2025: Was wird wich­tig in der Augenheilkunde?

 

 

 

Prof. Dr. med. Uwe Pleyer

 


Liebe Kolle­gin­nen und Kollegen,

der Jahres­be­ginn bietet Gele­gen­heit inne­zu­hal­ten, zu reflek­tie­ren und einen Ausblick zu wagen. Dies möch­ten wir mit der ersten Ausga­be von Kompakt Ophthal­mo­lo­gie 2025 versuchen.

Abge­se­hen von unwäg­ba­ren gesund­heits­po­li­ti­schen Entwick­lun­gen braucht es keinen Blick in die Glas­ku­gel, um künf­ti­ge Entwick­lun­gen voraus­zu­sa­gen. Im Folgen­den habe ich einige aktu­el­le Arbei­ten mit Fokus auf die „Reti­no­lo­gie“ heraus­ge­sucht. Genthe­ra­pie, Fort­schrit­te in der Bild­ge­bungs­tech­no­lo­gie – oft unter­stützt durch Künst­li­che Intel­li­genz und inter­dis­zi­pli­nä­re Zusam­men­ar­beit – stehen auf der Agenda ganz oben.

Das Auge gehört zu den weni­gen Orga­nen, die bereits erfolg­reich mit Genthe­ra­pien behan­delt werden. Bisher stan­den heredi­tä­re Erkran­kun­gen im Fokus. Es wird erwar­tet, dass sich das Spek­trum der Erkran­kun­gen, die infra­ge kommen, darüber hinaus wesent­lich erwei­tern wird. In der Dezem­ber-Ausga­be des „AJO werden die 24-Monats-Ergeb­nis­se einer multi­zen­tri­schen Phase‑I/II-Genthe­ra­pie­stu­die bei X‑chromosomaler Retin­i­tis pigment­o­sa präsen­tiert. Das Behand­lungs­kon­zept ist muta­ti­ons­un­ab­hän­gig, d. h. es zielt auf eine Reihe gene­ti­scher Verän­de­run­gen ab und könnte die Anwen­dung auch auf andere Erkran­kun­gen wie Morbus Star­gardt und Maku­la­de­ge­ne­ra­ti­on auswei­ten. In einer offe­nen Eska­la­ti­ons­stu­die erreich­ten dosis­ab­hän­gig bis zu 60% der Pati­en­ten eine Verbes­se­rung der Netz­haut­sen­si­ti­vi­tät. Risi­ken und Neben­wir­kun­gen waren im Rahmen dieser Studie eher mit der subre­ti­na­len Injek­ti­on als mit dem Genkon­strukt verbun­den. Weite­re Unter­su­chun­gen und Phase-III-Studi­en sind unter­wegs, um die lang­fris­ti­ge Sicher­heit und Wirk­sam­keit von AGTC-501 zu bewerten.

Die Genthe­ra­pie bietet sich v.a. bei heredi­tä­ren Netz­haut­er­kran­kun­gen an, da diese über­wie­gend mono­ge­netisch sind und die Ziel­zel­len sich in einem post­mito­ti­schen Stadi­um befin­den. Gute Voraus­set­zun­gen bestehen dadurch, dass konkre­te mole­ku­lar­bio­lo­gi­sche Ziel­struk­tu­ren vorlie­gen und nicht­in­va­si­ve Bild­ge­bung und andere sensi­ble Tech­ni­ken eine gute Erfolgs­kon­trol­le ermög­li­chen. In der oben genann­ten Studie wurde der subre­ti­na­le Appli­ka­ti­ons­weg gewählt. Dies hat Vortei­le, da gezielt Zellen im subre­ti­na­len Bereich, einschließ­lich Photo­re­zep­to­ren und RPE-Zellen, präzi­se ange­spro­chen werden können. Deut­lich einfa­cher und vertrau­ter ist die intra­vit­rea­le Einga­be bei genthe­ra­peu­ti­schen Maßnahmen.

