Bren­nen­de Augen, bren­nen­de Fragen


Prof. Dr. med. Uwe Pleyer


Liebe Lese­rin­nen und Leser von Kompakt Ophthalmologie,

Aller­gien sind weiter­hin auf dem Vormarsch. Viele Fragen zu diesem Thema blei­ben offen. Was sind die Gründe für den Anstieg? Sind Aller­gien am Auge ledig­lich eine „Befind­lich­keits­stö­rung“? Oder doch kriti­scher Schritt­ma­cher für weite­re Proble­me? Es mehren sich die Hinwei­se, dass bei Aller­gien biome­cha­ni­sche Verän­de­run­gen der Horn­haut bis hin zum Kera­to­konus häufi­ger auftre­ten. Auch die Herpes-simplex-Kera­ti­tis stellt sich bei Aller­gi­kern mit beglei­ten­der Atopi­scher Derma­ti­tis als ernst­haf­te Heraus­for­de­rung dar. Grund genug, einen Blick auf aktu­el­le Publi­ka­tio­nen zu werfen.

Der rasan­te Anstieg aller­gi­scher Erkran­kun­gen wird auf unter­schied­li­che, z.T. inter­ak­ti­ve Gründe zurück­ge­führt. Der Faktor Umwelt und Klima­wan­del rückt dabei immer stär­ker in den Blick. Einer­seits werden durch die Treib­haus­gas­emis­sio­nen und globa­le Erwär­mung deut­lich länge­re und höhere Pollen­be­las­tun­gen gene­riert. Ande­rer­seits schä­di­gen Stick­oxi­de und Ozon­ex­po­si­ti­on die Schleim­haut­bar­rie­ren, z. B. an der Binde­haut. Werden diese Barrie­ren gestört, erhal­ten Aller­ge­ne Zugang zum darun­ter liegen­den Binde­ge­we­be und können eine starke Immun­ant­wort auslö­sen. Die anschlie­ßen­de Sensi­bi­li­sie­rung führt zu einer charak­te­ris­ti­schen Typ-2-Entzün­dung. Den Zusam­men­hang zwischen Umwelt­ver­än­de­run­gen und Aller­gie stel­len Schil­cher und Geer­ling in der aktu­el­len Ausga­be von „Die Ophthal­mo­lo­gie“ in einem Über­sichts­bei­trag dar. Gleich­zei­tig muss betont werden, dass dies nur EIN Faktor unter mehre­ren ist. Gene­ti­sche Prädis­po­si­ti­on, über­trie­be­ne Hygie­ne und verän­der­tes Ernäh­rungs­ver­hal­ten u.a. sind weiter­hin wichtig.

Bis zu 25 % aller Pati­en­ten mit Kera­to­konus leiden unter einer sympto­ma­ti­schen Augen­all­er­gie. Aller­gie, damit verbun­de­nes „Augen­rei­ben“ und atopi­sches Haut­ek­zem wurden wieder­holt als Risi­ko­fak­to­ren für einen früh­zei­ti­gen Kera­to­konus berich­tet. Signi­fi­kan­te topo­gra­phi­sche Verän­de­run­gen der Horn­haut konn­ten wieder­holt z.B. mittels Penta­cam belegt werden – Verän­de­run­gen, die sie anfäl­li­ger für die Entwick­lung von Ekta­sie und Kera­to­konus machen. Eine kürz­lich erschie­ne­ne Meta­na­ly­se hat die bishe­ri­gen Beob­ach­tun­gen zusam­men­ge­fasst und bestärkt den Zusam­men­hang. Jünge­re Pati­en­ten mit atopi­scher Kera­to­kon­junk­ti­vi­tis (AKC) und Kera­to­kon­junk­ti­vi­tis verna­lis (VKC) sind beson­ders gefähr­det. Es bleibt die Frage nach der/den Ursache(n). Reicht die einfa­che Erklä­rung des mecha­ni­schen Reibens? Einen inter­es­san­ten Ansatz wähl­ten Xu et al. Sie führ­ten eine umfas­sen­de genom­wei­te Asso­zia­ti­ons­stu­die durch. Dadurch bestärk­ten sie die bishe­ri­gen  Vermu­tun­gen einer kausa­len Rela­ti­on zwischen aller­gi­scher Konjunk­ti­vi­tis und Kera­to­konus. Zudem analy­sier­ten sie ob syste­mi­sche inflamm­a­to­ri­sche Zyto­ki­ne mit dem Kera­to­konus asso­zi­iert sind. Hier konnte kein Zusam­men­hang herge­stellt werden. Offen­sicht­lich sind andere Mecha­nis­men verant­wort­lich. Chira­pa­paisan und Kolle­gen weisen auf einen ande­ren inter­es­san­ten Zusam­men­hang zwischen Kera­to­konus und chro­nisch verlau­fen­der Entzün­dung hin. Durch Konfo­kal­mi­kro­sko­pie wurden bei Pati­en­ten mit Kera­to­konus subkli­ni­sche Zeichen einer Horn­haut­ent­zün­dung mit signi­fi­kant vermin­der­ter subba­sa­ler Nerven­dich­te nach­ge­wie­sen.  Inter­es­san­ter­wei­se unter­schied sich die Horn­haut­sen­si­bi­li­tät bei Kera­to­konus-Pati­en­ten klinisch nicht von gesun­den Probanden.

