Blood, Sweat and TEARS

 

 

Prof. Dr. med. Uwe Pleyer

 


Liebe Lese­rin­nen, liebe Leser,

die gute Nach­richt vorweg: Befürch­tun­gen, das wieder­hol­te intra­vit­rea­le Injek­tio­nen die Augenoberfläche schä­di­gen, schei­nen sich nicht zu bestä­ti­gen. Die obli­ga­te Vorbe­rei­tung unter Verwen­dung von Povi­don-Jod birgt zwar das Risiko, die Epithe­li­en von Kornea und Konjunk­ti­va zu schä­di­gen. Aber die Ergeb­nis­se von Bilici et al. zeigen, das seri­el­le  IVOMs zu keinem Unter­schied bei BUT, Schirm­er, Horn­haut­fär­bung oder Meibom­drü­sen­ver­lust im Vergleich zum unbe­han­del­ten Part­ner­au­ge bei Pati­en­ten mit nAMD führten.

Dieser posi­ti­ve Einstieg in dieses Edito­ri­al zum „Trocke­nen Auge“ (Dry Eye Dise­a­se [DED]) darf nicht über die zuneh­men­de Proble­ma­tik hinweg­täu­schen. Das Trocke­ne Auge betrifft viele Menschen welt­weit mit stän­dig stei­gen­der Präva­lenz. Immer häufi­ger sind bereits jünge­re Menschen und jene mit Auto­im­mun­erkran­kun­gen wie dem Sjögren-Syndrom betrof­fen. Studi­en zeigen, dass bis zu 6% der Bevöl­ke­rung an einer Form des Trocke­nen Auges leidet. Allein das Sjögren-Syndrom zählt in Deutsch­land zu den häufigs­ten immun­me­di­ier­ten Erkran­kun­gen, die typi­scher­wei­se mit Funk­ti­ons­stö­run­gen der Tränen­drü­sen (und der Spei­chel­drü­sen) einher­geht. Da bei ca. 30% der Betrof­fe­nen die initia­len Sympto­me das Auge betref­fen, kommt uns Ophthal­mo­lo­gen eine wich­ti­ge Rolle zu. Das primä­re Sjögren Syndrom ist eine komple­xe System­er­kran­kung mit progres­si­vem Fort­schrei­ten. Nahezu drei Vier­tel der Pati­en­ten weisen auch extra-glan­du­lä­re Organ­be­tei­li­gung, z.B. der Lunge auf. Daher, so die Botschaft von Yang und Mitar­bei­tern, soll­ten auch Augen­ärz­te neben Xerosto­mie auch Husten und Kurz­at­mig­keit in der Anamne­se und Diagnos­tik berücksichtigen.

In der aktu­el­len Defi­ni­ti­on des Trocke­nen Auges werden sowohl einem hyper­os­mo­la­ren Tränen­film als auch neuro­tro­phen Horn­haut­ver­än­de­run­gen große Bedeu­tung zuge­mes­sen. In diesem Zusam­men­hang sind die Beob­ach­tun­gen von Maity et al. von Inter­es­se. In der Okto­ber-Ausga­be des „Graefe’s Archi­ve for Clini­cal and Expe­ri­men­tal Ophthal­mo­lo­gy“ bele­gen sie eine enge Korre­la­ti­on zwischen beiden Befun­den. Mittels konfo­ka­ler In-vivo-Mikro­sko­pie zeigt die Arbeits­grup­pe, dass die Hyper­os­mo­la­ri­tät der Tränen bei DED-Pati­en­ten mit einer redu­zier­ten Nerven­ver­zwei­gung, Faser­dich­te und Faser­län­ge der Cornea verbun­den ist.

