Alles hängt mit allem zusam­men“ …    

 

 

Prof. Dr. med. Uwe Pleyer

 


Zu dieser Erkennt­nis kam bereits Alex­an­der von Humboldt durch aufmerk­sa­mes Beob­ach­ten und akri­bi­sches Sammeln von Fakten, die er schlüs­sig verknüpf­te. Daran hat sich nichts geän­dert — aller­dings werden neue Zusam­men­hän­ge heute auf andere Art und Weise aufgedeckt…

Liebe Lese­rin­nen und Leser,

Pati­en­ten mit Auto­im­mun­erkran­kun­gen, die syste­misch mit Janus­ki­na­se-Inhi­bi­to­ren (JAKi) behan­delt werden, entwi­ckeln signi­fi­kant selte­ner eine nAMD! Diesen Zusam­men­hang konn­ten Hallak und Kolle­gen durch die Verknüp­fung klini­scher Daten von zwei großen Kran­ken­ver­si­che­run­gen herstel­len. Bemer­kens­wert: dieser sehr deut­li­che Effekt trat bereits inner­halb kurzer Behand­lungs­zeit (6 bis 18 Monate) ein!  Bemer­kens­wert eben­falls das andere immun­mo­du­la­to­ri­sche Wirk­stof­fe (u.a. Biolo­gi­ka) keinen protek­ti­ven Einfluss auf die nAMD aufwie­sen. Der posi­ti­ve Effekt der JAKi hielt auch einer kriti­schen Multi­va­ri­anz Analy­se von klini­schen  Begleit­fak­to­ren stand. Diese Ergeb­nis­se zeigen einer­seits, wie nütz­lich es ist, klini­sche Daten inter­dis­zi­pli­när — hier vor allem aus Rheu­ma­to­lo­gie und Ophthal­mo­lo­gie — zu verknüp­fen. Zudem weisen sie auf ein neues phar­ma­ko­lo­gi­sches Target in der Behand­lung der nAMD hin. Ganz über­ra­schend ist die Wirkung von JAKi bei nAMD aller­dings nicht. Es sind bereits erste klini­sche Studi­en zur intra­vit­rea­len Anwen­dung von JAKi unter­wegs (FDA_NCT05381948). Da in der Patho­ge­ne­se der nAMD Entzün­dungs­me­cha­nis­men und Neuro­de­ge­nera­ti­on eine Rolle spie­len, dürfen wir auf die  Ergeb­nis­se gespannt sein. Es bleibt abzu­war­ten, inwie­weit lokale gegen­über syste­mi­schen Effek­ten zum Tragen kommen; mögli­cher­wei­se treten auch addi­ti­ve Wirkun­gen ein.

Zunächst jedoch wird die intra­vit­re­al appli­zier­te anti-VEGF Behand­lung Stan­dard der nAMD Thera­pie blei­ben. Aktu­el­le „Real World“ Ergeb­nis­se von Mukai et al. aus Japan zeigen, dass die First Line Behand­lung mit Fari­ci­mab ein gutes Wirk­sam­keits- und Sicher­heits­pro­fil aufweist. Bei nahezu der Hälfte der Pati­en­ten konn­ten die Behand­lungs­in­ter­val­le („Treat and Extend“) auf bis zu vier Monate ausge­dehnt werden. Bei einem Drit­tel der Pati­en­ten konnte unter diesem Regime keine intra- oder subre­ti­na­le Flüs­sig­keit mehr nach­ge­wie­sen werden. 

Bekann­te Risi­ken für die Entwick­lung der nAMD sind Herz-Kreis­lauf-Erkran­kun­gen und diabe­ti­sche Angio­pa­thie. Inter­es­san­ter­wei­se wird der Einfluss der diabe­ti­schen Reti­no­pa­thie auf die nAMD nach wie vor kontro­vers disku­tiert. Während einige Studi­en einen nega­ti­ven Einfluss mit raschem Fort­schrei­ten der Makul­opa­thie sehen, konn­ten andere Unter­su­cher dies nicht bestä­ti­gen. Einige Beob­ach­tun­gen deuten gar darauf hin, dass eine diabe­ti­sche Stoff­wech­sel­la­ge einen protek­ti­ven Effekt ausübt. Giaco­mo Boscia und Mitar­bei­ter haben diese Kontro­ver­se aufge­grif­fen. Sie haben die Progres­si­on der Neovas­ku­la­ri­sa­ti­on bei nAMD unter anti-VEGF Behand­lung bei diabe­ti­scher Reti­no­pa­thie mittels OCT-Angio­gra­fie nach­ver­folgt. Im Gegen­satz zu frühe­ren Studi­en mit kurzer Nach­be­ob­ach­tungs­zeit wurden die Pati­en­ten hier länger­fris­tig über 12 Monate nach­un­ter­sucht. Das Ergeb­nis kurz zusam­men­ge­fasst: Bei Pati­en­ten mit diabe­ti­scher Reti­no­pa­thie wurde ein deut­lich gerin­ge­res Anspre­chen der anti-VEGF-Injek­tio­nen auf die Neovas­ku­la­ri­sa­ti­on gefun­den. Dies unter­streicht einer­seits die Bedeu­tung der diabe­ti­schen Reti­no­pa­thie als mögli­chen Modi­fi­ka­tor der nAMD-Behand­lung. Gleich­zei­tig könnte dies darauf hinwei­sen, dass in der Patho­ge­ne­se der nAMD auch Einflüs­se auf die äuße­ren Netz­haut­schich­ten wich­tig sind. Entspre­chend empfeh­len die Autoren ein eher engma­schi­ges Moni­to­ring diabe­ti­scher Pati­en­ten unter anti-VEGF Thera­pie. Umge­kehrt stellt sich die Frage welchen Einfluss diese Behand­lung auf die Entwick­lung der Diabe­ti­schen Reti­no­pa­thie nimmt? 