Welche Konse­quen­zen soll­ten wir aus diesen Beob­ach­tun­gen ziehen? Der Kera­to­konus ist bei Aller­gi­kern bereits früh­zei­tig erkenn­bar.  Durch die Horn­haut­to­po­gra­phie können auch subti­le Formen des Kera­to­konus entdeckt werden. In den Blick gera­ten daher v.a.  junge Pati­en­ten mit VKC und AKC.  Leider zeigt die klini­sche Erfah­rung, dass die Diagno­se der VKC nicht nur oft verzö­gert gestellt wird, sondern dann auch nur unzu­rei­chend thera­piert wird. Daher begrü­ßen wir, dass unsere italie­ni­schen Kolle­gen kürz­lich eine Behand­lungs­stra­te­gien für Kinder mit VKC in einem Delphi-Prozess zusam­men­ge­fasst haben. Sie empfeh­len eine früh­zei­ti­ge Thera­pie mit topi­schen Immun­mo­du­la­to­ren (Ciclos­po­rin A, Takro­li­mus), sobald erkenn­bar ist, dass herkömm­li­che Anti­hist­ami­ni­ka und Mast­zell­sta­bi­li­sa­to­ren unzu­rei­chend wirken. Gleich­zei­tig wird eine enge Zusam­men­ar­beit mit Aller­go­lo­gen und Derma­to­lo­gen gefor­dert. Gerade letz­te­re sind wich­tig, da bis zu 40 % der Pati­en­ten mit VKC und AKC auch von Atopi­scher Derma­ti­tis (AD) betrof­fen sind. Bei schwer verlau­fen­der atopi­scher Derma­ti­tis wird heute Dupilumab sehr erfolg­reich einge­setzt. Die Alters­gren­ze dafür wurde deut­lich gesenkt und erlaubt die Behand­lung bereits ab 6 Mona­ten. Dupilumab blockiert sehr effek­tiv zwei Schlüs­sel-Zyto­ki­ne (Interleukin[IL]-4 und IL-13) und hat sich als hoch­ef­fek­ti­ve Stan­dard­the­ra­pie für die AD etabliert. Uner­war­tet häufig werden aller­dings ausge­präg­te Entzün­dun­gen der Konjunk­ti­va berich­tet. Dies geht auch aus einer aktu­el­len Analy­se mehre­rer deut­scher Aller­gie­re­gis­ter hervor. Bis zu 30 % der (erwach­se­nen) Pati­en­ten entwi­ckel­ten zum Teil ausge­präg­te (vernar­ben­de) Binde­haut­ver­än­de­run­gen. Ob diese Dupilumab-Proble­ma­tik auch bei Kindern rele­vant ist, war bisher unklar. Dieser Frage gingen van der Rijst et al. nach und schät­zen die Neben­wir­kun­gen in dieser Alters­grup­pe als milder ein. Aller­dings zeigte sich mit zuneh­men­dem Alter eine nega­ti­ve Korrelation.

Es bleibt das Dilem­ma der sehr guten Wirkung auf die Atopi­sche Derma­ti­tis (und aller­gi­sches Asthma) und z.T. schwer­wie­gen­den chro­ni­schen Augen­pro­ble­men. Inzwi­schen bieten sich Lösun­gen durch Alter­na­ti­ven zu Dupilumab an. Für die Behand­lung der topi­schen Derma­ti­tis stehen weite­re Biolo­gi­ka und Janus-Kinase-Inhi­bi­to­ren zu Verfü­gung. Aktu­el­le Hinwei­se zum Switch bietet das „French Atopic Derma­ti­tis Network“. In einer multi­zen­tri­schen Studie wurde der Stel­len­wert dieser Präpa­ra­te unter­sucht. Die Ergeb­nis­se bele­gen, dass Janus-Kinase-Inhi­bi­to­ren gegen­über Tral­kin­u­mab (einem ande­ren Biolo­gi­kum) effek­ti­ver sind, um uner­wünsch­te Dupilumab-Neben­wir­kun­gen zu vermeiden.

Noch ein Dilem­ma … Pati­en­ten mit Atopi­scher Derma­ti­tis weisen ein deut­lich erhöh­tes Risiko für eine Herpes-Kera­ti­tis auf. Hinter­grund ist vermut­lich eine komple­xe Störung der (T‑Zell-)Immunantwort, die auch für die häufi­ger auftre­ten­de beid­sei­ti­ge Kera­ti­tis ange­schul­digt wird. Zusam­men­ge­nom­men führt dies dazu, dass sich eine wieder­hol­te, lang­wie­ri­ge anti­vi­ra­le Behand­lung anschließt. Als Folge daraus wieder­um können Resis­tenz­ent­wick­lun­gen gegen­über Aciclo­vir resul­tie­ren. Ein Problem das zuneh­mend evident wird. Bouch­er et al. weisen auf eine gute Wirkung von Amen­a­me­vir als Option zur Behand­lung der Aciclo­vir resis­ten­ten Herpes-Infek­ti­on hin. Dieser Wirk­stoff ist bereits seit 2017 in Japan zur (syste­mi­schen) Behand­lung der Vari­zel­la-Zoster-Infek­ti­on zugelassen.

Neugie­rig gewor­den? Sind Sie inter­es­siert an den neues­ten Entwick­lun­gen in der Thera­pie und Präven­ti­on von Rezi­di­ven bei Herpes-Infek­tio­nen am Auge? In diesem Zusam­men­hang sei auf die Über­sichts­ar­beit von Ghafa­ri­an et al. hinge­wie­sen, die sich umfas­send mit der Präven­ti­on von HSV- und VZV-Rezi­di­ven vor allem im Rahmen intraoku­la­rer Eingrif­fe befasst.

Wir wünschen einen guten Start in den Früh­ling ohne bren­nen­de Augen … Bren­nen­de Fragen werden aller­dings blei­ben. Wir werden uns weiter­hin bemü­hen, die ein oder andere Frage aufzu­grei­fen und sie infor­miert zu halten.

In diesem Sinne verblei­be ich zusam­men mit dem Team von Kompakt Ophthalmologie

Ihr

Uwe Pleyer    

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