Eben­falls mittels konfo­ka­ler Mikro­sko­pie der Kornea wurden Pati­en­ten mit chro­ni­scher Graft-versus-Host-Reak­ti­on (cGVHD) unter­sucht. Die cGVHD ist eine schwer­wie­gen­de Kompli­ka­ti­on nach allo­ge­ner häma­to­poe­ti­scher Zell­trans­plan­ta­ti­on mit erheb­li­chem Einfluss auf die Lebens­qua­li­tät der Betrof­fe­nen. Bis zu 90% weisen okulä­re Mani­fes­ta­tio­nen auf, über­wie­gend als schwe­re DED. Die Ergeb­nis­se von Kolle­gen aus Peking zeigen das  ausge­präg­te (sub)-epitheliale Altera­tio­nen der Kornea gegen­über Nicht-GVHD-Pati­en­ten vorlie­gen. Dies korre­lier­te auch mit signi­fi­kant verän­der­ten Konzen­tra­tio­nen von Epider­mal Growth Factor (EGF) im Tränen­film. Die Autoren gehen davon aus, dass die Verän­de­run­gen des Horn­haut­epi­thels bei okulä­rer cGVHD eher mit vermin­der­ten „Reparaturfaktoren“(u.a. EGF) als mit einer spezi­fi­schen Entzün­dungs­re­ak­ti­on zusam­men­hän­gen. Ein weite­res wich­ti­ges Ergeb­nis dieser Publi­ka­ti­on: Für die Verlaufs­kon­trol­le dieser Pati­en­ten eignet sich das konven­tio­nel­le Hornhaut-„Staining“ sehr gut, da es mit den konfo­ka­len Befun­den eng korrelierte.

Beim Stevens-John­son-Syndrom (SJS) steht dage­gen die Entzün­dungs­re­ak­ti­on klar im Vorder­grund. Es liegt eine akute, oft lebens­be­droh­li­che Reak­ti­on der Haut- und der Schleim­häu­te zugrun­de, die auf einer Inten­siv­sta­ti­on behan­delt werden. Neben der schwe­ren Haut- und Allge­mein­sym­pto­ma­tik weisen bis zu 90 % der Betrof­fe­nen eine Augen­be­tei­li­gung auf. Dies wird in der aktu­el­len S‑3 Leit­li­nie dezi­diert hervor­ge­ho­ben und mit klaren Empfeh­lun­gen an uns Augen­ärz­te ange­mahnt. So soll bereits inner­halb der ersten 48 Stun­den eine augen­ärzt­li­che Erst­be­ur­tei­lung einschließ­lich Fluo­res­zein­fär­bung erfol­gen. Weite­re Hand­lungs­an­wei­sun­gen betref­fen ein engma­schi­ges Moni­to­ring. Bei Auftre­ten von Epithel­de­fek­ten über 10 mm wird die Versor­gung mit einer Amni­onmem­bran als Empfeh­lung formu­liert. Dies wird bei diesen inten­siv-medi­zi­nisch betreu­ten Pati­en­ten nicht immer einfach umzu­set­zen sein – ande­rer­seits zeigen bishe­ri­ge Lang­zeit­be­ob­ach­tun­gen, dass die Augen­be­tei­li­gung zu den schwer­wie­gends­ten Lang­zeit­schä­den zählt und die Lebens­qua­li­tät erheb­lich einschränkt.

Das „Quar­tett“ schwer­wie­gen­der DED-Ursa­chen schlie­ße ich mit einer rezen­ten Arbeit zum okulä­ren Schleim­haut­p­em­phi­go­id (oSHP) ab. Diese chro­nisch-progres­si­ve Erkran­kung führt zum „Total­scha­den“ der Augen­ober­flä­che und führt sowohl zum Muzin­man­gel als auch wäss­ri­gem Defi­zit und Zerstö­rung von Becher­zel­len. Während sich zahl­rei­che Arbei­ten auf die syste­mi­sche immun­mo­du­la­to­ri­sche Thera­pie des oSHP konzen­triert haben, gibt es nur begrenz­te Daten zur topi­schen Behand­lung. Kaleb und Mitar­bei­ter aus Colo­ra­do (USA) stel­len ihre Erfah­run­gen der vergan­ge­nen 10 Jahre in der Okto­ber­aus­ga­be von „Ocular Immu­no­lo­gy and Inflamm­a­ti­on“ vor.  Es domi­nie­ren konser­vie­rungs­mit­tel­freie künst­li­che Tränen (87%), gefolgt von topi­schen Corti­cos­te­ro­iden (43%) und Augen­trop­fen aus auto­lo­gem Serum (40%). Topi­sche Immun­mo­du­la­to­ren wie Ciclos­po­rin A (23%) waren dage­gen über­ra­schend abge­schla­gen. Als Grund dafür führen die Autoren an, dass topi­sche Immun­mo­du­la­to­ren mit 73%  die höchs­te Abbruch­ra­te aufwie­sen. Auto­lo­ge Serum-Augen­trop­fen und topi­sche Corti­cos­te­ro­ide waren dage­gen auch bei star­ker Vorschä­di­gung effek­tiv und gut verträg­lich. Weite­re Beob­ach­tun­gen: die Anzahl der Wirk­stof­fe stieg im Stadi­um III des oSHP stark an, und Serum Augen­trop­fen wurden als beson­ders hilf­reich im „DED-Manage­ment“ der schwer betrof­fe­nen Pati­en­ten bewertet.