Diese wurde in der OPTIC-Studie zur Behand­lung der neovas­ku­lä­ren AMD vorge­nom­men. Als „Biofactory“-Prinzip wird der Ansatz defi­niert, wenn durch Trans­fek­ti­on körper­ei­ge­ner Zellen die Produk­ti­on thera­peu­ti­scher Prote­ine, z.B. gegen VEGF, erfolgt. Erfolg­ver­spre­chen­de Daten liegen z.B. zur endo­ge­nen Bildung von Afli­ber­cept vor. In einer prospek­ti­ven Phase-Ib-Unter­su­chung an 30 nAMD-Pati­en­ten führte eine einzi­ge intra­vit­rea­le Injek­ti­on von Ixobe­ro­ge­ne Soropar­vo­vec (Ixo-Vec) zu einem anhal­tend effek­ti­ven Afli­ber­cept-Spie­gel. Eine lang­fris­ti­ge Verbes­se­rung  der Netz­haut­ana­to­mie mit Visus Anstieg konnte ohne weite­re Injek­tio­nen erreicht werden. Nur verein­zelt wurde ein dosis­ab­hän­gi­ger Reiz­zu­stand in der Vorder­kam­mer berich­tet, der auf topi­sche Corti­cos­te­ro­ide gut ansprach.

Neben der nAMD wird auch 2025 die Behand­lung des Maku­la­ödems ein wich­ti­ges Thema  blei­ben. Nach aktu­el­ler Leit­li­nie steht auch hier initi­al die Anti-VEGF Behand­lung im Vorder­grund. Die Lang­zeit­er­geb­nis­se sind aller­dings oft unbe­frie­di­gend. Dies geht auch aus den ernüch­tern­den Beob­ach­tun­gen von Fu et al. in „Eye“ (Dezem­ber 2024) hervor. Gerade einmal 50% der Pati­en­ten mit Maku­la­ödem (unter­schied­li­cher Ätio­lo­gie) weisen nach 3 Jahren einen stabi­len Befund auf. Mit ande­ren Worten: Die Behand­lung mit Anti-VEGF Wirk­stof­fen versagt bei jedem 2. Betrof­fe­nen trotz adäqua­ter (und häufi­ger) Injek­tio­nen. Alter­na­ti­ven sind gefragt. Die Stan­dard­be­hand­lung des Maku­la­ödems konzen­triert sich auf die Hemmung von VEGF‑A. Da beim diabe­ti­schen Maku­la­ödem auch VEGF-C- und VEGF-D-mRNA in mikro­vas­ku­lä­ren Endo­thel­zel­len signi­fi­kant anstei­gen, liegt es nahe, auch diese Isoty­pen in den Blick zu nehmen. Dies ist der Ansatz von Sozi­ni­ber­cept, das gleich­zei­tig die Akti­vi­tät von VEGF-C- und VEGF-D-Ligan­den bindet und neutra­li­siert. Eine offene, multi­zen­tri­sche Phase-Ib-Dosis­es­ka­la­ti­ons­stu­die zeigt, dass die Umstel­lung auf eine kombi­nier­te Injek­ti­ons­stra­te­gie von Afli­ber­cept plus Sozi­ni­ber­cept besse­re funk­tio­nel­le und anato­mi­sche Ergeb­nis­se erzielt.

Stero­id­im­plan­ta­te sind eine weite­re hoch­ef­fek­ti­ve Behand­lungs­op­ti­on. Bislang liegen kaum rando­mi­sier­te „Head-to-Head“-Untersuchungen vor. Dies Lücke schließt die aktu­ell in „Ophthal­mo­lo­gy“ erschie­ne­ne MERIT- Multi­cen­ter­stu­die. Hier wurden 3 intra­vit­re­al ange­wen­de­te Wirk­stof­fe (Rani­bi­zu­mab, Metho­tre­xat oder Dexa­me­tha­son-Implan­tat) bei Uvei­tis und Maku­la­ödem vergli­chen. Nicht uner­war­tet zeigte sich das Dexa­me­tha­son-Implan­tat im Vergleich zu Rani­bi­zu­mab deut­lich  (p=0,01) über­le­gen, aller­dings nicht im Vergleich zu Metho­tre­xat (p=0,59). Es werden wenige über­schau­ba­re Neben­wir­kun­gen berichtet.

