ophthalmologie,
endlich sind sie da – die Daten zur Zoster Eye Disease Study (ZEDS). Erstaunlich, wie lange es gedauert hat, eine prospektive Studie zur Nachbehandlung und Prävention für diese häufige Infektion auf den Weg zu bringen. Es mag daran gelegen haben, dass dieses Infektionsgeschehen bezüglich Rezidivneigung und Langzeitproblemen von uns lange unterschätzt wurde. Etwa 20–30% der Menschen weisen im Laufe ihres Lebens ein Risiko für einen Herpes-Zoster-Befall auf, davon erleiden rund 10% einen Herpes Zoster Ophthalmicus (HZO). Keratitis, anteriore Uveitis und Skleritis sind die häufigsten Manifestationen, die zu erheblicher Morbidität führen. Bisher werden der rezidivierende und chronische Verlauf sowie das schwer zu behandelnde postherpetische Neuralgie-Syndrom oft unterschätzt. Genau diesen Fragen stellte sich die ZEDS. Dabei handelt es sich um eine doppelmaskierte, randomisierte klinische Studie, in der niedrig dosiertes Valaciclovir (2‑mal 500 mg pro Tag) gegenüber Placebo bei HZO verglichen und 2 Hypothesen getestet wurden: (a) dass Valaciclovir Rezidive der HZO-Beteiligung verringern würde und (b) dass es die Prävalenz des postherpetischen Neuralgie-Syndroms verringern würde. In der aktuellen Ausgabe von „JAMA Ophthalmology“ legt die ZEDS-Studiengruppe die Ergebnisse in 2 separaten Artikeln vor.
Kurz zusammengefasst empfehlen die Autoren eine entsprechende Nachbehandlung mit Valaciclovir. Doch muss betont werden, dass der primäre Endpunkt – eine signifikante Reduktion der Rezidive innerhalb von 12 Monaten – nicht erreicht wurde. Allerdings überzeugten mehrere sekundäre Endpunkte. So wurden weniger Episoden von Keratitis oder Iritis im längeren Beobachtungszeitraum (18 Monate) registriert sowie ein signifikanter Benefit bei jüngeren Patienten (<60 Jahre) bereits nach 12 Monaten. Als separaten wichtigen sekundären Endpunkt wählte das Studienteam das Auftreten bzw. die Verminderung postherpetischer Schmerzen. Auch hier zeigt sich das insbesondere jüngere Patienten (<60 Jahre) von einer präventiven Valaciclovir Therapie signifikant profitieren.
Wie wichtig eine Prävention ist, geht unter anderem aus einer kürzlich im „American Journal of Ophthalmology“ (AJO) erschienenen Arbeit zu Komplikationen des HZO hervor. Unter insgesamt 3200 Patienten mit Zoster waren 154 von einem HZO betroffen. Mehr als jeder Dritte dieser Patienten entwickelte Komplikationen. Als häufigste wurden mit 70% Hornhautnarben und stromale Keratitis aufgeführt. Als Risikofaktoren erwiesen sich höheres Lebensalter und längerfristige Steroidanwendungen. Kritisch hervorgehoben wurde von den Autoren die geringe Impfquote (<5%). Bereits zuvor hatten S. D. in „International Ophthalmology“ über 154 Patienten berichtet, die einen HZO aufwiesen. Interessanterweise waren die Betroffenen hier deutlich jünger (38 Jahre). Auch hier dominierten epitheliale und stromale Keratitis mit zum Teil rezidivierendem Verlauf. Circa ein Drittel der Patienten wies zudem eine intraokulare Beteiligung auf. Die Autoren resümieren das eine Entwicklung hin zu jüngerem Lebensalter (vor allem bei Männern) und rezidivierenden, chronischen Verläufe zu beobachten ist und eine neue Einschätzung dieser Infektion notwendig ist.