Für Pati­en­ten aller vier hier erwähn­ten Erkran­kun­gen mit schwe­rer Schä­di­gung der Augen­ober­flä­che haben sich  Serum-Augen­trop­fen gut bewährt. Aller­dings bedarf es immer wieder erheb­li­cher Anstren­gun­gen um dieses Blut­pro­dukt beim Kosten­trä­ger geltend zu machen. Hilf­reich für entspre­chen­de Anträ­ge kann dabei eine aktu­el­le Meta­ana­ly­se sein. Hier wurden nach gründ­li­cher Recher­che 12 rando­mi­sier­te kontrol­lier­te Studi­en (RCTs) nach Wirk­sam­keit und Sicher­heit iden­ti­fi­ziert und analy­siert. Bei Auswer­tung der bisher vorlie­gen­den Daten konnte sowohl für Befun­de (u.a. Horn­haut­fluo­res­zenz­fär­bung) als auch für Sympto­me (Ocular Surface Dise­a­se Index) eine klare Behand­lungs­al­ter­na­ti­ve für Pati­en­ten mit schwe­rer Schä­di­gung der Augen­ober­flä­che abge­lei­tet werden.

Wie wich­tig eine gute Behand­lung und Betreu­ung dieser Pati­en­ten ist lässt sich aus einer aktu­el­len Publi­ka­ti­on im Okto­ber-Ausga­be des „Ameri­can Jour­nal of Ophthal­mo­lo­gy“ ablei­ten.  Hier­aus geht hervor, dass die Auswir­kun­gen des Trocke­nen Auges weit über rein orga­ni­sche Beschwer­den hinaus­ge­hen. Unter mehr als 18.000 Pati­en­ten mit DED waren depres­si­ve Störun­gen (32%) und Angst­stö­run­gen (35%) hoch­si­gni­fi­kant häufi­ger gegen­über gematch­ten Vergleichs­per­so­nen zu beob­ach­ten. Dieses erhöh­te Risiko für psychi­sche Störun­gen im Zusam­men­hang mit DED könnte eine Folge von beidem sein: psycho­lo­gi­schen und biolo­gi­schen Verän­de­run­gen, so die Autoren. Die Sympto­me des Trocke­nen Auges haben einen tief­grei­fen­den Einfluss auf die Akti­vi­tä­ten des tägli­chen Lebens. Darüber hinaus führen die oft unzu­rei­chend behan­del­ba­ren Sympto­me dazu, dass Pati­en­ten ein Gefühl der Hilf­lo­sig­keit verspü­ren, was zu Stim­mungs­schwan­kun­gen führt. Inter­es­sant sind auch Befun­de, die zeigen, dass proin­flamm­a­to­ri­sche Zyto­ki­ne, die mit Depres­sio­nen in Verbin­dung gebracht werden, bei DED-Pati­en­ten erhöht waren. Dies könnte darauf hindeu­ten, dass syste­mi­sche Entzün­dun­gen eine biolo­gi­sche Rolle bei der Koexis­tenz dieser Fakto­ren spie­len könnten.

Resü­mee: Das Trocke­ne Auge ist zwar eine in vieler­lei Hinsicht unter­schätz­te Erkran­kung, aber dank moder­ner Medi­zin zuneh­mend besser zu behan­deln. Wir als Redak­ti­ons­team von „Ophthal­mo­lo­gie Kompakt“ werden weiter­hin die neues­ten Entwick­lun­gen auf diesem Gebiet verfol­gen und Sie über Fort­schrit­te informieren.

Herz­lichst, Ihr Uwe Pleyer und das gesam­te Team von „Kompakt Ophthalmologie“

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