Große Hoff­nung zur Präven­ti­on und Behand­lung des Maku­la­ödems bei Uvei­tis wurde in TNF-Blockern gesetzt. Die Frage, welcher der verfüg­ba­ren TNF-Blocker (Adali­mu­mab, Infli­xi­mab und Certo­li­zu­mab) sich dabei am besten bewährt, wurde durch Kolle­gen aus Spani­en in einer multi­zen­tri­schen Unter­su­chung bei Morbus-Behçet-Pati­en­ten unter­nom­men. Alle 3 erwie­sen sich bezgl. zentra­ler Netz­haut­di­cke und verbes­ser­ter Sehschär­fe als gleich­wer­tig. Inter­es­sant ist die Beob­ach­tung, dass Certo­li­zu­mab bei Pati­en­ten mit unzu­rei­chen­dem Anspre­chen auf ADA und/oder IFX noch wirk­sam war. 

Adali­mu­mab wurde vor mehr als 5 Jahren zur Behand­lung der Uvei­tis zuge­las­sen und findet zuneh­mend brei­te­re Anwen­dung. „Real World“-Erfahrungen sind aller­dings rar geblie­ben. Auf einige Fall­stri­cke für den klini­schen Alltag sei in den beiden abschlie­ßen­den Publi­ka­tio­nen hinge­wie­sen. Adali­mu­mab wird routi­ne­mä­ßig in einer vorge­ge­be­nen Stan­dard­do­sie­rung verwen­det, ohne indi­vi­du­el­le Fakto­ren wie z.B. das Körper­ge­wicht zu berück­sich­ti­gen. Es über­rascht nicht, dass dies zu unter­schied­lich hohen Adali­mum­ab­kon­zen­tra­tio­nen im Serum führt. Gleich­zei­tig gehen gerin­ge Wirk­spie­gel mit einem unzu­rei­chen­den Behand­lungs­er­geb­nis einher. Dies bele­gen die Ergeb­nis­se von Pichi et al. in der Dezem­ber­aus­ga­be des „AJO“. Bei einem BMI >26 konn­ten nicht nur gerin­ge Wirk­spie­gel, sondern auch stets Anti­kör­per gegen Adali­mu­mab im Serum detek­tiert werden. Kurzum: Eine Weiter­be­hand­lung mit diesem (kost­spie­li­gen) Medi­ka­ment erscheint hier wenig aussichtsreich.

ZurBon­sen et al. befür­wor­ten daher das Wirk­spie­gel- und Anti­kör­per gegen Adali­mu­mab routi­ne­mä­ßig kontrol­liert werden soll­ten. Anti-Adali­mu­mab-Anti­kör­per wurden von der Berli­ner Arbeits­grup­pe verein­zelt bereits nach 35 Tagen nach­ge­wie­sen. Auch hier gingen sie mit redu­zier­ten Adali­mu­mab-Serum­spie­geln und signi­fi­kan­tem Wirk­vers­lust einher. Höhere Anti­kör­per-Konzen­tra­tio­nen konn­ten mit einem jünge­ren Pati­en­ten­al­ter, nicht aber mit einer bestimm­ter Uvei­tis-Enti­tät  korre­liert werden. Die zusätz­li­che Gabe von Immun­sup­pres­si­va wird empfoh­len, um der Anti­kör­per­bil­dung entge­gen­zu­wir­ken. In dieser Beob­ach­tung gab es zwar einen Trend, aber keinen signi­fi­kan­ten Bene­fit einer Co-Medi­ka­ti­on mit Predn­iso­lon ≤7,5 mg oder Metho­tre­xat auf diesen Effekt (p=0,18). Die Autoren resü­mie­ren, dass ein Adali­mu­mab-Moni­to­ring anzu­ra­ten ist, um die Behand­lungs­er­geb­nis­se nicht zu gefähr­den und ggf. recht­zei­tig umzu­stel­len. Ange­sichts hoher Kosten für den Wirk­stoff lässt sich der zusätz­li­che Aufwand gut rechtfertigen.

Wie sie sehen – der Ausblick für 2025 stimmt posi­tiv! Viele Heraus­for­de­run­gen blei­ben – gleich­zei­tig zeich­nen sich neue Lösungs­mög­lich­kei­ten ab!

Wir als Team von Kompakt Ophthal­mo­lo­gie sehen es auch für 2025 als unsere Aufga­be an, Sie bei neuen Entwick­lun­gen für ihren Alltag zu beglei­ten. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen einen posi­ti­ven, zuver­sicht­li­chen Jahresbeginn.

Ihr

Uwe Pleyer    

 

 

 

 

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