Einen wichtigen, diagnostischen Hinweis für eine Herpesvirus-Keratitis bietet die reduzierte Hornhautsensibilität. Wir alle kennen es. Die Hornhautsensibilität mittels „Wattebausch“ zu prüfen, ist nicht sehr zuverlässig. Auch das Cochet-Bonnet-Ästhesiometer, das mit einem definierten Nylonfaden misst, wirkt in unserem technologischen, hochgerüsteten Umfeld eher antiquiert und kann in der augenärztlichen Praxis nicht immer überzeugen. Umso interessanter könnte ein neues Gerät sein, das berührungslos mittels Luftstoß misst (BRILL-Ästhesiometer) . Die Vorteile liegen auf der Hand. Die berührungslose Technologie vermeidet das Risiko von Hornhautverletzungen und Infektionen. Dies könnte insbesondere bei Patienten mit vorgeschädigter Hornhaut vorteilhaft sein. In einer vergleichenden Untersuchung zeigen die Autoren, dass mit dem neuen Gerät zuverlässig und präzise gemessen werden kann. Es konnte eine hohe Intra- und Inter- Observer Übereinstimmung belegt werden. Im Vergleich zum Cochet-Bonnet liefert die Non-Contact-Messung jedoch unterschiedliche Sensibilitätsschwellen. Somit sind die beiden Geräte aktuell nicht unmittelbar austauschbar. Zudem ist es notwendig, spezifische Normwerte für das neue Gerät zu etablieren.
Wir bleiben kurz noch bei Hornhautinfektionen, die vor allem bei Kontaktlinsenträgern häufig und problematisch verlaufen. Wie wenig diese Probleme jedoch Kontaktlinsenträgern bewusst ist, zeigt sich in einer beunruhigenden Analyse von Perschak et al. In einer offenen multizentrischen Studie an Schweizer Patienten erweisen sich Kontaktlinsenträger zwar als gut aufgeklärt in der täglichen Handhabung ihrer Linsen. Allerdings würden nur 22,9% einen Augenarzt aufsuchen, wenn ein rotes Auge auftritt. Selbst bei ausgeprägten Schmerzen würde ca. ein Drittel der Betroffenen nicht unmittelbar an eine augenärztliche Konsultation denken. Kurzum, mehr Aufklärung ist sicherlich angezeigt und bleibt auch ärztliche Aufgabe.
Besonders problematisch verlaufen Infektionen, die den hinteren Augenabschnitt betreffen. Hier steht die Infektion mit Toxoplasma gondii weiterhin ganz im Vordergrund. Im aktuellen Heft des „AJO“ präsentieren kolumbianische Kollegen in einer multizentrischen Erhebung die Daten von mehr als 850 Patienten. Auch hier erschreckende Daten: Etwa 60% der Betroffenen weisen am Ende einen Visus von weniger als 0,3 auf. Als Risikofaktoren für einen ungünstigen Verlauf werden ausgeprägte Glaskörperbeteiligung sowie chronische, unkontrollierte Verläufe und Reaktivierungen innerhalb weniger als drei Monate berichtet. Es wird spekuliert, dass möglicherweise aggressivere Erregerstämme des Parasiten für diesen ungünstigen Verlauf verantwortlich sind. Die kolumbianische Arbeitsgruppe hat in Zusammenarbeit mit Berliner Kollegen Beobachtungen an einer größeren deutschen Kohorte zusammengefasst. Interessanterweise war das Erstmanifestations-Alter in der Berliner Kohorte mit ca. 38 Jahren nahezu identisch. Obwohl die Prognose der Charité- Patienten deutlich besser war, wurden zwei Altersgruppen als erhöht gefährdet und problematisch herausgestellt. Dies betrifft einerseits kongenital erworbene Infektionen sowie Erstmanifestationen im höheren Alter (>50 Jahre). Dies wird auf Besonderheiten der immunologischen Reaktion zurückgeführt. Sowohl das unzureichend entwickelte (pränatale) als auch gealterte Immunsystem (Stichwort: „Immunoseneszenz“) werden dafür angeführt. Konsequenz: Bei atypischen (großen) Retinaläsionen im Alter bleibt die okuläre Toxoplasmose eine wichtige Differenzialdiagnose.
Resümee: Die Zoster Eye Disease Study zeigt, dass die Nachbehandlung mit niedrig dosiertem Valaciclovir bei Herpes zoster ophthalmicus zwar den primären Endpunkt der signifikanten Rezidivreduktion nach 12 Monaten nicht erreichte, jedoch über 18 Monate und vor allem bei Patienten unter 60 Jahren sekundäre Endpunkte wie eine Verringerung von Keratitis-/Iritis-Episoden und postherpetischen Schmerzen erzielen konnte. Ein neues berührungslose Ästhesiometer könnte sich hilfreich zur Diagnostik viraler Keratitis erweisen, gleichzeitig sind verstärkte Patientenaufklärung bei Kontaktlinsenträgern dringlich geboten, um die Risiken und Komplikationen für eine infektiöse Keratitis nachhaltig zu senken.
In diesem Sinne verbleibe ich zusammen mit dem Team von Kompakt Ophthalmologie
Ihr
Uwe Pleyer