Ergeb­nis­se dazu legen Kolle­gen aus Kali­for­ni­en vor. Für die Analy­se wurden auch hier die Daten von Kran­ken­kas­sen heran­ge­zo­gen. Resü­mee nach Auswer­tung von mehr als 120.000 Pati­en­ten­un­ter­la­gen: Unbe­han­delt gehen etwa 50 % der Augen mit fort­ge­schrit­te­ner nicht­pro­li­fe­ra­ti­ver diabe­ti­scher Reti­no­pa­thie inner­halb von 4 Jahren in ein proli­fe­ra­ti­ves Stadi­um über. Augen, die mit anti-VEGF-Wirk­stof­fen behan­delt wurden, weisen ein signi­fi­kant gerin­ge­res Risiko als unbe­han­del­te oder nur gela­ser­te Augen auf.  Hervor­zu­he­ben ist das dieser Bene­fit bereits durch ca. 2,5  anti-VEGF-Behand­lun­gen pro Augen­jahr erreicht wurde. Der große Daten­pool erlaub­te weite­re inter­es­san­te Beob­ach­tun­gen. Pati­en­ten mit Typ-2-Diabe­tes wiesen im Vergleich zu Typ-1-Diabe­tes ein ca. 30 % gerin­ge­res Risiko für die Progres­si­on zur proli­fe­ra­ti­ven Reti­no­pa­thie auf. Auch ein höhe­res Lebens­al­ter war in dieser Analy­se mit einem gerin­ge­ren Risiko verbun­den. Die Ergeb­nis­se dieser Analy­se, könn­ten nach Meinung der Autoren dazu beitra­gen, die Behand­lung von Pati­en­ten mit nicht­pro­li­fe­ra­ti­ver diabe­ti­scher Reti­no­pa­thie zu verbes­sern und die Progres­si­on zu schwer­wie­gen­den Verlaufs­for­men mit entspre­chen­den Kompli­ka­tio­nen zu vermindern.

Fazit aus diesen aktu­el­len Arbei­ten: Die Verknüp­fung von Gesund­heits­da­ten bietet Einblick in aktu­el­le, rele­van­te Zusam­men­hän­ge. Sie sind geeig­net wich­ti­ge Hypo­the­sen zu prüfen und können zu rele­van­ten Frage­stel­lun­gen führen, z.B. nach neuen Ziel­struk­tu­ren für Wirk­stof­fe und Behand­lungs­stra­te­gien. In diesem Zusam­men­hang können sie rando­mi­sier­te kontrol­lier­te (Zulas­sungs-) Studi­en  ergän­zen. Die Nach­tei­le der retro­spek­ti­ven Analy­se von Daten­ban­ken liegen auf der Hand. Ande­rer­seits können durch die Fülle der Infor­ma­tio­nen Komor­bi­di­tä­ten und Begleit­fak­to­ren extra­po­liert werden, die dem Wunsch nach „Real World“ Bedin­gun­gen entge­gen­kom­men. Ein wich­ti­ger Vorteil gegen­über Zulas­sungs­stu­di­en, die unter stark regu­lier­ten, idea­len Bedin­gun­gen stattfinden. 

Wir können davon ausge­hen, dass weite­re inter­es­san­te und rele­van­te Zusam­men­hän­ge über dieses Vorge­hen aufge­deckt werden. Mögli­cher­wei­se gar aus Deutsch­land ? Die Erkennt­nis wächst das die hemmen­den admi­nis­tra­ti­ven Regu­la­ri­en hier­zu­lan­de über­dacht werden sollten…


Mit diesem persön­li­chen Wunsch grüßt sie 

Uwe Pleyer und das Team von Kompakt Ophthalmologie

 

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